Kieler Forscher entdecken biologischen Mechanismus für erhöhte CO2-Aufnahme im Ozean

Eine internationale Forschergruppe unter Leitung des Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) in Kiel konnte diesen Effekt erstmals für eine natürliche Planktongemeinschaft nachweisen. In Simulationen des zukünftigen Ozeans haben die Forscher eine bis zu 39% erhöhte CO2 Aufnahme gemessen. Die unerwartete Hilfe im Klimaschutz ist allerdings mit erheblichen Risiken und Nebenwirkungen für die marinen Ökosysteme verbunden.

Eine verstärkte CO2 Aufnahme durch das Meeresplankton beschleunigt die Versauerung der tiefen Ozeane, führt dort zu verstärkter Sauerstoffzehrung und könnte die Qualität des Planktons als Grundlage im marinen Nahrungsnetz verschlechtern. Die Studie erscheint am 11. 11. 2007 in der internationalen Fachzeitschrift „Nature“*.

Der Ozean ist der bei weitem größte Speicher von anthropogenem CO2 auf unserem Planeten. Bisher haben die Weltmeere etwa die Hälfte dieses vom Menschen ausgestoßenen Treibhausgases geschluckt. Wird dies auch in Zukunft der Fall sein? In bisherigen Modellen über die weitere Entwicklung des globalen Klimasystems ist die Reaktion der Meeresorganismen und der von ihnen angetriebenen Prozesse bislang eine der großen Unbekannten. Prof. Ulf Riebesell, Meeresbiologe am IFM-GEOMAR und Erstautor der Studie: „Ohne ein grundlegendes Verständnis des biologisch getriebenen Kohlenstoffkreislaufs im Meer und dessen Empfindlichkeit gegenüber Umweltänderungen lässt sich die Rolle des Ozeans im zukünftigen Klimageschehen nicht zuverlässig abschätzen.“ Mit ihren Ergebnissen sind die Autoren diesem Verständnis ein Stück weit näher gerückt. Die Kieler Meeresforscher und ihre norwegischen Kollegen haben gezeigt, dass sich aus den Reaktionen der Organismen auf den Ozeanwandel wichtige Rückkopplungen auf das Klimasystem ergeben können.

Um die Prozesse und ihre möglichen Veränderungen im zukünftigen Ozean so naturgetreu wie möglich zu untersuchen, nutzten die Forscher eine Versuchsanlage im norwegischen Raune Fjord südlich von Bergen, die wie eine Reihe überdimensionaler Reagenzgläser anmutet. In neun so genannten Mesokosmen, 10 Meter tiefe und 27 Kubikmeter Wasser fassende Schläuche, haben sie die heutigen und die für 2100 und 2150 prognostizierten CO2 Werte simuliert. Die Reaktion der Planktongemeinschaft auf die erhöhten CO2 Gehalte ließ nicht lange auf sich warten. Je höher die CO2 Gehalte in den Mesokosmen, umso schneller haben die planktischen Mikroalgen das Treibhausgas über Photosynthese gebunden. CO2 als Dünger für den Ozean? Tatsächlich haben die Einzeller unter erhöhten CO2 Bedingungen bis zu 39% mehr Kohlenstoff gebunden. Der Leiter der Feldstudie Prof. Ulf Riebesell: „Es überrascht uns nicht, dass die Organismen auf die veränderten Bedingungen im Ozean reagieren. Womit wir nicht gerechnet haben ist die Tatsache, dass sie durch ihre Reaktion dem CO2 Anstieg in der Atmosphäre in diesem Maße entgegen wirken.“ Auch für Landpflanzen ist die Wachstumsfördernde Wirkung von erhöhten CO2-Gehalten bekannt, eine Eigenschaft die sich Landwirte zu nutze machen, indem sie CO2 künstlich in ihre Treibhäuser einleiten. Und wie sieht es mit dem Verbleib der wuchernden Biomasse im Ozean aus? Auch hierzu lieferten die Versuche im Raune Fjord einen Hinweis: Das zusätzlich gebundene CO2 sank zum Ende der Planktonblüte mit den absterbenden Algenzellen in die Tiefe.

Der Düngungseffekt beim Meeresplankton könnte sich durchaus positiv auf die Klimaentwicklung auswirken. Was durch die Mikroalgen in der oberen Schicht gebunden und in die Tiefe transportiert wird, erlaubt wiederum die verstärkte Aufnahme von zusätzlichem CO2 aus der Atmosphäre in den Ozean. Hierdurch wird die vom Menschen verursachte Zunahme des Treibhauseffekts ein Stück weit vermindert. Allerdings verbraucht die in die Tiefe sinkende Algenbiomasse bei ihrem Abbau den für alle höheren Organismen lebenswichtigen Sauerstoff: je höher der Gehalt an organischem Kohlenstoff, umso stärker der Sauerstoffverbrauch. Eine weitere Folge: Mit dem beschleunigten CO2 Transport in die Tiefe schlägt sich auch die in der Oberfläche bereits messbare Ozeanversauerung schneller in die Tiefsee durch. Auch direkte Auswirkungen auf die Organismen sind zu erwarten, wie frühere Studien andeuten: Planktische Kleinkrebse, die mit Kohlenstoff reicheren Mikroalgen gefüttert wurden, reagierten mit geringerer Wachstumsrate und vermindertem Erfolg bei der Fortpflanzung.

Über die weitreichenden Folgen der Nature Studie zieht Ulf Riebesell das Fazit, „die von uns erzielten Erkenntnisse sind in dieser Hinsicht vermutlich erst die Spitze des Eisberges“. Er rechnet damit, dass Forscher bald auf weitere biologisch getriebene Rückkopplungsprozesse stoßen werden, die den Ozean und seine Rolle im zukünftigen Klimageschehen nachhaltig beeinflussen könnten. Die Untersuchungen in Bergen sind im Rahmen des EU-Projekts CARBOOCEAN durchgeführt worden.

*Enhanced biological carbon consumption in a high CO2 ocean. Ulf Riebesell (1), Kai Schulz (1), Richard Bellerby (2,3), Mona Botros (1), Peter Fritsche (1), Michael Meyerhöfer (1), Craig Neill(2), Gisle Nondal (2,3), Andreas Oschlies (1), Julia Wohler (1) & Eckart Zöllner (1).

(1) Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR), Kiel, Germany
(2) Bjerknes Centre for Climate Research, Bergen, Norway
(3) Geophysical Institute, University of Bergen, Norway
Kontakt:
Prof. Ulf Riebesell, Tel. 0431 – 600 4581, uriebesell@ifm-geomar.de
Mona Botros, Dipl.-Journ., M. Sc., Tel. 0431 – 600 2807, mbotros@ifm-geomar.de

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