Bayreuther populationsökologische Forschung: Hummeln leiden unter Inzucht

Ihr Ergebnis lautet: Einige Hummelarten können von blühenden Kulturpflanzen, die massenhaft Nektar und Pollen anbieten wie z.B. Rapsfelder, stärker profitieren als bislang angenommen. Jedoch können Kulturpflanzen aufgrund ihrer kurzen Blütezeiten naturnahe Landnutzungsformen wie etwa Magerrasen oder Streuobstwiesen nicht ersetzen.

Bayreuth (UBT). Welchen Einfluss hat die Landnutzung auf die Häufigkeit von Hummelnestern und deren Fortpflanzungserfolg? Dieser Frage sind Populationsökologen aus Bayreuth und Halle nachgegangen. Ihr Ergebnis lautet: Einige Hummelarten können von blühenden Kulturpflanzen, die massenhaft Nektar und Pollen anbieten wie z.B. Rapsfelder, stärker profitieren als bislang angenommen. Jedoch können Kulturpflanzen aufgrund ihrer kurzen Blütezeiten naturnahe Landnutzungsformen wie etwa Magerrasen oder Streuobstwiesen nicht ersetzen.

Hummeln sind neben Honig- und anderen nicht staatenbildenden Wildbienen wichtige Bestäuber zahlreicher Kultur- und Wildpflanzenarten. Aufgrund ihrer Fähigkeit, bei kühleren Temperaturen zu fliegen, sichern sie den Fruchtansatz, wenn andere Bestäuber dazu nicht mehr in der Lage sind.

Das Bewusstsein für die große Bedeutung der Bestäubungsleistung von Hummeln wuchs in den letzten Jahrzehnten, insbesondere aufgrund der zurückgehenden Honigbienenhaltung und der negativen Auswirkungen einer intensivierten Landwirtschaft. Unter Wissenschaftlern und engagierten Naturschützern werden seit längerem die Auswirkungen einer drohenden Bestäubungskrise diskutiert, die sich negativ auf landwirtschaftliche Erträge und den Fortbestand von bienenbestäubten Pflanzenarten auswirken kann.

Da blütenreiche, naturnahe Lebensräume zunehmend aus den Agrarlandschaften verschwinden, sind Farina Herrmann, Dr. Catrin Westphal, Prof. Dr. Robin Moritz und Prof. Dr. Ingolf Steffan-Dewenter im Rahmen des EU-Projekts ALARM (www.alarm-project.ufz.de) der Frage nachgegangen, welchen Einfluss die Landnutzung auf die Häufigkeit von Hummelnestern und deren Fortpflanzungserfolg hat. In der Umgebung von Göttingen (Südniedersachsen) wurden 13 Untersuchungsflächen ausgewählt, die sich in den Flächenanteilen von Rapsfeldern unterschieden. Im Zentrum der Untersuchungsflächen wurden Ackerhummeln (Bombus pascuorum) gefangen.

„Aus früheren Ergebnissen wissen wir, dass Hummeln von dem massenhaften Nektar- und Pollenangebot in blühenden Rapsfeldern profitieren. Sogar Monate nach der Rapsblüte konnten höhere Dichten von Hummeln in Landschaftsausschnitten mit zahlreichen Rapsfeldern festgestellt werden“ erläutert Dr. Catrin Westphal (Universität Bayreuth). Jedoch blieb eine wichtige Frage bisher ungeklärt: Stammen die in Rapsanbaugebieten vermehrt auftretenden Hummeln aus größeren Kolonien oder ist eine erhöhte Anzahl von Nestern die Ursache?

Gewissheit sollte die Mikrosatellitenanalyse bringen, eine genetische Verwandtschaftsanalyse, wie sie auch bei Vaterschaftstests verwendet wird. Mit dieser Methode waren die Wissenschaftler in der Lage, die gefangenen Ackerhummeln den Nestern zuzuordnen, aus denen sie stammten.

Die Ergebnisse bestätigten vorherige Vermutungen: Der Anteil der Rapsanbaufläche zeigte keinen Einfluss auf die Anzahl der ermittelten Hummelnester. Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass die Größe der Nester positiv vom Rapsangebot beeinflusst wird und die größere Anzahl an Nachkommen zu erhöhten Hummeldichten führt.

Prof. Dr. Ingolf Steffan-Dewenter (Universität Bayreuth), erklärt diesen Zusammengang folgendermaßen: „Den im Frühjahr erscheinenden Hummelköniginnen steht nur ein limitiertes Nahrungsangebot zur Verfügung und die Mortalität unter den jungen Hummelstaaten ist hoch. Nester mit Zugang zu lohnenden Massentrachten wie z.B. Raps erhalten eine effiziente Starthilfe, mit der sie die kritische Gründungsphase besser überstehen. In der Folge produzieren die geförderten Nester mehr Arbeiterinnen, die dann im Spätsommer beobachtet werden können“.

Weiterhin konnten die Wissenschaftler zeigen, dass das Nahrungsangebot nicht der einzige Faktor ist, der den Reproduktionserfolg und damit auch die Überlebenswahrscheinlichkeit von Hummelkolonien beeinflusst. Die genetischen Analysen offenbarten einen deutlichen Zusammenhang zwischen der genetischen Diversität und der Nestgröße. „Landschaften, in denen eine vermehrte Inzucht unter den Ackerhummeln gemessen wurde, haben kleinere Nester hervorgebracht“, erklärt Diplom-Biologin Farina Herrmann (Universität Bayreuth), die die Untersuchungen im Rahmen ihrer Diplomarbeit durchgeführt hat. „Unklar bleibt jedoch, welche Faktoren für die großen genetischen Unterschiede zwischen den Hummelpopulationen verantwortlich sind“. „Eine spannende Frage vor dem Hintergrund sinkender Artenvielfalt und Individuendichten von Hummeln in der Agrarlandschaft“, findet Prof. Dr. Robin Moritz (Universität Halle).

Das Fazit der Untersuchung lautet, dass einige Hummelarten von Massentrachten stärker profitieren können als bislang angenommen. Massentrachten, wie beispielsweise Rapsfelder, sind aber kein Ersatz für extensiv genutzte, naturnahe Landnutzungsformen, wie etwa Magerrasen oder Streuobstwiesen, die ein kontinuierliches Nahrungsangebot für Hummeln und andere wichtige Bestäuber in der Agrarlandschaft zur Verfügung stellen und zudem Nist- und Überwinterungsplätze für Bienen und andere Insekten bieten.

Originalveröffentlichung
Herrmann, F., Westphal, C., Moritz, R. F. A. & Steffan-Dewenter, I. (2007). Genetic diversity and mass resources promote colony size and forager densities of a social bee (Bombus pascuorum) in agricultural landscapes. Molecular Ecology 16: 1167-1178. doi: 10.1111/j.1365-294X.2007.03226.x
Kontaktadressen
Farina Herrmann
Universität Bayreuth
Lehrstuhl für Tierökologie I
Telefon (0921) 55-2644
e-mail: farinaherrmann@web.de
Dr. Catrin Westphal
Universität Bayreuth
Lehrstuhl Tierökologie I
Telefon (0921) 55-2644
e-mail: catrin.westphal@uni-bayreuth.de

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Jürgen Abel idw

Weitere Informationen:

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