Enzym als Kontrolleur im Nektar

Die Ameisenart Pseudomyrmex ferrugineus, "Spezialist" in Sachen Akazien, beim Verzehr des für sie extra aufbereiteten Nektars. Bild: Martin Heil

Jenaer Max-Planck-Wissenschaftler haben neue Kontrollmechanismen in Tier-Pflanze-Symbiosen entdeckt

Ein Enzym, das die Zusammensetzung der Zucker im Nektar von Pflanzen maßgeblich beeinflusst, haben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena entdeckt. Dieses Enzym spaltet Zucker, die im Nektar nicht benötigt werden. Bestimmte Pflanzenarten können auf diese Weise ihren Nektar in einer genauen Rezeptur anbieten, die den Bedürfnissen erwünschter Ameisenarten entspricht, denn: Mit diesem Nektar locken die Pflanzen nützliche Ameisen als Helfer gegen Schadinsekten an (Science, 22. April 2005).

Das spezifische Kohlenhydrat-Muster im Nektar erweist sich damit als ausschlaggebend für Symbiosen von Pflanzen und Tieren. Deren Zusammenleben ist vielfach dadurch gekennzeichnet, dass die Pflanze eine „Belohnung“ anbietet und vom Tier dafür einen Service erhält. Nektar spielt dabei in zwei verschiedenen Wechselwirkungen eine wichtige Rolle: Während der Blütennektar Bienen für die Bestäubung anlockt und damit die Fruchtbildung ermöglicht, dient der Blattnektar patrouillierenden Ameisen als Nahrung. Als Gegenleistung machen diese dann Jagd auf Fraßfeinde – etwa Raupen, kleine Käfer und andere Insekten – und verteidigen die Pflanze auf diese Weise mit anhaltendem Erfolg.

Das von den Wissenschaftlern Martin Heil, Janine Rattke und Wilhelm Boland gefundene Enzym sorgt dafür, dass die Pflanzen den Nektar genau mit jener Zuckerkombination anbieten, die den Bedürfnissen der jeweils anzulockenden Ameisen entspricht. Wie weit diese Leistungen seitens der Pflanzen gehen, haben die Forscher an verschiedenen Akazienarten in Mexiko untersucht.

Die Akazien kooperieren auf ganz unterschiedliche Weise mit Ameisen: Während einige Pflanzen patrouillierende Ameisen aus ihrer Umgebung anlocken, beherbergen andere ständige Ameisenkolonien. Dem Enzym, das dafür verantwortlich schien, kamen die Wissenschaftler durch interessante Beobachtungen auf die Spur. Die patrouillierenden Ameisenarten bevorzugten nämlich nur den Nektar der anlockenden Akazienarten, während die auf eine bestimmte Akazienart spezialisierten, Kolonie-bildenden Ameisen nur den Nektar „ihrer“ Wirtspflanzen mochten. Die chemische Analyse zeigte, dass die Nektare der anlockenden Akazien Rohrzucker (Saccharose), Traubenzucker (Glucose) und Fruchtzucker (Fructose) enthielten. Im Nektar der ameisenbewohnten Akazienart dagegen fehlte die Saccharose völlig.

Enzymatische Untersuchungen an den „dazugehörigen“ Ameisen ergaben schließlich, dass diesen das Enzym fehlt, das die Saccharose abbaut – im Nektar ihrer speziellen Wirtspflanzen ist es jedoch reichlich vorhanden: Es kann dort die Saccharose spalten und den Ameisen die gewünschten Kohlenhydrate quasi „vorverdaut“ zur Verfügung stellen. Dieser Nektar ist so für „fremde“ Ameisen unattraktiv, für die „Spezialisten“ indes Vollwertnahrung.

„Dies ist das erste Mal, dass überhaupt ein derartiges Verdauungs-Enzym im Nektar von Pflanzen gefunden wurde“, so Martin Heil, der neue Lehrstuhlinhaber für Ökologie an der Universität Duisburg-Essen. Er „wittert“ nun solche Enzyme auch in vielen anderen Symbiosen. Angesichts der generellen Bedeutung von Nektar für die Bestäubung sowie die Verteidigung von Pflanzen sei zu erwarten, dass weitere Untersuchungen schnell neue Erkenntnisse bringen und damit das Verständnis dieser Pflanze-Tier Wechselwirkung weiter verbessern.

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Prof. Dr. Martin Heil Max-Planck-Gesellschaft

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