Ernteameisen markieren ihre Straßen mit individuellen Parfums

Nach dem Kampf trottet eine Ernteameise in ihr Nest zurück. Ihrer Gegnerin hat sie zuvor den Hinterleib abgerissen. Die Überreste der Verliererin, die sich in den Körper der Gewinnerin verbissen hat, baumeln noch an deren Körper. Foto: Hölldobler

Die im Südwesten der USA vorkommenden Ernteameisen ernähren sich von Pflanzensamen. Weil sie in Halbwüsten leben, ist ihr Futter nicht besonders üppig vorhanden und die Konkurrenz untereinander entsprechend groß. Wie also massenhafte Konfrontationen vermeiden? Ganz einfach: Die Ameisen unterteilen ihre Territorien durch fest angelegte Auslaufstraßen. Wie die Tiere im Wirrwarr dieser Pfade auf den richtigen Wegen bleiben, haben Wissenschaftler von der Uni Würzburg herausgefunden: Jede Kolonie markiert ihre Straßen mit einem ganz eigenen Duft.

Im Würzburger Biozentrum hat die Arbeitsgruppe von Professor Bert Hölldobler die territorialen Strategien der Ernteameisen (Pogonomyrmex) im Feld und im Labor untersucht. Wenn die Späherinnen einer Kolonie ein neues Futterareal entdecken, das noch nicht von anderen besetzt ist, dann leiten sie ihre Nestgenossinnen mit Hilfe chemischer Signale dorthin: Mit Sekreten aus ihrer Stachelgiftdrüse legen sie zwischen dem neuen Gebiet und dem Nest eine Duftspur, der die anderen Ameisen folgen.

Ausgelöst wird dieses so genannte Spurfolgeverhalten durch eine einzige Komponente des Sekrets. Den Würzburger Biologen zufolge handelt es sich um ein Pyrazin, einen ziemlich flüchtigen Botenstoff, dessen Wirkung nur wenige Minuten anhält. Auf diese Substanz reagierten allerdings alle sechs Pogonomyrmex-Arten, die getestet wurden. Das Pyrazin wirkt also nicht artspezifisch, sondern wie ein allgemein gültiges Signal, das von allen Ernteameisen verstanden wird.

Also suchten die Forscher weiter, denn sie wussten bereits, dass die Straßensysteme zu den Futtergebieten nicht nur mit art-, sondern sogar mit koloniespezifischen Signalen markiert sein müssen – schließlich konnten die Ameisen im Laborversuch die Wege ihrer eigenen Kolonie von anderen unterscheiden. Das flüchtige Pyrazin kam auch darum nicht in Frage, weil die koloniespezifischen Markierungen langlebig sind und über Stunden oder sogar Tage anhalten.

Wie also können Tausende von Ameisenkolonien in einer Population Tausende von Erkennungssignalen produzieren, die für jede Kolonie einzigartig sind? Diese Frage haben Bert Hölldobler und Jürgen Liebig in Zusammenarbeit mit der Gruppe von David Morgan von der Keele University (England) nun beantwortet: Sie entdeckten, dass die Ameisen in einer zweiten Stacheldrüse, der so genannten Dufour-Drüse, eine Art Paraffinöl produzieren. Dabei handelt es sich um ein Gemisch von Kohlenwasserstoffen, dessen mengenmäßige Zusammensetzung aus Einzelbestandteilen für jede Kolonie charakteristisch ist. Gleichsam wie ein Parfüm, dessen besondere Geruchsqualität von der genauen Mischung vieler Duftstoffe bestimmt wird, so bestehen die spezifischen Geruchssignale, mit denen die Ameisenkolonien ihre Territorialstraßen markieren, aus Gemischen von Kohlenwasserstoffen.

Diese Forschungsergebnisse werden demnächst in der Fachzeitschrift „Chemoecology“ veröffentlicht.

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Bert Hölldobler
Tel. 0931-888-4308, Fax -4309
E-Mail: bertholl@biozentrum.uni-wuerzburg.de

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Robert Emmerich idw

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