Abnahme der Lernfähigkeit im Alter durch Ausschalten eines Kaliumkanals verhinderbar

Göttinger Max-Planck-Forschern ist es gelungen, ein Absinken der Lern- und Gedächtnisleistung bei älteren Mäusen zu verhindern durch Reduktion der Expression eines im Hippocampus lokalisierten Kalzium-aktivierten Kaliumkanals (SK3). <br>Foto: Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin, Göttingen <br><br>

Eine Erfahrung, die wir alle mit zunehmendem Alter machen müssen: die Fähigkeit zum Lernen sowie das Erinnerungsvermögen nehmen sukzessive ab. Thomas Blank, Ingrid Nijholt, Min-Jeong Kye, Jelena Radulovic und Joachim Spiess vom Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin in Göttingen haben sich auf die Suche begeben nach den neurophysiologischen Grundlagen dieses Prozesses und sind einen interessanten Schritt weiter gekommen. Bei Versuchen mit Mäusen ist es den Max-Planck-Forschern gelungen, durch Herunterregulieren eines im Hippocampus lokalisierten Kalzium-aktivierten Kaliumkanals (SK3) ein Absinken der Lern- und Gedächtnisleistung zu verhindern. Über diese aufsehenerregenden Experimente berichtet das Göttinger Forscherteam in einer Brief Communication des Journals Nature Neuroscience.

In den Versuchen wurden junge sowie ältere Mäuse darauf trainiert, einen ganz bestimmten Ton mit einem aversiven, also abschreckenden Stimulus zu verbinden, hier mit einem leichten elektrischen Fuß-Schock. Werden Ton und Schock unmittelbar aufeinanderfolgend präsentiert, so können sich am darauf folgenden Tag alle Versuchstiere, unabhängig von ihrem Alter, an diese Assoziation erinnern: die Tiere reagieren jetzt auf die alleinige Präsentation des Tons mit einer entsprechenden Furchtreaktion, dem so genannten freezing, einer Art Erstarrung, die die Maus für kurze Zeit unbeweglich verharren lässt. Werden Ton und Schock beim Training in einem Abstand von mehreren Sekunden dargeboten, so entsteht eine komplexere Lernsituation, die im Säugergehirn die Mitwirkung des Hippocampus erfordert, einer für die Gedächtnisbildung wichtigen Hirnstruktur. Jetzt können sich am darauf folgenden Tag die jungen Mäuse an die Assoziation von Ton und Fuß-Schock deutlich besser erinnern als die älteren Tiere.

Darüber hinaus fanden die Wissenschaftler, dass die so genannte Langzeit-Potenzierung (engl. long term potentiation oder kurz LTP), eine elektrische Messgröße, die die Plastizität, also die Anpassungsfähigkeit des Gehirns widerspiegelt, im hippocampalen Gewebe der älteren Mäuse weitaus geringer ausgeprägt war als bei den Youngsters. Im Hippocampus der Oldies wiesen die Forscher dagegen mit spezifischen Antikörpern vermehrt einen Kaliumkanal nach, der für die neuronale Aktivität wichtig ist und als SK 3-Kanal bezeichnet wird. Durch gezieltes Herunterregulieren der SK 3-Produktion im Hippocampus bei den älteren Mäusen gelang es den Göttinger Max-Planck-Wissenschaftlern schließlich, die Einschränkungen beim Lernen und bei der Gedächtnisbildung sowie bei der Langzeit-Potenzierung zu unterbinden.

Obwohl wir davon ausgehen müssen, dass nicht ein einzelnes Gen, sondern tatsächlich eine Vielzahl von Genen am Alterungsprozess beteiligt ist, so ist es doch vom therapeutischen Standpunkt aus höchst vielversprechend, wenn es einen Zusammenhang zwischen einem spezifischen Ionenkanal und der verminderten Gedächtnisleistung gibt, erklärt Joachim Spiess, Direktor der Abteilung für molekulare Neuroendokrinologie am Göttinger Max-Planck-Institut. Wir vermuten, dass der Anstieg in der Expression, also der Herstellung des SK 3 Kanals einen Mechanismus widerspiegelt, der zur altersbedingten Abnahme der Lern- und Gedächtnisleistung beiträgt. Wenn es gelingt, diesen Kanal über bestimmte Pharmaka selektiv zu regulieren, könnten sich ganz neue Ansätze ergeben, um den im Zuge der Alterung auftretenden Gedächtnisdefiziten wirksam entgegenzutreten, hofft Thomas Blank angesichts dieser neuen Erkenntnisse.

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Joachim Spiess
Max-Planck-Institut für Experimentelle Medizin, Göttingen
Tel.: +49 (551) 3899 309
Fax.: +49 (551) 3899 359
E-Mail: spiess@em.mpg.de

Thomas Blank
Max-Planck-Institut für Experimentelle Medizin, Göttingen
Tel.: +49 (551) 3899 407
Fax.: +49 (551) 3899 359
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