Chronische B-Zell-Leukämie: Neuer genetischer Faktor isoliert

Sie wiesen nach, dass BRWD3 in den Leukämiezellen weniger aktiv ist als in normalen Lymphozyten. In einem von der Wilhelm-Sander-Stiftung geförderten Projekt versuchen die Forscher nun, die Funktion von BRWD3 zu identifizieren und zu klären, inwiefern sich eine Inaktivierung auf das Wachstum der Leukämiezellen auswirkt.

Die B-Zell-chronisch-lymphatische Leukämie (B-CLL) ist die häufigste Leukämie des Erwachsenenalters in Westeuropa. Sie ist charakterisiert durch die Akkumulation reifer B-Lymphozyten und einen sehr variablen Krankheitsverlauf: Während die Erkrankung bei einigen Patienten ohne Behandlung über viele Jahre hinweg ohne Symptome und Progredienz bleibt, schreitet sie bei anderen Patienten schnell fort und führt rasch zum Tode, wenn sie nicht therapiert wird. Im Gegensatz zu akuten Leukämien ist die B-CLL jedoch nach wie vor schwierig zu therapieren oder gar zu heilen.

Dabei spielen verschiedene genetische Faktoren eine Rolle, deren heterogene Ausprägung in den Leukämiezellen offenbar für den sehr unterschiedlichen Krankheitsverlauf und Therapieerfolg verantwortlich ist. Zu den bisher identifizierten prognostischen Faktoren für einen aggressiven Krankheitsverlauf gehört u. a. der Verlust bestimmter Regionen auf den Chromosomen 11 und 17 in den Tumorzellen. Die wissenschaftliche Forschung konzentriert sich derzeit darauf, weitere genetische Faktoren zu identifizieren und die molekulare Basis der B-CLL aufzuklären, mit der Zielsetzung

1) anhand prognostischer Faktoren Risikopatienten erkennen zu können,
2) effektive und gerichtete Therapien zu entwickeln und
3) diese unter Berücksichtigung der individuellen Ausprägung der Faktoren anwenden zu können.

Ein sinnvoller Ansatz zur Entwicklung neuer Leukämietherapien besteht darin, deregulierte Signalwege zu korrigieren, die das Wachstum und Überleben der Tumorzellen stimulieren. Auf diese Weise kann eine effektive Bekämpfung der Tumorzellen bei minimaler Toxizität gegenüber normalen Zellen erreicht werden. Einen besonders interessanten Ansatzpunkt für neue Therapien stellt der STAT-Signalweg dar, da er an der Regulation des Zellwachstums beteiligt und in vielen hämatologischen Tumoren, auch in B-CLL, inadäquat aktiviert ist.

Mit dem Ziel, genetische Faktoren zu identifizieren, die die Entwicklung der B-CLL beeinflussen, untersuchten Dr. Claudia Kalla und Mitarbeiter in der Gruppe von Prof. Lichter einen spezifischen Chromosomenbruch in den Leukämiezellen. Sie isolierten das neue Gen BRWD3 auf Chromosom X, das durch diesen Bruch inaktiviert wurde, und fanden heraus, dass es generell in B-CLL-Zellen im Vergleich zu normalen B-Lymphozyten weniger aktiv ist. Diese Daten lassen darauf schliessen, dass BRWD3 an der Entwicklung von B-CLL beteiligt ist. Diese Hypothese wird durch eine Studie von Martin Zeidler und Mitarbeitern gestützt, die nachweist, dass die Entstehung eines leukämieähnlichen Blut-Zell-Tumors in Fruchtfliegen von der Aktivität des Drosophila-BRWD3 beeinflusst wird. Diese Gruppe konnte auch zeigen, dass das Drosophila-BRWD3 als Teil des STAT-Signalweges wirkt.

Mit einer Serie verschiedener Experimente versuchen Dr. Kalla und Prof. Lichter derzeit, die Funktion des humanen BRWD3 zu identifizieren und zu klären, ob das Gen

1) in Analogie zum Drosophila-BRWD3 als Bestandteil des STAT-Signalweges aktiv und

2) an der Entwicklung von B-CLL beteiligt ist. Im Mittelpunkt der Untersuchungen steht die gezielte Veränderung der Aktivität des Gens, um Informationen darüber zu erhalten, welche Gene von BRWD3 reguliert werden und inwiefern sich eine Inaktivierung von BRWD3 – wie in B-CLL-Zellen nachgewiesen -auf das Zellwachstum auswirkt. Um die Bedeutung von BRWD3 für den Krankheitsverlauf von B-CLL beurteilen zu können, sollen die genetischen mit klinischen Daten korreliert werden.

Kontakt: Prof. Dr. Peter Lichter, Heidelberg
Tel: +49 (6221) 424609, Fax: +49 (6221) 424639,
e-mail: peter.lichter@dkfz.de, homepage: www.dkfz.de/en/genetics/
Die Wilhelm Sander-Stiftung fördert dieses Forschungsprojekt mit über 180.000 Euro. Stiftungszweck der Stiftung ist die medizinische Forschung, insbesondere Projekte im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden dabei insgesamt über 160 Mio. Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz bewilligt. Die Stiftung geht aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.

Media Contact

Bernhard Knappe idw

Weitere Informationen:

http://www.wilhelm-sander-stiftung.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neue universelle lichtbasierte Technik zur Kontrolle der Talpolarisation

Ein internationales Forscherteam berichtet in Nature über eine neue Methode, mit der zum ersten Mal die Talpolarisation in zentrosymmetrischen Bulk-Materialien auf eine nicht materialspezifische Weise erreicht wird. Diese „universelle Technik“…

Tumorzellen hebeln das Immunsystem früh aus

Neu entdeckter Mechanismus könnte Krebs-Immuntherapien deutlich verbessern. Tumore verhindern aktiv, dass sich Immunantworten durch sogenannte zytotoxische T-Zellen bilden, die den Krebs bekämpfen könnten. Wie das genau geschieht, beschreiben jetzt erstmals…

Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit

Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist?…

Partner & Förderer