Neue Impulse in der Stammzellforschung

Jetzt ist es Wissenschaftlern des Instituts für Medizinische Strahlenkunde und Zellforschung (MSZ) der Universität Würzburg in der Arbeitsgruppe um den Biologen Professor Albrecht Müller gelungen zu zeigen, dass embryonale Stammzellen der Maus, die Erbinformation ausschließlich von männlicher Seite enthalten, normale Vorläuferzellen des Nervengewebes bilden können. Damit könnten sie zur Alternative zu den „normalen“ embryonalen Stammzellen werden, deren Verwendung ethisch umstritten ist. Die Erkenntnisse sind in der Fachzeitschrift „Stem Cells“ publiziert.

Benötigt werden solche Zellen insbesondere von der regenerativen Medizin. Sie forscht daran, geschädigte oder kranke Gewebe und Organe durch eine Transplantation von Zellen zu heilen. Diese sollen entweder fehlende Zellen ersetzen oder sich passgenau in geschädigtes Gewebe integrieren. Dazu brauchen die Mediziner Zellen, die zum einen zum Immunsystem des Empfängers passen und nicht abgestoßen werden und zum anderen dort ganz spezifische Funktionen übernehmen können. Bislang sind die embryonalen Stammzellen viel versprechende Kandidaten als Quelle für solche therapeutisch verwendbaren Zellen.

Als eine Alternative zu den normalen embryonalen Stammzellen verwendeten die Würzburger Wissenschaftler embryonale Stammzellen mit ausschließlich männlicher Erbinformation. Gewonnen werden die Stammzellen, die nur die genetische Information von weiblicher oder männlicher Seite enthalten, im Reagenzglas. Nach einer künstlichen Befruchtung – noch bevor die beiden Zellkerne von Eizelle und Samenzelle verschmelzen – entnimmt man den Kern der Eizelle und ersetzt ihn durch einen zweiten männlichen aus einer weiteren Samenzelle von demselben Spender.

Diese Zelle enthält dann nur noch die Erbinformation vom Spender der Samenzellen. Sie entwickeln sich zwar zu frühen Embryonen weiter, diese sind mit dem rein männlichen Erbgut aber nur bedingt entwicklungsfähig und nicht lebensfähig und sterben nach wenigen Tagen ab. Die Entwicklung geht jedoch weit genug, dass embryonale Stammzellen mit ausschließlich männlicher Erbinformation entnommen werden können.

Diese von den Würzburger Forschern verwendeten Stammzellen haben entscheidende Vorteile gegenüber normalen embryonalen Stammzellen: Weil sie nur die Gene des Spenders der Samenzellen in sich tragen, passen sie gut zu dessen Immunsystem und werden nicht abgestoßen. Außerdem werden bei der Erzeugung dieser Art von Stammzellen keine lebensfähigen Organismen zerstört, erklärt Albrecht Müller. Gerade der zweite Punkt unterscheidet diese Zellen von herkömmlichen embryonalen Stammzellen und macht diese Zellen vom ethischen Standpunkt her deutlich unproblematischer.

Mit der Erkenntnis, dass diese Art von Stammzellen bei der Maus in der Lage ist, sich zu Vorläufern von Nervenzellen zu spezialisieren, ist ein großer Schritt nach vorne getan, sagt der Biochemiker Timo C. Dinger, der sich mit dieser Arbeit zur Zeit promoviert. Und die Arbeit der Projekt-Partner an der University of Pennsylvania zeigt, dass die Zellen vielseitig entwicklungsfähig sind. So ist es dort gelungen, aus ihnen auch Blutstammzellen zu erzeugen, die normal funktionieren und keine Abnormalitäten zeigen.

In der weiteren Arbeit müsse man nun klären, was diese Zellen mit ausschließlich männlichem Erbgut alles können, sagt Timo C. Dinger, zum Beispiel, ob sie sich in geschädigtes Nervengewebe der Maus funktionell integrieren lassen.

In den USA ist man bereits einen Schritt weiter: Dort haben Wissenschaftler der International Stem Cell Corporation schon ähnliche menschliche Stammzellen dieser Art entwickelt – in diesem Fall Stammzellen mit rein weiblicher Erbinformation, nur mit den Genen der Eizell-Spenderinnen. Diese müssen jetzt ähnliche Tests durchlaufen wie die Maus-Stammzellen.

„Androgenetic Embryonic Stem Cells form Neural Progenitor Cells in vivo And in vitro“ Timo C. Dinger, Soon Won Choi, Guadelupe Camarero, Vroni Hornich, Albrecht M. Müller (alle Universität Würzburg) Sigrid Eckardt, Satoshi Kurosaka, K. John McLaughlin(alle University of Pennsylvania). Stem Cells, online publiziert am 27.03.2008, DOI: 10.1634/stemcells.2007-0877

Gefördert wurde dieses Projekt durch das Würzburger DFG-Graduiertenkolleg „Molecular Basis of Organ Development in Vertebrates“ (GRK 1048). http://www.gk-1048.uni-wuerzburg.de/

Weiterführende Informationen bei: Prof. Dr. Albrecht M. Müller, T (0931) 201-45846, albrecht.mueller@mail.uni-wuerzburg.de

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Margarete Pauli idw

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