Extreme Anpassungen von Lebewesen gehen oft mit so starken Veränderungen einher, dass der Ablauf der Evolution schwierig zu rekonstruieren ist.
Zoologen der Universität Basel beschreiben nun eine neue Parasitenart, die ein Bindeglied zwischen Pilzen und extremen Parasiten bildet. Damit lässt sich erstmals die Evolution dieser Krankheitserreger von Menschen und Tieren verstehen. Die Arbeit wird in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins «Proceedings of the National Academy of Sciences» (PNAS) vorgestellt.
Parasiten bedienen sich bei ihren Wirtsorganismen, um sich ihr eigenes Leben zu vereinfachen. Dazu entwickeln sie Merkmale, die so extrem sind, dass man sie oft mit keinen anderen Lebewesen vergleichen kann. Wie diese speziellen Anpassungen zustande kamen, ist oft nicht mehr nachzuvollziehen.
Die Forschungsgruppe um Prof. Dieter Ebert am Departement Umweltwissenschaften der Universität Basel hat nun ein «Missing Link» entdeckt, mit dem sich die Evolution einer grossen Gruppe extremer Parasiten, der Microsporidien, erklären lässt. Unterstützt wurden sie dabei von Wissenschaftlern aus Schweden und den USA.
Microsporidien sind eine grosse Gruppe von extremen Parasiten, die Menschen und Tiere befallen und in Gesundheitswesen und Landwirtschaft hohe Kosten verursachen; über 1200 Arten von ihnen sind bekannt. Sie leben in den Zellen ihrer Wirte und besitzen hochspezialisierte Anpassungen: Sie können sich nur innerhalb der Wirtszelle reproduzieren, haben die kleinsten bekannten Genome aller Organismen mit Zellkernen (Eukaryoten) und besitzen keine eigenen Mitochondrien (Kraftwerke der Zellen).
Zudem haben sie einen harpunenartigen Infektionsapparat, mit dem sie sich in Wirtszellen hineinschiessen können. Wegen ihrer sensationell hohen molekularen Evolutionsraten waren Analysen ihres Erbmaterials bisher wenig erfolgreich: Die grosse Divergenz ihrer Gene von allen anderen bekannten Organismen erschwerte es, ihre Abstammung zu verstehen.
Zwischen Pilz und Parasit
Die Zoologen um Prof. Dieter Ebert erforschen seit Jahren die Evolution von Microsporidien. Als sie vor einigen Jahren einen neuen Parasiten von Wasserflöhen entdeckten, klassifizierten sie die bisher unbeschriebene Art als ein Microsporidum, vor allem deshalb, weil es den harpunenartigen Infektionsapparat besitzt, der als Schlüsselerfindung der Microsporidien gilt.
Die Analyse des gesamten Genoms brachte dann einige Überraschungen zutage: Das Erbgut gleicht mehr dem eines Pilzes als dem eines Microsporidiums und besitzt zudem ein Mitochondriales Genom. Bei der neuen Art, die Mitosporidium daphniae benannt wurde, handelt sich damit um ein Bindeglied zwischen Pilzen und Microsporidien.
Mit der Hilfe von Kollegen aus Schweden und den USA rollten die Basler Forscher die Evolution von Microsporidien neu auf. Zunächst zeigten sie, dass sich die neue Art von Vorfahren aller Microsporidien ableitet und sich den ursprünglichen Pilzen zuordnen lassen; damit ist ihr genauer Platz im Stammbaum des Lebens endlich gefunden. Weitere Untersuchungen bestätigten, dass die neue Art tatsächlich eine microsporidien-typische, intrazelluläre und parasitische Lebensweise hat, dass aber ihr Genom sehr untypisch für ein Microsporidium ist. Es gleicht vielmehr den gemeinsamen Vorfahren mit den Pilzen.
Veränderungen am Erbgut
Die Wissenschaftler schliessen daraus, dass die Microsporidien zuerst eine parasitische, intrazelluläre Lebensweise entwickelten und dass sich erst später ihr Genom stark verändert hat. Diese Veränderungen am Erbgut schliessen den Verlust der Mitochondrien und die Vereinfachung des Energiestoffwechsels ein, ebenso wie die extreme Kompaktierung des Genoms. «Unsere Arbeiten sind nicht nur ein Meilenstein in der Erforschung von Microsporidien, sondern von grossem Interesse für die Erforschung von parasitenspezifischen Anpassungen in der Evolution im Allgemeinen», erläutert Ebert die Befunde.
Originalbeitrag
Haag, K.L., James, T.Y., Pombert, J.-F., Larsson, R., Schaer, T.M.M., Refardt, D. & Ebert, D. 2014.
Evolution of a morphological novelty occurred before genome compaction in a lineage of extreme parasites
Proceedings of the National Academy of Sciences, USA, 13. Oktober 2014) www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1410442111
Weitere Auskünfte
Prof. Dieter Ebert, Departement Umweltwissenschaften der Universität Basel, Fachbereich Zoologie, Tel. +41 (0)61 267 03 60, Fax +41 (0)61 267 03 60, E-Mail: dieter.ebert@unibas.ch
Olivia Poisson | Universität Basel
Weitere Informationen:
http://www.unibas.ch
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