Die Architekten des Gehirns
Einzelne Rezeptorvarianten führen zu besonders langen und verzweigten Fortsätzen (Dendriten), mit denen die Zellen kommunizieren. Die Forscher zeigten auch, dass die wachstumsfördernde Eigenschaft der Rezeptoren damit zusammenhängt, wieviel Kalzium sie in die Zellen einströmen lassen.
„Diese Ergebnisse erlauben Einblicke in die Mechanismen, mit denen sich Nervenzellen während der Entwicklung vernetzen“, sagt Prof. Dr. Petra Wahle aus der RUB-AG Entwicklungsneurobiologie. Die Wissenschaftler berichten in Development.
Auf wenige Aminosäuren kommt es an
„Nervenzellen kommunizieren mit chemischen und elektrischen Signalen“, erklärt Wahle. „Die elektrische Aktivität steuert viele Entwicklungsprozesse im Gehirn und der Botenstoff Glutamat ist daran entscheidend beteiligt.“ In zwei unterschiedlichen Zellklassen der Großhirnrinde von Ratten untersuchten die Forscher die neun häufigsten Varianten eines Glutamatrezeptors, des sogenannten AMPA-Rezeptors. Dockt Glutamat an diesen Rezeptor an, strömen Kalziumionen entweder direkt durch eine Pore im AMPA-Rezeptor oder durch benachbarte Kalziumkanäle in die Nervenzellen ein. Je nach Variante bestehen AMPA-Rezeptoren aus 800 bis 900 Aminosäurebausteinen, wobei der Austausch bereits eines Bausteins entscheidenden Einfluss auf die Kalziumdurchlässigkeit hat. Kalzium fördert unter anderem das Wachstum neuer Zellfortsätze.
Verschiedene Zelltypen, verschiedene Mechanismen
Das Bochumer Team brachte jeweils eine von neun AMPA-Rezeptorvarianten in die Nervenzellen ein und beobachtete, wie sich das auf die Zellarchitektur auswirkte. In mehreren Fällen führte der Einbau zu längeren Fortsätzen mit mehr Verzweigungen. Dieses Muster zeigte sich sowohl für einige Rezeptorvarianten, die Kalziumionen durch eine Pore direkt in die Zelle einströmen lassen, als auch für solche, die benachbarte Kalziumkanäle aktivieren. „Überraschend war, dass in den zwei untersuchten Zellklassen jeweils unterschiedliche Rezeptorvarianten das Wachstum der dendritischen Fortsätze auslösten“, so Dr. Mohammad Hamad aus der AG Entwicklungsneurobiologie. „In den hemmenden Nervenzellen, den Interneuronen, war beispielsweise nur eine einzige der neun Varianten wirksam. Kalziumsignale sind wie ein Werkzeugkasten. Allerdings bedienen sich unterschiedliche Zellklassen in der Großhirnrinde des Werkzeugkastens auf unterschiedliche Weise.“
Titelaufnahme
Hamad, M. I., Ma-Hogemeier, Z. L., Riedel, C., Conrads, C., Veitinger, T., Habijan, T., Schulz, J. N., Krause, M., Wirth, M. J., Hollmann, M., Wahle, P. (2011) Cell class-specific regulation of neocortical dendrite and spine growth by AMPA receptor splice and editing variants. Development 138, 4301-4313, doi: 10.1242/dev.07107
Media Contact
Weitere Informationen:
http://www.ruhr-uni-bochum.de/Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie
Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.
Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.
Neueste Beiträge
Diamantstaub leuchtet hell in Magnetresonanztomographie
Mögliche Alternative zum weit verbreiteten Kontrastmittel Gadolinium. Eine unerwartete Entdeckung machte eine Wissenschaftlerin des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme in Stuttgart: Nanometerkleine Diamantpartikel, die eigentlich für einen ganz anderen Zweck bestimmt…
Neue Spule für 7-Tesla MRT | Kopf und Hals gleichzeitig darstellen
Die Magnetresonanztomographie (MRT) ermöglicht detaillierte Einblicke in den Körper. Vor allem die Ultrahochfeld-Bildgebung mit Magnetfeldstärken von 7 Tesla und höher macht feinste anatomische Strukturen und funktionelle Prozesse sichtbar. Doch alleine…
Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze
Projekt HyFlow: Leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze. In drei Jahren Forschungsarbeit hat das Konsortium des EU-Projekts HyFlow ein extrem leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem entwickelt, das einen…