Bienenverluste durch insektizide Saatgutbehandlungsmittel in Deutschland 2008

Sofort nach Bekanntwerden der Vorfälle begann eine intensive Suche nach den Ursachen. Dabei arbeiteten das Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum in Baden-Württemberg und die Behörden vor Ort mit der Imkerschaft, der Bienenuntersuchungsstelle im Julius Kühn-Institut, dem BVL und der Pflanzenschutzmittel-Industrie zusammen.

Schnell richtete sich der Verdacht auf Maissaatgut, das mit dem insektiziden Wirkstoff Clothianidin behandelt war. Inzwischen haben die chemischen Analysen des Julius Kühn-Instituts eine Clothianidinvergiftung bestätigt.

Es ist davon auszugehen, dass das nachgewiesene Clothianidin von behandeltem Maissaatgut stammt, bei dem der Wirkstoff nicht ausreichend an den Körnern haftete, so dass es wegen dieser geminderten Beizqualität zu einem starken Abrieb kam. In der Oberrheinebene wurden zur Aussaat mit Druckluft arbeitende Sämaschinen eingesetzt, die aufgrund ihrer Konstruktion den Abriebstaub in die Luft abgeben. So konnte der Abriebstaub auf blühende Pflanzen gelangen.

Die regionale Verteilung der Bienenschäden und Untersuchungen des Saatguts lassen darauf schließen, dass die Qualitätsmängel bei bestimmten Chargen des Maissaatguts vorlagen, die speziell zum Schutz gegen den Westlichen Maiswurzelbohrer behandelt waren. Für diesen Zweck war eine höhere Aufwandmenge zugelassen als für den Schutz gegen Fritfliege und Drahtwurm.

Behördliche Maßnahmen

Am 15. Mai 2008, noch vor der vollständigen Aufklärung der Vorfälle, ordnete das BVL das Ruhen der Zulassung für acht insektizide Saatgutbehandlungsmittel an. Aus Vorsorgegründen erstreckte sich diese Maßnahme nicht nur auf Mittel zur Behandlung von Maissaatgut, sondern auch auf solche zur Behandlung von Rapssaatgut. Am 24. Mai 2008 verbot das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz für vorerst 6 Monate die Aussaat von Maissaatgut mit pneumatischen Geräten zur Einzelkornablage, die mit Unterdruck arbeiten; das Verbot gilt für Maissaatgut, das mit Clothianidin oder einem von drei weiteren Insektiziden behandelt ist.

Zeitgleich mit diesen Sofortmaßnahmen hat sich das BVL intensiv mit dem Problem des Wirkstoffabriebs bei Saatgutbehandlungsmitteln auseinander gesetzt. Es galt zu klären, welche Faktoren bei der Saatgutbehandlung und bei der Aussaat eine Rolle spielen und wie sich die Belastung der Umwelt minimieren lässt. Dazu hat das BVL Unterlagen von den Zulassungsinhabern angefordert und mehrere Fachgespräche durchgeführt, bei denen auch Saatguterzeuger, Landmaschinenindustrie, Verbände und unabhängige Fachleute angehört wurden.

Aufgrund der vielschichtigen Faktoren wie Aufwandmenge pro Saatgut, unterschiedliche Beizqualität und die verwendeten Geräte, hat das BVL für den 14. Juli 2008 zu einem weiteren Fachgespräch eingeladen, bei dem es um die Verfahren der Saatgutbehandlung und die Technik der Drillmaschinen im Maisanbau geht. Daneben hat das BVL weitere Unterlagen von den Zulassungsinhabern angefordert und steht in Verbindung mit europäischen und nordamerikanischen Zulassungsbehörden.

Voraussichtlich wird das BVL im Herbst 2008 entscheiden, ob die Zulassungen der Mittel zur Maisbehandlung mit Auflagen und Beschränkungen, etwa einer begrenzten Aufwandmenge, wieder in Kraft gesetzt werden können oder endgültig widerrufen werden müssen.

Die Situation bei Raps

Die mit Maissaatgut aufgetretenen Probleme sind nicht auf Rapssaatgut übertragbar. Aus der Bewertung dieses Risikos durch das Julius Kühn-Institut und den Ergebnissen des Deutschen Bienenmonitorings liegen keine Anhaltspunkte für eine mögliche Schädigung von Bienenvölkern vor.

Das Julius Kühn-Institut und das Landwirtschaftliche Technologiezentrum Augustenberg haben Saatgutproben aus dem Handel auf Abriebfestigkeit geprüft. Der Abrieb bei Rapsproben erwies sich als sehr gering und lag deutlich unter den Werten bei Mais.

Weiterhin kommen bei der Aussaat von Raps ausschließlich Maschinen zum Einsatz, die Abriebstäube nur in den Boden, nicht aber in die Luft abgeben können. Zudem gelangt mit behandeltem Raps weniger Wirkstoff auf einen Hektar als mit behandeltem Mais. Schließlich gibt es nach wie vor keine Anhaltspunkte dafür, dass Pollen und Nektar der Rapsblüten ein Risiko für Bienen darstellen könnten.

Das BVL hat am 25. Juni 2008 die Zulassung für Raps unter der Auflage wieder in Kraft gesetzt, dass das Pflanzenschutzmittel bei der Saatgutbehandlung mit einem zusätzlichen Haftmittel ans Rapskorn gebunden wird, so dass kein Abriebstaub in die Luft abgegeben werden kann. Dadurch wird unabhängig von der Selbstverpflichtung der Saatguterzeuger, die Haftmittelverwendung und stärkere Qualitätskontrollen zugesagt haben, die Saatgutqualität in Hinsicht auf Abriebfestigkeit und Staubfreiheit sichergestellt.

Obwohl das BVL nach eingehender Prüfung zu dem Ergebnis kommt, dass die Rapsbeizung mit clothianidinhaltigen Pflanzenschutzmitteln kein Risiko hinsichtlich einer möglichen Schädigung von Bienenvölkern darstellt, hat es aus Vorsorgegründen den Zulassungsinhabern zusätzlich empfohlen, auf Packungen mit behandeltem Rapssaatgut die folgenden Kennzeichnungen anbringen zu lassen:

o Behandeltes Saatgut und Reste wie Bruchkorn und Stäube, entleerte Behältnisse oder Packungen sowie Spülflüssigkeiten nicht in Gewässer gelangen lassen. Dies gilt auch für indirekte Einträge über die Kanalisation, Hof- und Straßenabläufe sowie Regen- und Abwasserkanäle.

o Keine Ausbringung des behandelten Saatgutes bei Wind mit Geschwindigkeiten über 5 m/s.

o Das behandelte Saatgut einschließlich enthaltener oder beim Sävorgang entstehender Stäube vollständig in den Boden einbringen.

o Die Ausbringung des behandelten Saatgutes sollte nicht mit pneumatischen Sägeräten (Saugluftsysteme) erfolgen, es sei denn, die Abluftführung ermöglicht die Ableitung von Stäuben in den Boden.

Media Contact

Jochen Heimberg idw

Weitere Informationen:

http://www.bvl.bund.de/presse

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