Lebensqualität für Kehlkopflose – gemeinsames Anliegen von HNO-Ärzten, Psychologen und Onkologen

Auf der 11. Jahrestagung der Vereinigung Mitteldeutscher Hals-Nasen-Ohrenärzte vom 6. bis 7. September 2002 in Leipzig ist die onkologische Rehabilitation und Nachsorge eines der Hauptthemen. Prof. Dr. Friedrich, Bootz, Direktor der Klinik und Poliklinik für HNO-Heilkunde/Plastische Operationen der Universität Leipzig und Tagungspräsident, will die Veranstaltung auch zur kritischen Einschätzung moderner Technologien in der Hals-, Nasen- Ohrenheilkunde nutzen.

Die Behandlung von bösartigen Tumoren im Hals-, Nasen-, Ohrenbereich hat häufig Folgen, die das Alltagsleben der Betroffenen schmerzlich beeinflussen. Patienten z. B., denen der Kehlkopf entfernt werden musste, sehen sich nicht nur mit der bedrohlichen Diagnose „Krebs“ konfrontiert, sondern gleichzeitig mit dem Verlust ihrer Stimme. Ihre Atmung kann nicht mehr durch die Nase und / oder den Mund erfolgen, sondern durch eine Halsöffnung (Tracheostoma), die der Arzt künstlich anlegen muss.

„Was dann folgt ist ein Teufelskreis“, erklärt Prof. Schwarz, Leiter der selbständigen Abteilung für Sozialmedizin und Chef der Tumorberatungsstelle der Universität Leipzig. „Viele Patienten leiden darunter, dass sie häufig gar nicht mehr selbst angesprochen werden, sondern nur noch ihre Ehepartner, dass man sie regelrecht übergeht.“ Das habe nichts mit Böswilligkeit zu tun, eher mit Gedankenlosigkeit oder Hilflosigkeit. Folge davon ist eine soziale Ausgrenzung der Betroffenen. Zu den organischen Defiziten kommen soziale und psychische Probleme.

Deshalb ist Kommunikation außerordentlich wichtig für die Wiedereingliederung in den Alltag. Der Betroffene soll in die Lage versetzt werden, wieder allein Kontakt aufzunehmen und zu halten. Voraussetzung dafür ist die Ausbildung einer Ersatzstimme, der sogenannten Oesophagus-Stimme (benannt nach dem medizinischen Fachbegriff für die Speiseröhre), die man mit Hilfe eines Logopäden erlernen kann. Das ist schwierig und kann sehr langwierig sein, doch es gelingt meist mit Ausdauer und Unterstützung durch das soziale Umfeld. Denn die neue Sprache klingt anders als die normale, sie ist tiefer und knarrender, so dass bei einigen Patienten eine gewisse Hemmung besteht, sie zu gebrauchen, wenn Ermutigung fehlt. Gelingt einem Patienten das Erlernen dieser Sprache gar nicht, hält die moderne Medizin auch andere Methoden vor, die aber auch nicht ohne Schwierigkeiten zu meistern sind.

Zur Zeit läuft eine gemeinsame Studie der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen Ohrenheilkunde/Plastische Operationen und der Selbständigen Abteilung für Sozialmedizin, die einen Vergleich der Lebensqualität von Patienten nach einer Kehlkopfentfernung mit der der Allgemeinbevölkerung möglich machen soll. Dazu wurden alle Betroffenen, die an der Uniklinik Leipzig und am Krankenhaus Dresden Friedrichstadt zwischen 1990 und 2001 operiert worden sind, angeschrieben und um ein persönliches Gespräch gebeten. Die Befragung fand im häuslichen Umfeld der Patienten statt. Parallel dazu wurde eine bundesweite repräsentative Befragung ganz verschiedener Bevölkerungsgruppen und Personen durchgeführt. Hinsichtlich der erreichten Sprechqualität ist eine weitere Untersuchung notwendig, die gegenwärtig in Zusammenarbeit mit mehreren HNO- und Rehakliniken sachsenweit durchgeführt wird. Wir werden zu gegebener Zeit darüber berichten.

Eine große Hilfe für die Patienten ist immer wieder die Psychosoziale Beratungsstelle für Tumorpatienten und ihre Angehörigen, die in vielerlei Hinsicht Unterstützung gewährt. Sie berät bei seelischen und sozialen Belastungen durch die Erkrankung und bei sozial- und versicherungsrechtlichen Fragen (Rehabilitation, Hilfsmittelversorgung, Fragen zur Berentung). Gern angenommen werden auch die psychotherapeutischen Gespräche an und die Vermittlung von notwendigen Kontakten zu Selbsthilfegruppen und anderen Organisationen. Die Mitarbeiter besuchen die Patienten auch im Krankenhaus oder zu Hause. Die entsprechende Telefonnummer lautet: 0341-9715407.

weitere Informationen:
Prof. Dr. Friedrich Bootz
Telefon: 0341 97 21 700
E-Mail: boof@medizin.uni-leipzig.de

Prof. Dr. Reinhold Schwarz
Telefon: 0341 97 15 407 
E-Mail:liebb@medizin.uni-leipzig.de

Media Contact

Dr. Bärbel Adams idw

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Veranstaltungsnachrichten

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neue universelle lichtbasierte Technik zur Kontrolle der Talpolarisation

Ein internationales Forscherteam berichtet in Nature über eine neue Methode, mit der zum ersten Mal die Talpolarisation in zentrosymmetrischen Bulk-Materialien auf eine nicht materialspezifische Weise erreicht wird. Diese „universelle Technik“…

Tumorzellen hebeln das Immunsystem früh aus

Neu entdeckter Mechanismus könnte Krebs-Immuntherapien deutlich verbessern. Tumore verhindern aktiv, dass sich Immunantworten durch sogenannte zytotoxische T-Zellen bilden, die den Krebs bekämpfen könnten. Wie das genau geschieht, beschreiben jetzt erstmals…

Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit

Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist?…

Partner & Förderer