Fachkonferenz: Präventionsmaßnahmen gegen häusliche Gewalt

Kongress in Berlin stellt in der Praxis erprobte Bausteine für Präventionsarbeit vor / Modellprojekt soll bundesweit Schule machen

„Wenn Kinder zu Hause Gewalt erfahren, prägt diese Erfahrung meist ein ganzes Leben. Die eigenen Leiden im Kindesalter werden nicht selten weitergegeben an Gleichaltrige oder später den Partner. Deswegen ist es so wichtig, dass wir den Kreislauf der Gewalt so früh wie möglich unterbrechen“, sagt der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Hermann Kues.

„Die 'Kultur des Hinschauens und Handelns' muss sich in allen gesellschaftlichen Bereichen etablieren – auch und besonders in den Schulen. Sie sind eine wichtige Schnittstelle, an der Hilfssignale betroffener Kinder und überforderter Eltern ankommen und wo gezielte Unterstützung für überforderte Familien auf den Weg gebracht werden kann. Modellprojekte wie das vom Bundesfamilienministerium geförderte Projekt BIG zeigen erstmals in Deutschland, wie wirksamer Kinderschutz in der Schule aussehen kann. Ich würde mich sehr freuen, wenn dieses Beispiel in vielen anderen Bundesländern Schule machen würde“, so der Parlamentarische Staatssekretär weiter.

Kues eröffnet heute in Berlin die Fachkonferenz „Präventionsmaßnahmen gegen häusliche Gewalt: Was kann Schule machen? – voneinander lernen – miteinander kooperieren – gemeinsam Lösungen finden“. Mehr als 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Schule, Wissenschaft und Politik aber auch Kinder- und Jugendhilfe, Verbänden und Organisationen aus dem Anti-Gewalt-Bereich diskutieren über heute vorgestellte Ergebnisse von Modellprojekten zur Unterstützung von Gewaltopfern unter Kindern.

Die Konferenz will insbesondere die zuständigen Akteure auf Landesebene für weitere praktische Schritte zur Prävention im Verantwortungsbereich der Schule gewinnen.

Annegret Kramp-Karrenbauer, saarländische Ministerin für Bildung, Familie, Frauen und Kultur und amtierende Präsidentin der Kultusministerkonferenz erklärt zum Konferenzauftakt: „Wir sollten darauf hinwirken, in den Ländern bestehende Strukturen und Möglichkeiten bekannt zu machen, bestehende Kooperationen weiter zu entwickeln und die Möglichkeiten, das Thema im Unterricht aufzugreifen, zu nutzen. Ich bin überzeugt, das ist eine wichtige Aufgabe, der sich verschiedene gesellschaftliche Gruppen annehmen müssen. Die Schule ist ein wichtiger Teil davon.“

Daten & Fakten

Häusliche Gewalt ist keine Seltenheit. Frauen und Kinder sind davon in besonderem Maß betroffen: Etwa jede vierte Frau, die in Deutschland lebt, ist selbst schon einmal Opfer von Gewalt geworden. Das belegt eine Studie im Auftrag des Bundesfamilienministeriums aus dem Jahr 2004. Und: Gewalt gegen Mütter trifft immer auch deren Kinder:

* 57 % der Befragten gaben an, die Kinder hätten die Gewaltsituationen gehört; 50 % sagten, die Kinder hätten sie gesehen.

* Etwa 21 % bis 25 % gaben an, die Kinder seien in die Auseinandersetzungen mit hineingeraten oder hätten die Befragten zu verteidigen versucht. Jedes zehnte Kind wurde dabei selbst körperlich angegriffen.

* Mädchen, die in ihrer Kindheit und Jugend körperliche Auseinandersetzungen zwischen den Eltern miterlebten, haben im Erwachsenenalter mehr als doppelt so häufig selbst Gewalt durch (Ex-)Partner erlitten als Frauen, die im Kindesalter keine Zeuginnen elterlicher Gewalt geworden sind.

Die Folgen für die Kinder sind gravierend: Aggressivität, Ängstlichkeit und nicht selten Schwierigkeiten in der Schule. Eine Untersuchung für das „Handbuch Kindeswohlgefährdung nach § 1666 BGB und Allgemeiner Sozialer Dienst (ASD)“ des Deutschen Jugendinstituts ergab:

* Von Gewalt betroffene Kinder leiden unter häufigeren bzw. intensiveren Verhaltensproblemen, die sich auch in der Schule und anderen Einrichtungen (Sportvereinen, Horte etc.) bemerkbar machen.

* Lern- und Konzentrationsfähigkeit der Kinder werden beeinträchtigt. Die kognitive und schulische Entwicklung stagniert bzw. lässt deutlich nach, tatsächliche Begabungen werden oft unterdrückt.

* Die betroffenen Kinder erleben auch die beobachtete Gewalt durchgehend als sehr belastend und erleiden einen massiven Verlust ihrer emotionalen Sicherheit.

* Ähnlich starke negative Effekte sind bei Kindern zu finden, die mit einem oder zwei alkoholabhängigen Elternteilen aufwachsen.

Hier setzt das vom Bundesfamilienministerium wissenschaftlich begleitete Berliner Schulmodellprojekt „BIG Präventionsprojekt, Kooperation zwischen Schule und Jugendhilfe bei häuslicher Gewalt“ an. Zum ersten Mal haben sich Schülerinnen und Schüler, Eltern aber auch Lehrerinnen und Lehrer intensiv mit dem Thema befasst.

In insgesamt 13 Klassen an fünf Grundschulen gab es Diskussionsveranstaltungen und Workshops rund um Fragen wie: Woran erkenne ich, dass ein Mitschüler unter häuslicher Gewalt leidet? Wohin kann ich mich als Betroffene oder Betroffener wenden? Wie kann Schule Kindern helfen, die Opfer häuslicher Gewalt geworden sind? Expertinnen und Experten präsentieren auf der heutigen Fachkonferenz Best-Practice-Beispiele, um so die nächsten konkreten Schritte für die Präventionsarbeit in den Schulen anzustoßen.

Das Modellprojekt BIG gehört zu einer Kette von Initiativen, mit der das Bundesfamilienministerium eine „Kultur des Hinschauens und Handelns“ im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt etablieren will. Neben dem „Aktionsplan II der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen“ haben das Programm „Frühe Hilfen für Eltern und Kinder und soziale Frühwarnsysteme“ sowie der Nationale Aktionsplan „Für ein kindergerechtes Deutschland 2005 – 2010“ (NAP) grundlegende Strukturen für einen besseren Schutz des Kindeswohls geschaffen.

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Weitere Informationen:

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