3. Weltkongress zur Geschichte der Bautechnik in Cottbus

In wenigen Wochen wird die BTU Cottbus für fünf Tage zum Schauplatz eines international stark beachteten Kongresses. Nach Madrid (2003) und Cambridge (2006) empfängt nun Cottbus etwa 300 Gäste aus aller Welt zum „Third International Congress on Construction History“.

Prof. Dr.-Ing. Werner Lorenz, Lehrstuhlleiter für Bautechnikgeschichte und Tragwerkserhaltung, der mit seinem Team diesen 3. Weltkongress seit mehr als zwei Jahren vorbereitet, ist begeistert von dem neuen Forschungsfeld, das sich zunehmend als internationale Bewegung etabliert: „Das Faszinierende an der noch jungen Disziplin 'Construction History' ist, dass sich hier Wissenschaftler und Praktiker unterschiedlicher Provenienz über traditionelle kulturelle und disziplinäre Grenzen hinweg zusammen finden, um eben das aus historischer Perspektive zu erforschen, was Architektur und Baukunst im Kern zusammen hält – die Konstruktion.“

Für den Cottbuser Kongress hatten sich knapp 400 Interessenten mit einem Vortragskonzept beworben. Im Ergebnis eines aufwendigen Begutachtungsverfahrens durch das International Scientific Committee wurden dann etwa 200 davon zum Vortrag zugelassen. Die Anmeldungen reichen von Australien und Asien bis nach Nord- und Südamerika; traditionell stark vertreten aber sind vor allem einige europäische Nachbarn, allein etwa 40 Meldungen kommen aus Italien. Bereits zum Beginn der Tagung werden alle Papers in drei Tagungsbänden auf 1600 Seiten gedruckt vorliegen.

Das Themenspektrum des Cottbuser Kongresses reicht von der Antike bis ins späte 20. Jahrhundert, von historischen bis zu ingenieurwissenschaftlichen, von ökonomischen und kulturellen bis zu biographischen Aspekten. Gerade der transdisziplinäre Charakter ist eines der wesentlichen Kennzeichen von Bautechnikgeschichte, fließen hier doch Inhalte und Methoden aus sehr unterschiedlichen Fächern zusammen – aus der Technik- und Wissenschaftsgeschichte, der Baugeschichte und Archäologie ebenso wie etwa aus dem Bauingenieurwesen und der Architektur. „Zwar behandeln wir oft ähnliche Gegenstände wie z.B. die traditionelle Baugeschichte – aber wir stellen andere, neue Fragen an sie. So fragen wir quer durch die Jahrtausende detailliert nach den Prozessen und Produkten des Konstruierens im Bauwesen, nach faszinierenden Konstruktionen ebenso wie nach den Denkmustern, Methoden und Strategien der Konstrukteure, nach den Einflüssen der entstehenden Ingenieurwissenschaften ebenso wie nach den Wechselwirkungen von Theorie und Praxis, von Wissenschaft und Kunst – kurz, nach all dem, was die Kunst des Konstruierens ausmacht, sei es in der Antike, sei es in der Gotik, sei es im 20, Jahrhundert. o Lorenz, der sich mit Santiago Huerta aus Spanien, Antonio Becchi aus Italien und James Campbell aus Großbritannien zu den „Machern“ der ersten Weltkongresse zählen darf.

Nicht zuletzt geht es ihnen auch darum, unter Bauingenieuren wieder ein geschichtliches Verständnis ihrer Praxis zu verankern, so wie es über Jahrtausende selbstverständlich war. Bautechnikgeschichte gewinnt hier schon allein deshalb zunehmend an Bedeutung, weil sich das Bauen immer mehr vom Neubauen zum „Weiterbauen“ im Bestand verlagert. Gerade bei der Integration von Neuem und Altem hat Bautechnikgeschichte unmittelbaren Nutzwert: Man denke nur an die spezifischen Eigenschaften historischer Baustoffe und Tragwerke, die es im Rahmen von Sanierungen oder Ertüchtigungen angemessen zu verstehen gilt.

Gleichwohl sind derart unmittelbar praktische Bezüge nur eine Facette der Relevanz des Faches, so Lorenz: „Bautechnisches Konstruieren – sei es in der Geschichte, sei es heute – ist ein ziemlich komplizierter Prozess, angesiedelt zwischen Kreativität und Routine, zwischen Handwerk und Wissenschaft, zwischen Innovation und Tradition. Es ist, in anderen Worten, der immer neue Versuch, eine spezifische, vielleicht nützliche Verknüpfung zwischen Natur und Kultur zu entwickeln. Wenn wir Konstruieren aber so verstehen, dann liegt die Bedeutung von Bautechnikgeschichte gerade darin, die Entwicklungsprozesse dieser Verknüpfungen in all ihren Optionen und Abhängigkeiten und Befruchtungen bis hin zu ihren praktischen technischen Anwendungen aus der Geschichte heraus zu erklären. Plötzlich steht dann auch die Genealogie zentraler Aspekte unserer technischen Kultur des beginnenden 21. Jahrhunderts im Scheinwerfer des Interesses – Fortschritt, Identität, Verantwortung oder Lebensqualität. Eine faszinierende Aufgabe !“

Detaillierte Informationen zum Tagungsprogramm sowie zur kompletten Liste der Vorträge bietet die Website www.CH2009.de. Neben den Fachvorträgen wird die Tagung den Teilnehmern auch Cottbus und seine weitere Umgebung näher bringen – sei es im Rahmen der für den Freitag vorgesehenen ganztägigen Exkursionen zu verschiedenen Zielen zwischen Berlin, Potsdam, Dresden und Görlitz, sei es im Rahmen des Festabends im Staatstheater oder beim großen Congress Dinner im Kunstmuseum Dieselkraftwerk. Und nicht zuletzt wurde aus den Beständen des Architekturmuseums der TU Berlin eine eigene kongressbegleitende Ausstellung „The Beauty of Construction“ erarbeitet, die beeindruckende Zeichnungen und Fotografien zu preußischen Großkonstruktionen des 19. Jahrhunderts zeigt.

Weitere Informationen:
Prof. Dr.-Ing. Werner Lorenz
Lehrstuhl Bautechnikgeschichte und Tragwerkerhaltung der BTU Cottbus
Tel. 0355 / 69-3031 werner.lorenz@tu-cottbus.de

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Dr. Marita Müller idw

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