2. Kongress Energieautonome Kommunen zeigt: Die Energiewende braucht Initiative, Einfallsreichtum und Bürgerbeteiligung

Den Kongress hatte die Agentur Enerchange zusammen mit dem Verein für erneuerbare Energien fesa und organisiert. Drei Tage lang haben Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung sich informiert und darüber diskutiert, wie Städte und Gemeinden die Energiewende gestalten können.

Dabei wurde deutlich, welche Rolle den Kommunen in einem Zeitalter zukommt, in dem verstärkt auf die Erzeugung vor Ort gesetzt wird statt auf zentrale Großkraftwerke. Einzelne Instrumente wie die erfolgreiche Umsetzung von Energiekonzepten oder die Rekommunalisierung der Energieversorgung wurden ebenso thematisiert wie die verschiedenen erneuerbaren Energieträger. Als Fazit kann gelten: Die Energiewende ist nicht durch wenige große Einzelmaßnahmen zu schaffen, sondern braucht vielfältige Initiativen, Einfallsreichtum und Bürgerbeteiligung.

Zum Kongressauftakt skizzierte Helmfried Meinel, Ministerialdirektor im baden-württembergischen Umweltministerium, die energiepolitische Agenda der neuen Landesregierung. „Die Energiewende soll ein Markenzeichen werden“, sagte Meinel. Das Klimaschutzgesetz, das bis 2050 die Reduktion von Treibhausgasen um 90 Prozent vorsieht, sei bis Ende des Jahres unter Dach und Fach.

Die Novelle des Landesplanungsgesetztes verteidigte er. „Kommunen müssen nur dann in ihren Flächennutzungsplänen Gebiete ausweisen, wenn die Regionalverbände dies nicht forcieren.“ Für die von Dr. Tobias Bringmann vom Verband kommunaler Unternehmen VKU vorgebrachte Sorge, die Landesregierung könnte als Mehrheitseigentümerin den Energiekonzern EnBW bevorzugen, sah er keinen Grund, da man auf transparente und faire Wettbewerbsbedingungen achten werde. Auf die Frage, wie er die von der Bundesregierung geplante EEG-Novelle sehe, antwortete Meinel: „Im Bundesrat werden wir noch den einen oder anderen Giftzahn ziehen.“

Ein Mittel, die Energiewende aktiv zu gestalten, ist die Rekommunalisierung. Torsten Schwarz von der Beteiligungsgesellschaft KommunalPartner hielt ein Plädoyer dafür, Privatisierungen der Vergangenheit rückgängig zu machen und wieder eigene Stadtwerke zu gründen. Ein Stadtwerk, das von der Energieerzeugung über den Netzbetrieb bis hin zum Vertrieb alle Wertschöpfungsstufen vereine, biete für Kommunen zusätzlichen finanziellen Spielraum. Vor allem erhalte man aber Gestaltungsspielräume zurück – bei der Kundenorientierung, der Infrastrukturentwicklung und bei der kommunalen Umweltpolitik. Entscheidend für den Erfolg seien ein strukturiertes Vorgehen, breite Mehrheiten im Gemeinderat und gute Berater.

Über die Herausforderungen für Stadtwerke sprach Dr. Rolf Michler vom Planungs- und Beratungsunternehmen Enpros. Die starken Schwankungen bei der Energieerzeugung durch die Zunahme der erneuerbaren Energien erforderten den Umbau zu flexibleren Kraftwerken, die die Strom- und Wärmeerzeugung entkoppeln und mehr Regelenergie bereitstellen. „Nur wer was tut, kann am Markt bestehen“, so seine Überzeugung.

Was es bedeutet, Energiekonzepte zielorientiert umzusetzen, erläuterte unter anderem Frank Moosmann von Econzept Energieplanung am Beispiel des Ortes Grenzach-Wyhlen. Seine Analyse hatte ergeben, dass dort der größte Einspargewinn durch Investitionen in den Wärmeschutz und in die Optimierung der Regelungstechnik zu erzielen ist. „Neben der technischen Umsetzung sind aber immer auch Maßnahmen wie Hausmeisterschulungen und Nutzerführungen sinnvoll“, betonte Moosmann.

In fünf Jahren hat die Gemeinde mit rund 1,7 Millionen Euro Eigenmittel in 15 Gebäude investiert. Eingesparte Energiekosten allein im Jahr 2011: etwa 120.000 Euro. Wären die Strompreise in dieser Zeit nicht so stark gestiegen, wäre der Betrag weit höher ausgefallen. Deshalb werde man künftig die kommunalen Stromfresser angehen.

Neben der Bio- war auch die Windenergie ein Schwerpunkt des Kongressprogramms. Herbert Schwartz, Experte für Windgutachten vom Büro Anemos-Jacob warnte davor, sich ausschließlich auf Rechenmodelle zu stützen. „Über den Wind insbesondere in einer komplexen Geografie wie in Süddeutschland wissen wir praktisch nichts.“ Auch wie Wälder sich auf die Windströmung auswirken, sei weitgehend unbekannt. Gesicherte Erkenntnisse würden ausschließlich teure Langzeitmessungen liefern. Für die Ausweisung von Vorranggebieten empfahl er, schrittweise vorzugehen. Erste Hinweise lieferten der Windatlas und der Vergleich mit Wetterdaten und Anlagen in der Nähe. Außerdem sei die Einschätzung eines Gutachters nützlich, bevor mit Kurzzeitmessungen begonnen werde.

Jürgen Guse, Bürgermeister von Bräunlingen und Vorsitzender des Regionalverbands Schwarzwald-Baar-Heuberg, wandte sich gegen den Vorwurf, dass die Verbände bislang eine Verhinderungsplanung betrieben hätten. Das Ziel der neuen Regierung in Baden-Württemberg, bis Ende des Jahrzehnts 1000 neue Windräder zu bauen, unterstütze er. Am neuen Landesplanungsgesetz übte er jedoch Kritik. „Der gewollte Wettbewerb greift nicht.“ In seiner Region zeige sich, dass die Kommunen ihre Flächennutzungspläne in Abstimmung mit dem Verband aufstellen würden. Zudem müssten die Kommunen ihre Nutzungspläne auf der Grundlage des wenig aussagekräftigen Windatlas erstellen, weil sonst die Aufstellung der Rotoren nach der im Baurecht vorgesehen Privilegierung ohne Rücksicht auf das Landschaftsbild erfolge.

Die engagierten Ausbaupläne der Regierung hat auch Dr. Hartmut Brösamle, Vorstand des Projektentwicklers wpd, im Blick. Für den Erfolg müssten alle Beteiligten an einem Strang ziehen. Nicht nur eine professionelle Planung, auch die enge Abstimmung mit Kommunen und Bürgern sei entscheidend. „Um eine hohe Identifikation und Zustimmung vor Ort zu erreichen, ist es wichtig, dass sich Bürger auch finanziell am Projekt beteiligen können.“ Die unterschiedlichen Formen einer finanziellen Beteiligung beleuchtete Beate Fischer vom Institut dezentrale Energietechnologien IdE. Sie reichen von Genussscheinen über Genossenschaften bis hin zur GmbH & Co. KG. Eine Vielfalt, die in den vergangenen Jahren rege genutzt wurde: „Nach wie vor ist rund die Hälfte der regenerativen Erzeugungskapazität in Deutschland in privater Hand“, so Beate Fischer.

Wie Bürger nicht nur an den Anlagen beteiligt werden können, sondern bereits im Laufe der Planung von EE-Projekten, war das Thema von Dr. René Mono von der 100 prozent erneuerbar stiftung aus Berlin. „Von Konsultationen über Verhandlungen bis hin zur kooperativen Planung bieten sich unterschiedliche Formate an – je nachdem, wie hoch der Legitimationsbedarf ist.“ Dabei sei Bürgerbeteiligung kein Garant für die Projektakzeptanz, jedoch ein notwendiges Mittel, das Geld koste und nicht ohne Risiko sei. Ist es erst einmal zu Konflikten gekommen, kann Mediation ein probates Mittel sein. Dabei entscheidend sei aber der Wille aller Beteiligten, zu einer Lösung zu kommen, betonte Sigrid Gand, Rechtsanwältin bei Sterr-Kölln und Partner in ihrem Vortrag. Der 3. Kongress Energieautonome Kommunen findet vom 9. bis 11. April 2013 ebenfalls in Freiburg statt.
>> Pressekontakt und Anfragen Bildmaterial
– Enerchange, Marcus Brian, Goethestraße 4, 79100 Freiburg, Tel.: 0761-38 42 10 01,
Fax: 0761 – 38 42 10 05, marcus.brian@enerchange.de
– fesa e. V., Nico Storz, Gerberau 5, 79098 Freiburg, Tel.: 0761 – 40 73 61, storz@fesa.de
>> Über den Kongress
Der Kongress ist Bestandteil der vom fesa e. V. getragenen „Kampagne Energieautonome Kommunen“, die seit 2011 ein offizielles Projekt der UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung 2005 – 2014 “ ist. Die Kampagne soll die kommunale Energiewende katalysieren und setzt dabei auf Publikationen, eine Wissensdatenbank, verschiedene Veranstaltungen, regionalen Erfahrungsaustausch sowie Weiterbildungsangebote.

Die Schirmherrschaft hatte das Umweltministerium Baden-Württemberg übernommen. Als Kooperationspartner konnten der Verband kommunaler Unternehmen (VKU), das Kompetenznetzwerk Dezentrale Energietechnologien (deENet), ICLEI, das Klima-Bündnis, die Fach-agentur Nachwachsende Rohstoffe, der Wirtschaftsverband 100 Prozent, der Naturpark Süd-schwarzwald, der Regional Cluster GreenCity Freiburg und die Leader-Region Mittlerer Schwarzwald gewonnen werden. Weitere Informationen unter www.energieautonome-kommunen.de.

>> Über die Veranstalter
Enerchange ist eine Agentur für Veranstaltungen und Informationsdienstleistungen im Bereich Erneuerbare Energien. Das Leistungsspektrum der Agentur umfasst die die Konzeption und Organisation von Veranstaltungen, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für Erneuerbare-Energie-Unternehmen und -Projekte sowie das Publizieren von Fachinformationen.

Der fesa e.V. setzt sich seit 1993 mit innovativen Projekten, Veranstaltungen und Öffentlichkeitsar-beit erfolgreich für die Energiewende ein. Mit seinem Projekt „Energieautonome Kommunen“ begleitet er Gemeinden auf dem Weg zur nachhaltigen Energieversorgung.

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Marcus Brian Enerchange

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