Fraunhofer IOSB auf der CeBIT: Frühwarnsystem für Gesundheitsrisiken

Im EU-Projekt EO2HEAVEN wollten Forscher genau diese Fragen beantworten. Die IT-Architektur zur Auswertung und Korrelation der Daten lieferten Dr. Kym Watson und sein Team vom Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB in Karlsruhe. Das Systemkonzept präsentieren die Wissenschaftler auf der CeBIT in der Halle 9 auf dem Stand der Fraunhofer-Gesellschaft.

Im Rahmen des Projekts wurden 3 Fallstudien untersucht: In Dresden der Zusammenhang zwischen Luftqualität – gemessen an Temperatur, Feinstaub und Ozon – und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, im südafrikanischen Durban der Zusammenhang von Luftverschmutzung in einem Industriegebiet mit Asthma sowie in Uganda der Einfluss diverser Umweltfaktoren auf Cholera-Epidemien. Dafür entwickelten die Forscher am IOSB eine Softwarearchitektur für Frühwarnsysteme, die Umwelt- und Gesundheitsdaten abgleicht und grafisch darstellt. „Die Zusammenhänge zwischen diesen Faktoren konnten wir damit erstmals in Gefahrenkarten visualisieren und damit ein besseres Verständnis der komplexen Zusammenhänge schaffen.“ erläutert Projektkoordinator Dr. Kym Watson.

Zum Beispiel Cholera in Uganda

Diese bakterielle Krankheit wird in erster Linie durch Wasser übertragen. Die Projektpartner messen zum einen mit Sensoren Umweltparameter wie Niederschlag, Sonneneinstrahlung oder pH-Wert, Temperatur und Nährstoffkonzentration im Wasser. Auch Wetter- und Klimaprognosen fließen in die Analyse ein. Zum anderen erfassten die Forscher in Krankenhäusern und bei Ärzten mit mobilen Anwendungen Gesundheitsdaten zu Cholerafällen: Welche Symptome treten auf? Wo hat sich der Patient aufgehalten etc.? Diese Daten werden – anonymisiert – auf einen zentralen Server bei der Gesundheitsbehörde in der Hauptstadt übertragen. Mit Hilfe der neuen Software werden die Fälle nun erstmals auf einer digitalen Landkarte als rote Punkte dargestellt und durch die Wechselbeziehung mit den Umweltdaten deren räumliche und zeitliche Ausbreitung aufgezeigt. So können die Entscheider die Ressourcen in den jeweiligen Gebieten besser einsetzen und Krankenhäuser sowie Ärzte vorwarnen.

Die Beamten in Uganda haben durch die Visualisierung zum ersten Mal die volle Bedeutung der Choleraausbrüche erkannt. Vorher waren die Einzelfälle nur schriftlich in Listen erfasst worden. Krankenhäuser und Ärzte können sich nun besser und schneller wappnen. Auch Wissenschaftler haben den Vorteil der Lösung erkannt, denn es spart ihnen den Aufwand, die Daten selbst einzupflegen und in ihre Modelle zu integrieren, um Zusammenhänge zu analysieren.

Nutzen des Systems auch für Privatpersonen

Langfristig wäre vorstellbar, dass zum Beispiel Asthmatiker über eine App ihr persönliches Profil anlegen. Kym Watson erklärt das Prinzip so: „Dort können sie definieren, ab welchen Schwellenwerten sie etwa allergisch auf Pollenflug oder Luftqualitätswerte reagieren. Werden diese hinterlegten Daten dann mit gemessenen Umweltdaten abgeglichen, kann jeder seine ganz persönliche Gefahrenkarte einsehen oder wird gar von der App gewarnt, wenn die Schwellenwerte überschritten sind. “

Aber ganz so einfach ist das nicht.

Zum einen ist es vor allem in Deutschland schwierig, die nötigen Gesundheitsdaten bei den Krankenkassen zu erfassen, da sie natürlich streng vertraulich sind. Es ist also eine wichtige An- und Herausforderung, die Daten anonymisiert aufzubereiten, um den Datenschutz zu wahren. Zum anderen ist es nicht immer einfach, die richtigen Maßnahmen, die die Umwelt-Mensch-Wechselwirkungen erfordern, tatsächlich umzusetzen. Unsere IT- Lösung bietet „nur“ ein Werkzeug für weitere Entscheidungen. Ob Choleraausbrüche in Uganda tatsächlich eingedämmt werden können, ist natürlich vor allem abhängig von den ergriffenen Maßnahmen, der Qualität des Trinkwassers, dem hygienischen Umgang und auch den medizinischen Ressourcen.

Das Cholera-Frühwarnsystem realisieren die Forscher in Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation WHO und der National Oceanic and Atmospheric Administration NOAA. Kym Watson dazu: „Derzeit sind wir noch auf der Suche nach Sponsoren bzw. Finanzquellen. Wahrscheinlich wird es noch zwei bis fünf Jahre dauern, bis die Lösung systematisch von Entscheidern und Wissenschaftlern genutzt wird.“

Das System präsentieren die Wissenschaftler auf der CeBIT in der Halle 9 auf dem Stand der Fraunhofer-Gesellschaft.

EO2HEAVEN-Daten
Koordinator: Fraunhofer IOSB
Laufzeit: 02/2010-05/2013
Projektpartner: 10 aus der EU und 3 aus Afrika
Budget: ca. 8.7M€, EU-Funding: ca. 6.3M€

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Sibylle Wirth Fraunhofer-Institut

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