Augmented Prototyping für schnelle Produktentwicklung

Fraunhofer IGD zeigt auf EuroMold 2001 die Verbindung von virtuellen und physikalischen Modellen

Kurze Innovationszyklen, hohe Qualität, individuelle Produktanpassung und schnelle Auslieferung sind für Unternehmen entscheidende Faktoren, um im internationalen Wettbewerb erfolgreich bestehen zu können. Der effiziente Einsatz der Virtual Reality (VR) Technologie, der Virtuellen Realität, ist inzwischen für einige Branchen zum entscheidenden Faktor geworden, um ihre Entwicklungszeiten zu verkürzen und kostspielige Planungsfehler zu vermeiden. VR ist bereits heute fest in den Prozess der Produktentwicklung integriert und ermöglicht es dem Anwender intuitiv zahlreiche Alternativszenarien zu simulieren. Allerdings können virtuelle Prototypen die realitätsgetreuen, funktionstüchtigen physikalischen Modelle nur ergänzen, nicht in allen Phasen ersetzen. Beispielsweise lässt sich die Oberflächenstruktur von Materialien bisher nur am realen Modell ertasten, denn das haptische Interface, das Kraftrückkopplung mit solch einer feinen Granularität ermöglicht, ist in VR noch nicht realisiert. Eine Alternative bietet daher die Technologie der Augmented Reality (AR), der Erweiterten Realität: dabei überlagern virtuelle Modelle das physikalische Modell und verschmelzen für den Betrachter. Dieses sogenannte Augmented Prototyping verbindet in idealer Weise die Vorteile von Virtual und Rapid Prototyping. So kann sich der Anwender z. B. im Design Review unterschiedliche Farben, Materialien und deren visuelle Effekte über seine halbtransparente Brille einblenden lassen, gleichzeitig aber den physischen Prototypen erleben. Oder während einer Besprechung können die Teilnehmer ihre Änderungswünsche über das reale Modell frei als dreidimensionale Computergrafik skizzieren und damit auch protokollieren. Ferner kann ein Konstrukteur mit der AR-Technologie testen, ob sich das neue, am Computer entworfene Bauteil in ein bereits vorhandenes Produkt einbauen lässt.

Wie das Augmented Prototyping Prozesse in der Produktentwicklung beschleunigen und verbessern kann, zeigen Forscher des Fraunhofer-Instituts für Graphische Datenverarbeitung IGD. Sie präsentieren Augmented Prototyping vom 28. November bis 1. Dezember in Frankfurt/Main auf der EuroMold 2001, der Weltmesse für Werkzeug- und Formenbau, Design und Produktentwicklung. Das Fraunhofer IGD stellt in Halle 8.0, Stand N112-L129, dem Gemeinschaftsstand der Fraunhofer-Allianz Rapid Prototyping, aus.

Die Besucher der Euromold können einen Blick in die Zukunft des Design Reviews werfen: Auf einem Tisch steht das Modell eines roten Ferrari Spider. Der Entwickler schaut durch das halbtransparente Datenfernglas und berührt mit der Spitze seines stiftähnlichen Eingabegerätes den Knopf einer virtuellen Tastatur. Sogleich kann er das physikalische Sportwagenmodell mit virtuellen Skizzen ergänzen. Dann reicht er das Datenfernglas an seine Kollegin zur Beurteilung weiter. Später kommen der Entwicklungsleiter und ein Vorstandsmitglied und besprechen mit dem Team das Design des Autohecks. Um ihre Änderungswünsche zu dokumentieren, blicken sie jeweils durch die Datenbrille und skizzieren mit dem Eingabegerät eine neue Linienführung im dreidimensionalen Raum über den physikalischen Prototypen. Damit sich Realität und vom Computer erzeugte Bilder bzw. Grafiken möglichst perfekt überlagern, verfolgen zwei Kameras ständig die Lage des Automodells wie auch die Position und Blickrichtung des Anwenders.

„Im Augmented Prototyping reichen den Entwicklern und Konstrukteuren wenige Exemplare der teuren und aufwändig hergestellten physikalischen Modelle aus, um ein großes Spektrum an Materialen, Farben und anderen Parametern begutachten zu können“, beschreibt Dr. André Stork, Projektleiter am Fraunhofer IGD, die Vorteile dieser neuen Technologie. Ferner könne der Anwender sehr intuitiv mit dem hybriden Modell interagieren und seine Änderungen in 3D skizzieren. Das Programm läuft auf leistungsfähigen PCs und wird zur Zeit für unterschiedliche Anwendungen weiterentwickelt. Es verbindet die am IGD erarbeiteten Lösungen zur Gestaltung von Freiformflächen am Virtual Table mit der AR-Technologie. „Neben der Produktentwicklung kann AR auch in anderen Bereichen wie Montage, Wartung und Service eingesetzt werden und so die Wertschöpfungskette komplettieren,“ betont André Stork. Allerdings dürfte es noch eine Weile dauern, bis ein Kunde beim Autohändler sich in den Vorführwagen setzt und mittels Datenbrille das gewünschte Material fürs Armaturenbrett oder die Farbe seines Neuwagens auswählen kann.

Media Contact

Bernad Lukacin idw

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