Elektronischer Berater sorgt für optimale Verordnungen

Medizinische Universitätsklinik Heidelberg präsentiert ihren universal einsetzbaren Arzneimittelinformationsdienst AiDKlinik auf der MEDICA

Die Medizinische Universitätsklinik Heidelberg stellt auf der MEDICA 2004, der weltweit größten Medizintechnikmesse, die vom 24. bis 27. November 2004 in Düsseldorf stattfindet, erstmals ihr hocheffizientes Arzneimittelinformationssystem AiDKlinik vor. Ab dem Frühjahr 2004 steht es für alle externen Nutzer mit Bedarf an aktueller Arzneimittelinformation – z.B. Kliniken, Praxen, Krankenkassen – gegen Lizenzgebühr zur Verfügung.

Dabei handelt es sich um einen elektronischen Berater auf Internet-Basis, der den Arzt sicher durch den unübersichtlichen deutschen Arzneimittelmarkt lotst und falsche Dosierungen, Nebenwirkungen, gefährliche Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln sowie Doppelverschreibungen vermeiden hilft. Die Verordnung des Arztes kann aus AiDKlinik direkt in ein Rezept und einen Arztbrief übertragen werden.

AiDKlinik wurde von der Abteilung Innere Medizin VI, Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg, gemeinsam mit der Klinikums-Apotheke sowie der Medizinischen Medien Informations GmbH (MMI, Neu-Isenburg) entwickelt. Seine Entwicklung wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziell unterstützt.

Informationen zu ca. 64.000 Arzneimitteln / Zweijährige Testphase im Universitätsklinikum Heidelberg erfolgreich abgeschlossen

„AiDKlinik berücksichtigt ca. 64.000 Arzneimittel“, erklärt Professor Dr. Walter E. Haefeli, Ärztlicher Direktor der Abteilung Innere Medizin VI, Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg. Sämtliche neuen sowie wieder zurückgezogene Medikamenten seien enthalten. In den vergangenen beiden Jahren wurde das System flächendeckend am Heidelberger Universitätsklinikum eingeführt und erfolgreich auf den Stationen der 42 Kliniken und klinischen Abteilungen sowie in den Ambulanzen getestet. Gegenwärtig wird es über mehr als 5.500 PCs rund um die Uhr mit rund 1.000 Suchanfragen pro Tag konsultiert.

Was kann der elektronische Verordnungsberater? Derzeit nur im Intranet des Heidelberger Universitätsklinikums verfügbar, „zaubert“ AiDKlinik in durchschnittlich einer Sekunde Informationen zu jedem Präparat auf einen der über 5.500 vernetzten Terminals des Klinikums. Dabei reagiert AiDKlinik nicht nur auf Standardeingaben: Wer sich bei der Eingabe von so komplizierten Namen wie „Acetylsalicylsäure“ verschreibt, bekommt, dank eingebauter phonetischer Erkennung, dennoch die gewünschten Informationen: Welche Präparate mit diesem Wirkstoff gibt es? Welche Nebenwirkungen sind zu erwarten? Was ist bei der Dosierung zu beachten? Und nicht zuletzt: Welches sind die kostengünstigsten Präparate?

AiDKlinik wird ständig aktualisiert / „Rote-Hand-Briefe“ und Leitlinien sind integriert

„Gegenüber dem Standard-Arzneimittelbuch, der „Roten Liste“ oder „Gelben Liste“, das fast jeder Arzt im Regal stehen hat, bietet AiDKlinik gewichtige Vorteile,“ erklärt Professor Haefeli. Wirkungen und Nebenwirkungen können in Sekundenschnelle abgefragt werden. Neben der Zusammensetzung eines Präparates und einem Auszug aus der Fachinformation werden dem Benutzer auch Angaben über den Hersteller, die verfügbaren Packungsgrößen oder den öffentlichen Apothekenpreis angezeigt. Im Gegensatz zu Nachschlagewerken in Buchform reagiert AiDKlinik auf Fluktuationen im Markt zeitnah, da es regelmäßig aktualisiert wird.

„Mit der neuen Version AiDKlinik können außerdem die vollständigen Fachinformationen der Firmen zu Arzneimitteln abgerufen werden, die dem Arzt noch umfassendere Information liefern“, so Professor Haefeli. Verschicken Pharmafirmen sogenannte „Rote-Hand-Briefe“, die vor neu erkannten Risiken der Anwendung zugelassener Arzneimittel warnen, werden diese sofort bei den jeweiligen Arzneimitteln in AiDKlinik eingepflegt. Dies gilt auch für aktuelle Empfehlungen der Arzneimittelkommission des Klinikums sowie Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften zur Arzneimittelverordnung. So hilft dem Arzt ein abrufbares „Werkzeug“, Risikopatienten zu identifizieren, die eine gefährliche Endokarditis entwickeln könnten, und schlägt die notwendige vorbeugende Verschreibung der Antibiotika zum Schutz vor.

Als Datengrundlage für AiDKlinik dient die Datenbank Pharmindex, die vom Medizinverlag Medizinische Medien Informations GmbH (MMI, Neu-Isenburg) herausgegeben und 14-tägig aktualisiert wird. Im Gegensatz zu anderen elektronischen Systemen erlaubt AiDKlinik die direkte Kopplung an Wissensdatenbanken und ermöglicht so auch die flexible Anbindung hauseigener Informationen. So werden bei Anfragen zunächst die Präparate der Hausliste aufgeführt, die von der Arzneimittelkommission des Klinikums – nach Wirksamkeit, Sicherheit und Preis – zusammengestellt worden ist und bevorzugt verwendet werden soll. Darüber hinaus können spezifische Wissensmodule in AiDKlinik integriert werden, die dem Arzt konkrete Hilfestellungen beim Verordnen geben.

Gene entscheiden über Wirkung und Nebenwirkung / Datenbank zur Pharmakogenetik in AiDKlinik abrufbar

Dazu gehört unter anderem die pharmakogenetische Datenbank DrugProfiler des Münchner Biotech-Unternehmens IMGM, die in die AiDKlinik-Datenbank integriert wurde. Damit entsteht ein Arzneimittelinformationssystem, das nun auch eine erste Voraussetzung für die Berücksichtigung genetischer Informationen bietet, mit deren Hilfe die Arzneimitteltherapie individualisiert werden kann. „Es gibt zum Beispiel Patienten, die bei der Behandlung von Tumoren oder entzündlichen Erkrankungen mit Azathioprin oder Mercaptopurin aufgrund von Gendefekten nur mit geringen Dosen behandelt werden dürfen,“ erklärt Professor Haefeli. AiDKlinik warnt den Arzt automatisch, bei welchen Gendefekten diese Substanzen zu schwerwiegenden Nebenwirkungen führen, wenn sie nicht entsprechend dosiert werden.

Eine weitere neue Komponente ist das „Autorensystem“: Hier können die Anwender wichtige Kommentare zu Arzneimitteln und ihrer Anwendung eingeben. Diese werden von Gutachtern geprüft und ggf. in das elektronische Informationssystem aufgenommen. Dadurch geht wichtiges Erfahrungswissen aus dem klinischen Umgang mit Arzneimitteln nicht verloren und häufig wiederkehrende Fragen müssen nicht mehr an die lokalen Informationsdienste (z.B. Klinikapotheke) gerichtet werden, sondern werden gleich beim Präparat beantwortet, so dass es dadurch auch zu einer Entlastung kommt.

Internetadresse www.dosing.de errechnet Dosierungen bei Niereninsuffizienz

Bereits seit längerer Zeit in Aktion ist das „Niereninsuffizienz-Modul“: Wird ein Wirkstoff hauptsächlich über die Niere ausgeschieden und hängt damit seine Dosierung direkt von der Ausscheidungsfunktion der Nieren ab, so ist das entsprechende Präparat mit „NI“ gekennzeichnet. „Etwa 14 Prozent aller Patienten in einer Medizinischen Klinik haben eine Niereninsuffizienz“, sagt Professor Haefeli. Sie benötigen also eine niedrigere Dosis, da solche Arzneistoffe bei diesen Patienten nur noch langsam ausgeschieden werden. Dies muss berücksichtigt werden, da dadurch das Auftreten unerwünschter Arzneimittelwirkungen und unnötiger Kosten verhindert werden kann und bei konsequenter Berücksichtigung die Hospitalisationsdauer verkürzt wird.

Wie kann nun die optimale Dosis gefunden werden? Die Klinischen Pharmakologen haben eine Datenbank mit Informationen zu den wichtigsten 600 Wirkstoffen aufgebaut, die in mehreren Tausend Präparaten auf dem Markt sind. Diese Datenbank steht nicht nur den Ärzten des Heidelberger Klinikums, sondern allen Interessenten im Internet unter www.dosing.de zur Verfügung und ist auch bereits Teil von Therapieleitlinien deutscher Fachgesellschaften geworden. Benötigt werden der „Kreatinin-Wert“, ein routinemäßig bestimmter Laborwert, der die Ausscheidungsfunktion der Niere kennzeichnet, sowie Angaben zu Alter, Geschlecht und Gewicht des Patienten. Gibt man diese Werte ein, errechnet das Niereninsuffizienz-Modul für das ausgewählte Präparat in Sekundenschnelle die individuell erforderliche Dosisreduktion, wodurch Überdosierungen vermieden werden können.

Informationen zu gefährlichen Wechselwirkungen

Ein weiteres Risiko der Arzneimitteltherapie sind die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Substanzen. „Der durchschnittliche Patient verlässt heute mit fünf Medikamenten unsere Klinik. Daraus ergeben sich bereits 26 verschiedene Kombinationen, die sich gegenseitig beeinflussen können“, sagt Prof. Haefeli. Welche Arzneimittel dies tun, ist aufgrund der Fülle von Möglichkeiten für den Arzt schwer überblickbar. Bis Ende des Jahres 2004 ist deshalb die Ankopplung des zweiten Moduls, das eine Datenbank mit umfangreicher Information über Wechselwirkungen von Arzneimitteln enthält, geplant. AiDKlinik kann mit seiner Hilfe vor gefährlichen Wirkstoffkombinationen warnen. Denn zu selten wird derzeit berücksichtigt, dass sich Medikamente in ihrer Wirkung entscheidend beeinflussen können und es zu gefürchteten Nebenwirkungen kommen kann.

Der Arzneimittelinformationsdienst AiDKlinik wird auf der MEDICA am Stand des Bundesforschungsministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) (Halle 3 E92) vorgestellt.

Weitere Information im Internet unter:
http://www.aidklinik.de

Ansprechpartner:
Prof. Dr. med. Walter E. Haefeli
Medizinische Universitätsklinik und Poliklinik
Abteilung Innere Medizin VI
Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie
Im Neuenheimer Feld 410, 69120 Heidelberg
Tel.: 06221/56-8740,
E-Mail: walter_emil_haefeli@med.uni-heidelberg.de

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Dr. Annette Tuffs idw

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