Wissenschaftspreis für exzellente klinische Studien

Welches Operationsverfahren hat die meisten Vorteile für den Patienten? Sollte die Bauchdecke besser längs oder quer eröffnet werden? Wie wird der Schnitt am besten wieder verschlossen? Nur gute klinische Studien, die höchsten internationalen Qualitätsanforderungen genügen, können diese Fragen eindeutig beantworten.

Für seine Arbeiten auf diesem Gebiet erhielt Professor Dr. Christoph Seiler, Oberarzt an der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie des Universitätsklinikums Heidelberg (Ärztlicher Direktor: Professor Markus W. Büchler) den höchsten von der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie verliehenen Wissenschaftspreis. Der von-Langenbeck-Preis wurde ihm zusammen mit seinen Co-Autoren auf der Jahrestagung vom 20. bis 23. April 2010 in Berlin verliehen und ist mit 7.500 Euro dotiert. Ein zweiter Preisträger wurde für seine Arbeiten in der Grundlagenforschung geehrt.

Engagement für klinische Studien aus Überzeugung

Bereits seit seiner Gründung 2004 leitet Seiler das Studienzentrum der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie. Seit neun Jahren ist er am Universitätsklinikum Heidelberg tätig, hat berufsbegleitend einen Master of Science in der klinischen Epidemiologie erworben und ein erfolgreiches Team für seine wissenschaftlichen Vorhaben aufgebaut. „Meine Überzeugung ist, dass wir nur durch gute wissenschaftliche Studien die Krankenversorgung in der Chirurgie nachhaltig verbessern können“, erklärt Seiler. Die größten Probleme bisheriger Studien sieht er in den komplexen Anforderungen in der Chirurgie an Planung, Durchführung und Auswertung, weil hier nicht nur Medikamente getestet, sondern Operationsverfahren verglichen werden müssen. Da die finanzielle und wissenschaftliche Anerkennung klinischer Studien eher gering ist, die Studien oft lange dauern und hohe bürokratische Hürden zu überwinden sind, ist außerdem die Motivation für klinische Studien oft nicht sehr hoch.

Längs oder quer? Fortlaufende oder Einzelheftnaht?

Wegen mangelnder Qualität und Vergleichbarkeit vieler chirurgischer Studien können oft keine abschließenden, allgemein gültigen Empfehlungen gegeben werden. Seiler und seine Mitarbeiter aber haben auf dem Gebiet der Bauchchirurgie wichtige Erkenntnisse gewinnen können: Es ist z.B. egal, ob man den Bauch längs oder quer aufschneidet. Im Gegensatz zur bisherigen Meinung verursachen beide Schnitte gleiche Schmerzen und sind mit gleichen Langzeitkomplikationen verbunden. Wird die Bauchdecke längs eröffnet, sollte sie grundsätzlich mit einer fortlaufender Naht und einem langsam resorbierbaren Faden wieder verschlossen werden. „Das war bisher nicht klar und kann jetzt allgemein empfohlen werden, um die häufigste Langzeitkomplikation nach Baucheingriffen, den Narbenbruch, effektiv zu reduzieren“, sagt Seiler.

Darf ein Operateur eine technisch einfachere Alternative wählen?

Um anhaltende Schmerzen bei chronischer Entzündung der Bauchspeicheldrüse zu beseitigen, kann langfristig nur eine Operation helfen. Welches unter den verfügbaren Operationsverfahren langfristig die beste Lebensqualität für den Patienten erzielt, ist Gegenstand aktueller Studienprojekte. So konnte bereits durch eine Studie von Seiler und Mitarbeitern in Heidelberg gezeigt werden, dass durch die ausschließliche Entfernung des erkrankten Bauchspeicheldrüsengewebes eine gute Lebensqualität erreicht werden kann. Dennoch wird in vielen Kliniken häufig eine eher umfangreiche Operation mit Entfernung des Zwölffingerdarmes durchgeführt. Zur Frage ob Operateure durch die einfachere Variante bei der auch die Magen-Darm Passage erhalten bleibt, einen Vorteil für die Patienten erreichen können, führt Seiler derzeit eine europaweite Studie durch. Dabei steht die Lebensqualität der Patienten im. Der Arbeitskreis der Pankreatektomierten e.V. als Patientenselbsthilfeorganisation unterstützt diese Studie, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert wird. „Es ist wichtig, dass operative und postoperative Versorgung standardisiert werden, und dass man auch eine gewisse Lernkurve der Operateure berücksichtigt“, erläutert Seiler. Außerdem sollten die Ergebnisse für Patient und Studienarzt verblindet erhoben werden, das heißt, dass beide nicht wissen, welches Operationsverfahren angewendet wurde. „Nur dann sind wir in der Lage, aussagekräftige Ergebnisse zu liefern, die für unsere Patienten relevant sind“, so Seiler.

Höchster Wissenschaftspreis der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie

Der von-Langenbeck-Preis ist eine Auszeichnung für besondere wissenschaftliche Leistungen auf dem Gebiet der Chirurgie oder ihrer Grenzgebiete. Dieser höchst dotierte Wissenschaftspreis der chirurgischen Dachgesellschaft ist nach dem Gründungspräsidenten der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie von 1872, Bernhard von Langenbeck, benannt. Der Preis wurde Christoph Seiler zusammen mit seinen Co-Autoren Markus Diener, Hanns-Peter Knaebel, Norbert Victor und Markus Büchler verliehen.

Literatur:
Elective Midline Laparotomy Closure – The INLINE Systematic Review and Meta-Analysis. MK Diener, S Voss, K Jensen, MW Büchler, CM Seiler. Annals of Surgery 2010, 251: 843–856

Interrupted or Continuous Slowly Absorbable Sutures For Closure of Primary Elective Midline Abdominal Incisions – A Multicenter Randomized Trial (INSECT: ISRCTN24023541). CM Seiler, T Bruckner,MK Diener, A Papyan, H Golcher, C Seidlmayer, A Franck, M Kieser, MW Büchler, H-P Knaebel. Annals of Surgery 2009, 249(4): 576-582

Midline Versus Transverse Incision in Major Abdominal Surgery – A Randomized, Double-Blind Equivalence Trial (POVATI: ISRCTN60734227). CM Seiler, A Deckert, MK Diener, H-P Knaebel, MA Weigand, N Victor, MW Büchler. Annals of Surgery 2009, 249(6): 913-920

Duodenum-preserving pancreatic head resection – A randomized controlled trial comparing the original Beger procedure with the Berne modification (ISRCTN No. 50638764). J Köninger, CM Seiler, S Sauerland, MN Wente, MA Reidel, MW Müller, H Friess, MW Büchler. Surgery 2008, 143(4): 490-498

ChroPac-Trial: Duodenum-preserving pancreatic head resection versus pancreatoduodenectomy for chronic pancreatitis. Trial protocol of a randomised controlled multicentre trial. Diener MK, Bruckner T, Contin P, Halloran C, Glanemann M, Schlitt HJ, Mossner J, Kieser M, Werner J, Buchler MW, Seiler CM. Trials. 2010 Apr

29;11(1):47.

Weitere Informationen über die Klinik für Allgemein-, Viszeral-, und Transplantationschirurgie im Internet:

www.klinikum.uni-heidelberg.de/Allgemein–Viszeral–und-Transplantationschirurgie.106603.0.html

Ansprechpartner:
Prof. Dr.med. Christoph M. Seiler MSc
Klinik für Allgemein-, Viszeral-, und Transplantationschirurgie
Universitätsklinikum Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 110
69120 Heidelberg
Tel: 06221 / 56 69 80
Fax: 06221 / 56 69 82
E-Mail: christoph.seiler@med.uni-heidelberg.de
Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Heidelberg
Krankenversorgung, Forschung und Lehre von internationalem Rang
Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der größten und renommiertesten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg zählt zu den international bedeutsamen biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung neuer Therapien und ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 7.600 Mitarbeiter und sind aktiv in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 40 Kliniken und Fachabteilungen mit ca. 2.000 Betten werden jährlich rund 550.000 Patienten ambulant und stationär behandelt. Derzeit studieren ca. 3.400 angehende Ärzte in Heidelberg; das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland.
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