Martin Mulsow erhält den Akademiepreis 2011

Seit 2008 ist er Direktor des Forschungszentrums Gotha für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien der Universität Erfurt und Inhaber des Lehrstuhls für Wissenskulturen der Frühen Neuzeit. Die Akademie ehrt mit ihm einen herausragenden Wissenschaftler für die Fülle seiner bewundernswerten Einzelstudien zur Aufklärung als Radikalisierungsprozess ebenso wie für ein neues Konzept, von dessen Durchschlagskraft noch viele bemerkenswerte Einsichten zu erwarten sind.

Martin Mulsow hat Philosophie, Germanistik und Geschichte in Tübingen, Berlin und München studiert, wurde 1991 in München promoviert und habilitierte sich hier 2000. Von 2000 bis 2005 war er Privatdozent an der Universität München, leitete von 2001 bis 2005 im Rahmen des Sonderforschungsbereichs „Autorität und Pluralität in der Frühen Neuzeit“ ein Forschungsprojekt zur Geschichte der gelehrten Libertinage und wurde 2005 auf den Lehrstuhl für Geschichte an der Rutgers University New Brunswick (USA) berufen. Er war Member des Institute for Advanced Study in Princeton (2002/2003), Directeur d’Étude der École des Hautes Études en Sciences Sociales, Paris (2005), und Member des Center for Theological Inquiry, Princeton (2007/2008).

Martin Mulsow hat sich mit dem Deutschen Idealismus und der Renaissancephilosophie beschäftigt, ehe er sich der Aufklarung zugewendet hat. In seiner Habilitationsschrift „Moderne aus dem Untergrund. Radikale Frühaufklarung in Deutschland 1680 –1720“ und den darauf aufbauenden Arbeiten hat Martin Mulsow eine neue Sicht auf die deutsche Aufklarung ermöglicht. Mit seinen Arbeiten zur radikalen Frühaufklärung und zur Konstellationsforschung ist es ihm gelungen, die deutsche Forschung zur Frühaufklärung in Methode und Gegenstand an den internationalen Stand anzuschließen. Mit seinem an Dieter Henrichs Idealismusstudien orientierten Konzept zur Konstellationsforschung geht Mulsow weit über die Erforschung dissidenter Einzelgänger und den philosophischen Kontext hinaus. Er beschreibt die Aufklarung als einen Radikalisierungsprozess, der zum Teil auf intendierten Aktivitäten, zum Teil aber auch auf unintendierten Effekten beruht, wobei für beide Aspekte „clandestine Literatur“– verbotene, handschriftlich zirkulierende Texte – eine wesentliche Rolle spielt.

Am Graduiertenkolleg „Untergrundforschung“ des Forschungszentrums Gotha untersucht er die im Untergrund operierende philosophische Libertinage in ihren Überschneidungen mit anderen clandestinen Aktivitäten wie Spionage, Separatismus, Vagantentum oder Kriminalität. Mit seinen Impulsen hat er den Horizont der Philosophiegeschichtsschreibung geweitet, sie mit Anthropologie und Netzwerkforschung angereichert und auf eine moderne Kulturgeschichte hin geöffnet.

Die Tatsache, dass er die Gelehrtengeschichte, die Geschichte der Philosophie und der Philologie ebenso wie die Philosophie der Religion in der Frühen Neuzeit in methodischer Weise neu zugänglich gemacht hat und dass dieser Zugang von der Forschung in so breiter Weise aufgenommen worden ist, spricht für Martin Mulsows Rang als Forscher und Kommunikator. Seine bedeutende Stellung wird durch die internationale Anerkennung seiner Arbeiten unterstrichen, darunter die zweimalige Auszeichnung mit dem Forkosch-Preis für den besten Artikel des Jahres im Journal of the History of Ideas.

Der mit 30.000 Euro dotierte Akademiepreis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften kann jährlich verliehen werden. Bisherige Preisträger sind u. a. Heino Falcke, Martin Haspelmath, Milos Vec, Matthias Staudacher und Michael Kramer.

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Gisela Lerch idw

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