Viren und Immunzellen – mit vereinten Kräften gegen Krebs

Hierzu werden spezielle Viren entwickelt, sogenannte onkolytische („krebsauflösende“) Viren, die Tumorzellen infizieren und zerstören. Solche Viren wurden bereits in ersten Studien, vor allem in den USA, in Krebspatienten untersucht. Dabei waren Nebenwirkungen geringer als befürchtet. Aber es wurde auch deutlich, dass die Wirksamkeit der Virotherapie verbessert werden muss.

Unsere Arbeitsgruppe der Universitäts-Hautklinik und des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg untersucht jetzt, wie durch die virale Tumorzerstörung auch körpereigene Immunzellen zur Bekämpfung des Tumors rekrutiert werden können. Ziel ist die Entwicklung einer neuen Generation onkolytischer Viren, die zusätzlich zur direkten Zerstörung von Krebszellen das körpereigene Immunsystem so manipuliert, dass dieses nachhaltig auch solche Krebszellen zerstört, die von Viren nicht erreicht werden.

Eine auf Tumorzellen begrenzte Infektion mit Viren ist das Prinzip der Virotherapie. Dabei sollen durch den Vermehrungszyklus der Viren Tumorzellen, nicht jedoch gesunde Zellen, zerstört werden. Von infizierten Tumorzellen wird eine neue Generation von Viren freigesetzt, die wiederum benachbarte Tumorzellen infizieren kann – ein neuer Zyklus der Virusvermehrung beginnt. Bei dieser Therapie wird das „Medikament“ also im Tumor des Patienten vervielfältigt. Verschiedene Viren werden zurzeit weltweit für eine mögliche Anwendung in der Krebstherapie untersucht.

Ein entscheidender Vorteil der Virotherapie ist, dass Viren auf verschiedenste Art verändert, geradezu „maßgeschneidert“ werden können, um zu einem besseren Medikament zu werden. So haben wir in Laborarbeiten der letzten Jahre aus einem Adenovirus, das normalerweise Erkältungen hervorruft, ein onkolytisches Virus für eine angestrebte Behandlung des Schwarzen Hautkrebses, des Malignen Melanoms, entwickelt. Grundvoraussetzung für eine Anwendung von Viren zur Krebstherapie ist natürlich die Beschränkung der viralen Zellzerstörung und Vermehrung auf Tumorzellen.

Dies haben wir erreicht, indem wir Adenovirusgene unter die Kontrolle von zellulären Genschaltern setzten, die in Melanomzellen, aber nicht in anderen Zellen aktiv sind. Einen notwendigen verbesserten Eintritt der Viren in Tumorzellen erzielten wir durch Veränderungen der Proteinhülle des Adenovirus. Weiterhin entwickelten wir eine Strategie, mit der diese onkolytischen Viren – zusätzlich zur direkten Tumorzellzerstörung – auch nichtvirale (z.B. menschliche) Proteine herstellen können. Es werden derzeit Proteine mit unterschiedlichen therapeutischen Aktivitäten zur Verbesserung der Virotherapie untersucht. Diese Strategie wird auch bei unseren Arbeiten zur Immunzellrekrutierung zum Einsatz kommen.

Im Idealfall würden sich onkolytische Viren so lange vermehren, bis die letzte Tumorzelle im Patienten aufgespürt und zerstört ist. Aufgrund verschiedener Barrieren der Virusausbreitung ist es aber fraglich, ob dieses Szenario realisiert werden kann. So bestehen Tumoren nicht nur aus Tumorzellen, sondern sind z.B. mit Stützgewebe aus Proteinfasern und Bindegewebszellen durchzogen, das von den Viren nur schwer durchdrungen wird. Darüber hinaus begrenzt die Immunabwehr, wie bei anderen Infektionserkrankungen auch, die Virusausbreitung zeitlich.

Eine besonders Erfolg versprechende Ergänzung zur Virotherapie wäre eine Aktivierung des Immunsystems der behandelten Patienten gegen die Krebszellen. Bei einer solchen Viro-/Immuntherapie sollten hierzu aktivierte Immunzellen jene Krebszellen überall im Körper des Patienten zerstören, die von den onkolytischen Viren nicht erreicht werden. Ob die Infektion und Zerstörung von Krebszellen mit onkolytische Adenoviren selbst schon eine solche, gegen Krebszellen gerichtete Immunantwort auslöst oder ob hierfür eine ergänzende Immunbehandlung erforderlich ist, ist bisher nicht geklärt.

Die Immuntherapie von Krebs, also eine gezielte Anwendung bzw. Aktivierung von Molekülen oder Zellen des Immunsystems gegen Krebs, wird bereits seit Jahrzehnten untersucht. Erste Erfolge wurden erzielt, z.B. werden gegen Tumorzellen gerichtete Antikörper bereits in der Krebstherapie eingesetzt. Im Vordergrund derzeitiger Forschungsarbeiten und erster Untersuchungen an Krebspatienten, auch in der Universitäts-Hautklinik Heidelberg und im Deutschen Krebsforschungszentrum, stehen Studien zur Aktivierung von Immunzellen, die Krebszellen zerstören können. Tumore besitzen aber Mechanismen, um solche Angriffe der Immunzellen zu unterlaufen. Z.B. gelangen gegen den Krebs aktivierte Immunzellen oft nicht in den Tumor, so dass sie ihre therapeutische Wirkung nicht entfalten können.

Mit dem von der Wilhelm Sander-Stiftung geförderten Forschungsprojekt werden wir nun zunächst untersuchen, wie die Infektion von Melanomzellen mit unseren onkolytischen Adenoviren eine Freisetzung von „Lockstoffen“, sogenannten Chemokinen, reguliert und damit die Rekrutierung verschiedener Immunzellen beeinflusst. Im nächsten Schritt werden wir neue onkolytische Adenoviren entwickeln, die bei der Infektion von Melanomzellen in großen Mengen ganz bestimmte Chemokine oder Kombinationen von Chemokinen produzieren. In unterschiedlichen experimentellen Tumormodellen werden wir untersuchen, ob diese gezielt und in großen Mengen solche Immunzellen in den Tumor rekrutieren, die Krebszellen effektiv bekämpfen können.

Mit diesem Projekt sollen Viren mit gezielter „Lockfunktion“ für eine effektive Viro-/Immuntherapie von Krebs bereitgestellt werden, die neben der direkten Tumorzellzerstörung indirekt auch eine Immunaktivierung oder Tumorimpfung bewirken und so eine nachhaltige Zerstörung aller Tumorzellen im Patienten ermöglichen. Diese neue Technologie wird zunächst für den Schwarzen Hautkrebs entwickelt, der im fortgeschrittenen Stadium bisher nur zu einem geringen Prozentsatz heilbar ist.

Kontakt:
Dr. irk M. Nettelbeck,
Heidelberg
Tel. +49 (6221) 424450 Fax +49 (6221) 424902
e-mail: d.nettelbeck@dkfz.de
Die Wilhelm Sander-Stiftung fördert dieses Forschungsprojekt mit über
175.000 €.
Stiftungszweck der Stiftung ist die medizinische Forschung, insbesondere Projekte im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden dabei insgesamt über 160 Mio. Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz bewilligt. Die Stiftung geht aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.

Media Contact

Bernhard Knappe idw

Weitere Informationen:

http://www.wilhelm-sander-stiftung.de

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