"Studieren ohne Abitur": Berlin, Hamburg und Hessen schöpfen Potenzial am besten aus

Die erfolgreichsten Bundesländer sind Berlin mit einer Quote von 2,99 Prozent Studienanfänger/innen ohne Abitur gefolgt von Hamburg mit 2,67 Prozent und Hessen mit 2,38 Prozent. Die niedrigsten Werte gibt es in Bayern mit 0,29 Prozent, im Saarland mit 0,25 Prozent und in Sachsen mit 0,16 Prozent, alles bezogen auf das Jahr 2007.

Die aktuelle CHE-Studie „Studieren ohne Abitur – Entwicklungspotenziale in Bund und Ländern“ gibt erstmals einen Überblick über die Situation in den einzelnen Bundesländern: Was tun die Länder um Studieninteressenten ohne Abitur den Hochschulzugang zu erleichtern, welche Erfolge gibt es, welche Probleme tauchen auf?.

Die Entwicklung in den 16 Bundesländern verläuft bislang sehr heterogen. Während Bundesländer wie Niedersachsen und Hamburg bereits schon seit Jahrzehntenlange weitreichende Möglichkeiten für ein Studium ohne Abitur bieten, haben die meisten Bundesländer erst Mitte der 90er Jahre begonnen, die Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung zu verbreitern. Dazu gehören z.B. Bayern, Saarland und Sachsen, die zu den Bundesländern mit den niedrigsten Werten bei den Studienanfänger/innen ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung zählen. Hier zeigt sich, dass hohe Zugangshürden und komplizierte Regelungen das Studieren ohne Abitur hemmen. Anders dagegen z.B. das Bundesland Hessen. Dort konnte u.a. durch die Schaffung guter gesetzlicher Rahmenbedingungen die Quote der Studienanfänger/innen ohne Abitur innerhalb von nur fünf Jahren (2002 bis 2007) um das rund Zweieinhalbfache von 0,95 Prozent auf 2,36 Prozent gesteigert werden.

Die förderliche Gesetzeslage sei eine Voraussetzung, reiche aber alleine nicht aus, stellt CHE-Projektleiterin Sigrun Nickel fest. „Genauso wichtig ist es, dass die Hochschulen mit zielgruppengerechten Angeboten, z.B. Teilzeitstudium, für die beruflich Qualifizierten attraktiv sind. Wenn das Angebot nicht überzeugt, helfen alle Gesetze nichts“. Weitere Erfolgsfaktoren seien der Zugang zu Stipendienprogrammen, Transparenz der Zugangswege durch Informationsangebote und klare Signale durch politische Förderprogramme – auch dies Bereiche mit Nachholbedarf in Deutschland, so Nickel.

Gleichzeitig mahnt Nickel an, bei den Erwartungen realistisch zu bleiben, denn das zahlenmäßige Potenzial für Studierende ohne Abitur sei begrenzt. Vielmehr könnte eine erfolgreiche Strategie sein, noch weitere Gruppen „nicht-traditioneller Studierender“ zu erschließen. Dabei handelt es sich einerseits um Personen mit und ohne Abitur, welche sich nach einer längeren Phase der Berufs- oder Familientätigkeit akademisch weiterqualifizieren möchten und andererseits um Kinder aus bildungsfernen Schichten, welche durch frühzeitige Ansprache und Förderung, also bereits in der Schule, an die akademische Bildung herangeführt werden. Um dadurch insgesamt die Teilhabe an der akademischen Bildung in Deutschland zu verbessern, bedarf es allerdings weiterer nationaler Anstrengungen. Die 2008 gestartete Initiative „Aufstieg durch Bildung“ von Bund und Ländern ist hier ein erster, wichtiger Schritt. Doch zeigen die internationalen Erfahrungen, dass Selbstverpflichtungen von Bundesländern oft nicht reichen und es einer starken politischen Kraft bedarf, um die Öffnung des Hochschulsystems tatsächlich durchzusetzen. Ein interessantes Beispiel ist die Gründung des „Office for Fair Access“, also eines nationalen Büros für fairen Hochschulzugang in England.

Die Studie von Sigrun Nickel und Britta Leusing mit dem Titel „Studieren ohne Abitur – Entwicklungspotenziale in Bund und Ländern. Eine empirische Analyse“ ist als unentgeltliche Online-Publikation auf der Homepage des CHE abrufbar.

Rückfragen: Dr. Sigrun Nickel, Email: sigrun.nickel@che-concept.de,
Tel. 05241/976123

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Britta Hoffmann-Kobert idw

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