Projekt DABEI nimmt Immissionsschutz unter die Lupe
Das aus dem Gewerberecht bzw. aus dem Arbeitsschutzrecht entstandene und mittlerweile fast 40 Jahre alte Regelwerk des Immissionsschutzes soll Umweltbelastungen verhindern oder diese wenigstens nach dem „Stand der Technik“ mindern. Unternehmen mit starken Luft- und Lärmbelastungen werden dabei einem aufwändigen Genehmigungs- und Überwachungsverfahren unterworfen und Kommunen unter anderem zur Aufstellung von Luftreinhalteplänen angehalten.
Die Wissenschaftler des Kompetenzzentrums für Klimaschutz und Klimaanpassung (CliMA) an der Universität Kassel wollen mit dem Projekt DABEI („dynamische Analyse und Bewertung von umweltpolitischen Instrumenten am Beispiel des Immissionsschutzes“) nun eine Bewertung der derzeitigen Regelungspraxis des Immissionsschutzes und der vorgeschlagenen Alternativen vornehmen.
Von wissenschaftlicher Seite werden immer wieder Einwände gegen das stark ordnungsrechtlich dominierte Regelwerk vorgebracht. Die derzeitigen Regelungen seien z.B. durch hohe bürokratische Hürden bei den Genehmigungsverfahren für neue Anlagen eher hinderlich für Innovationen und Wachstum. Es wird argumentiert, dass Anreizsysteme wie der Handel mit Emissionszertifikaten doch ein ausreichender und effizienter Mechanismus zum Immissionsschutz seien. Beim Zertifikatemodell bekommen die betroffenen Unternehmen in der EU eine bestimmte Anzahl Emissionszertifikate pro Jahr zugewiesen. Nur in dieser Höhe dürfen sie Schadstoffe emittieren. Um mehr Schafstoffe zu emittieren, können die Unternehmen von anderen Unternehmen Zertifikate über einen Markt kaufen. Die Gesamtmenge der Zertifikate ist entsprechend der Klimaziele der EU begrenzt, so dass insgesamt nur die gewünschte Menge emittiert werden kann.
Im Rahmen des Projekts DABEI wird insbesondere zu prüfen sein, inwieweit anreizorientierte und innovationsfördernde Elemente in die gegebenen ordnungsrechtlichen Regelungen integriert werden können oder ob dessen grundlegende Ersetzung den Kriterien der Nachhaltigkeit eher genügt. Dabei sollen die betroffenen Akteure (Unternehmen, Ministerium, Regierungspräsidien) in den wissenschaftlichen Prozess einbezogen werden.
Neuartig ist die Verwendung einer Computersimulation. Die im Laufe des Projekts zu entwickelnde Simulationssoftware soll die positiven wie negativen Folgen der unterschiedlichen Regelungen und Regelungsalternativen des Immissionsschutzes besser überprüfbar machen und Hilfestellungen bei der Erarbeitung von politischen Handlungsempfehlungen geben. Dabei werden im Computermodell die betroffenen Akteure und deren Handlungen einschließlich der Reaktionen auf die verschiedenen Instrumente des Immissionsschutzes simuliert. Entsprechend lautet der Titel des Projekts: „Eine akteursbasierte dynamische Analyse und Bewertung von umweltpolitischen Instrumenten am Beispiel des Immissionsschutzes – Ein Beitrag zur Nachhaltigkeitsgovernance.“
Das Forschungsprojekt DABEI wird vom Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft im Rahmen des Förderschwerpunkts Wirtschaftswissenschaften (WIN) für Nachhaltigkeit mit über 300.000 € gefördert und läuft bis Mai 2013. Dabei wirken das Fachgebiet Umwelt- und Verhaltensökonomik (Prof. Dr. Frank Beckenbach) und das Fachgebiet Öffentliches Recht/Schwerpunkt Umwelt- und Technikrecht (Prof. Dr. Alexander Roßnagel) zusammen. Ziel des Förderschwerpunkts des BMBF ist die notwendige Bereicherung der Nachhaltigkeitsforschung durch realitätsnahe ökonomische Ansätze, und die Neuorientierung der Wirtschaftsforschung durch Fragen der Nachhaltigkeitspolitik.
Info
Prof. Dr. Frank Beckenbach
Institut für Volkswirtschaftslehre
Universität Kassel
Tel 0561/804-3883
E-Mail Beckenbach@wirtschaft.uni-kassel.de
Dr. Guido Rijkhoek
Leiter Kommunikation, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universität Kassel
Tel 0561/804-2217
E-Mail rijkhoek@uni-kassel.de
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