Neue Potenziale durch Exzellenz und Effizienz
»Wir bewegen uns in einem Spannungsfeld aus globalen Herausforderungen: Auf der einen Seite stehen Themen wie Klimawandel und die demographische Entwicklung, die insbesondere in Deutschland schon heute einen deutlich sichtbaren Fachkräftemangel mit sich bringt. Auf der anderen Seite gibt es die Forderung nach immer mehr neuen Produkten für mehr Menschen aus ständig knapper werdenden Ressourcen«, sagt Prof. Reimund Neugebauer, der seit Oktober 2012 Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft ist. »Weitere Faktoren, die unser Wirken und Forschen beeinflussen, sind: knapper werdende öffentliche Kassen, das gebremste Wirtschaftswachstum und das Vorandrängen der Schwellenländer«.
Damit Fraunhofer diese Herausforderungen meistern kann und zukunftsfähig bleibt, hat Prof. Neugebauer seit seinem Amtsantritt Entwicklungshorizonte definiert. »Fraunhofer ist in Wirtschaft und Wissenschaft eine starke Marke mit einem klaren Profil. Wir sind inhaltlich sehr gut aufgestellt und verfügen über eine Reihe weiterer Stärken, etwa unsere Organisationsstruktur, die uns bei der Bewältigung komplexer Aufgaben hilft; wobei gilt: so viel dezentrale Verantwortung wie möglich, so viel zentral begleitende Steuerung wie nötig«, führt Prof. Neugebauer aus. »Auch unsere nationale und internationale Vernetzung ist ein Plus. Diese Stärken wollen wir bewahren«.
Systematische Verwertung
Potenziale ausbauen – das will Prof. Neugebauer zum Beispiel beim Thema Verwertung, mit originären Produkten, Technologien und Dienstleistungen. Verwertung setzt sich aus vielen Komponenten zusammen, zum einen aus der klassischen Variante von Patenten und Lizenzen zum anderen gehört dazu das Überführen von Erkenntnissen aus öffentlichen Projekten zur Mehrfachnutzung in verschiedenen Anwendungen der Industrie. Aber auch der Transfer von Köpfen, Spin-offs oder Prototypenbau tragen dazu bei, Wissen in Technologien umzusetzen. »Wir wollen alle Verwertungspfade systematisch erschließen und entwickeln«, sagt Prof. Neugebauer.
Standorte entwickeln
Fraunhofer-Institute geben wichtige Impulse für die Entwicklung von Standorten. Sie sind attraktiv für die regionale Industrie und sind vernetzt mit anderen Wissenschaftseinrichtungen. Die erweiterten Standortkonzepte sehen vor, dass sich die Fraunhofer-Institute mit Partnern aus der Wissenschaft, der Wirtschaft, den Kommunen und Ländern intensiver Gedanken darüber machen, wie regional verfügbares Know-how und Expertise gemeinsam zum Standortvorteil auf- und ausgebaut werden können. »Schaut man sich Deutschland an, lassen sich an vielen Orten Kompetenzfelder von Fraunhofer erkennen: etwa Kommunikationstechnologie in Berlin, Maschinenbau und Innovationsmanagement in Stuttgart oder Automobil- und Maschinenbautechnologien in Chemnitz«, so Neugebauer. »Diese Wissens-Ballungsräume wollen wir zu national und international sichtbaren Anziehungspunkten für kleine und mittelständische Unternehmen ausbauen«.
Langfristig gilt es, neue Chancen zu eröffnen, und die sieht Präsident Neugebauer in der Nachhaltigkeit des Wissenschaftspotenzials: »Wir werden die wissenschaftliche Exzellenz von Fraunhofer sichern und stärken, aber auch weiterhin flexibel und wandlungsfähig sein, um immer wieder neue Entwicklungen voranzutreiben. Unsere Aufgabe und unser Ziel sind es, Lösungen für eine nachhaltige Wertschöpfung zu erarbeiten. Das gelingt, in dem wir mit eigener Vorlaufforschung immer wieder neue Themengebiete erschließen«.
Leitprojekte – Schnelle Umsetzung für den Markt
Zudem soll der bei Fraunhofer etablierte Portfolio-Prozess genutzt werden, um neue, profilschärfende Leitprojekte zu identifizieren – unter den Schwerpunktthemen Gesundheit und Ernährung, Kommunikation und Wissen, Mobilität und Transport, Energie und Rohstoffe, Sicherheit und Vorsorge, Produktion und Dienstleistung. Die Besonderheit: hohe Anwendungsnähe und schnelle Umsetzbarkeit. Von aktuell vier identifizierten Themen sind zwei bereits auf Projektbasis angelaufen – Zellfreie Bioproduktion und ein Transferprojekt zur Elektromobilität. Zwei weitere befinden sich in der Konzeptphase: Seltene Erden und E3-Produktion. »Mit den Leitprojekten wollen wir Fraunhofer-Kompetenzen interdisziplinär und flexibel zur Erarbeitung zukunftsfähiger Themenstellungen zusammenführen – zum Nutzen für den Standort Deutschland«, sagt Prof. Reimund Neugebauer. »Ziel ist, durch frühzeitige Einbindung von Industriepartnern rasch zu marktfähigen Angeboten zu kommen«.
Im Projekt Zellfreie Bioproduktion wird eine neuartige Produktionsplattform für Proteine entwickelt. Denn Peptide, Enzyme oder andere Biomoleküle braucht man in der Medizin ebenso wie in der Lebensmitteltechnologie, Agrar-, Kosmetik- und Waschmittelindustrie. Fraunhofer will bisherige Systeme, die mit lebenden Zellen arbeiten, durch in-vitro-Proteinsynthese ersetzen. Herausforderung dabei ist, steuerbare Reaktorsysteme zu entwickeln und sie auf industrielle Maßstäbe zu skalieren. Dieses Projekt wird sowohl aus Fraunhofer-Eigenmitteln finanziert als auch vom Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF unterstützt.
In der Systemforschung Elektromobilität entwickelte Fraunhofer eine Reihe von Komponenten, um die Idee von mehr Stromern auf der Straße Realität werden zu lassen. Im Transferprojekt sollen nun die Technologien fortgeführt werden, die rasch eine Umsetzung erwarten lassen.
Das Projekt »Seltene Erden« dient dazu, die Versorgung der deutschen Industrie mit kritischen Rohstoffen, insbesondere mit Seltenen Erden sicherzustellen. Diese Rohstoffe werden unter anderem für starke Magnete in Windkrafträdern oder Elektromotoren gebraucht. Es sollen Lösungen sowohl für die Substitution als auch das Recycling der Metalle Neodym und Dysprosium erarbeitet werden.
Wie sieht die Produktion der Zukunft aus? Konzepte und Technologien dazu sollen im Projekt E3-Produktion entstehen. E3 steht für effizient, emissionsarm und das Einbinden des Menschen in die Produktionsprozesse. Dabei wird ein integrales Stoffstrom- und Energiemanagement genauso verfolgt wie die Entwicklung von Instrumenten, um die Energieeffizienz zu bewerten oder um ergonomische Aspekte zu integrieren.
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