Elektro statt Papier / Elektronische Wörterbücher: 300.000 Euro für deutsch-afrikanische Forschung

„Südafrika hat elf offizielle Sprachen, davon neun Bantusprachen; Papierwörterbücher zu drucken lohnt sich für Verlage kaum, aber die Verfügbarkeit des Internets wächst rasant. Da liegt es auf der Hand, elektronische Wörterbücher zu konzipieren”, sagt Computerlinguist Prof. Dr. Ulrich Heid, der das Projekt „Scientific e-Lexicography for Africa“ mit Dr. Gertrud Faaß koordiniert.

Die Hildesheimer Wissenschaftler bauen auf ihren seit den 90er Jahren bestehenden Forschungskooperationen mit den Universitäten Pretoria und Stellenbosch, der Universität von Südafrika, und der Universität Namibia auf. „Im südlichen Afrika ist die Mobilfunkdichte ziemlich hoch. Unsere Nachschlagewerke im Internet sollen einfach und effizient über Mobiltelefone abrufbar sein. Wir wollen die Vielfalt der südafrikanischen Sprachen erhalten und gleichzeitig neue Konzepte zur Darbietung von Informationen im Wörterbuch, zur Interaktion mit dem Benutzer und zur Unterstützung beim Lesen und Verfassen von Texten entwickeln und erproben”, erklärt der Computerlinguist des Instituts für Informationswissenschaft und Sprachtechnologie.

Die Universität Hildesheim leitet eines von bundesweit zehn Projekten im Programm „Welcome to Africa“ des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), insgesamt wurden 80 Anträge eingereicht. Die Förderung umfasst nahezu 300.000 Euro. Mit dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) über einen Zeitraum von drei Jahren geförderten Programm werden zwischen deutschen und afrikanischen Universitäten Forschungs- und Lehrkooperationen „auf Augenhöhe“ gefördert.

Die Daten und Interaktionskonzepte für die Wörterbücher werden gemeinsam entwickelt. Welche kulturspezifischen Ausdrücke sollen erfasst werden, und wie? Wie können die Datenmengen geordnet und klassifiziert werden? Wie werden Informationen in online-Wörterbüchern präsentiert, wie werden sie schnell durch den Benutzer auffindbar?

Manche grammatisch-lexikalischen Phänomene der Bantusprachen sind komplex, und der Sprachenlerner braucht Hilfestellung beim Textproduzieren: es gibt zum Beispiel drei Arten, um „er ist …” zu sagen – „er ist Lehrer” ist anders als „er ist klug” oder „er ist mit ihr zusammen”. Dazu gibt es verschiedene Zeit- und Personalformen, unterschiedliche Verneinungsformen. Im Grammatikbuch füllt das 36 Seiten. Die Forscher experimentieren mit einer Art Frage-Antwort-System, das dem Benutzer schrittweise Fragen stellt und ihn zur richtigen Lösung führt: das Konzept „Wörterbuch” wird hier neu interpretiert.

„Parallel setzen wir die Forschungserfahrung in der Lehre um“, so Ulrich Heid. „Afrikanische Kollegen machen Vorträge und Blockseminare in Hildesheim, wir fahren zu einer ‚Teaching Week‘ nach Pretoria.“ Studierende des „Internationalen Informationsmanagements“ werden in den nächsten drei Jahren zu zweimonatigen Forschungsaufenthalten und zu Exkursionen nach Südafrika reisen und Abschlussarbeiten zum Beispiel über Fachterminologie der Literaturwissenschaft anfertigen. „Die Kooperation lebt – aller computervermittelten Kommunikation zum Trotz – davon, dass man zusammensitzt und gemeinsam nachdenkt.“

Eine Besonderheit im länderübergreifenden Projekt: Prof. Dr. Stephan Schlickau und sein Team des Instituts für Interkulturelle Kommunikation untersuchen die Wissenschaftskommunikation im Projekt und leiten aus den Ergebnissen Verbesserungen für interkulturelle Trainings für Studierende und Dozierende ab.

„Unsere Ergebnisse werden nicht auf afrikanische Sprachen beschränkt sein – sie lassen sich auch auf Deutsch oder Englisch anwenden“, gibt Prof. Heid einen Ausblick in die Zukunft. „Immer mehr Menschen sind online-Hilfsmittel gewöhnt – und aus dem Wörterbuchlabor sollen bessere und effizientere Hilfsmittel hervorgehen.”

Media Contact

Isa Lange idw

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