Studieren mit Kindern muss möglich sein

Modellprojekt von bundesweiter Bedeutung an der Justus-Liebig-Universität Gießen gestartet

Was bisher eher als Notfall betrachtet wurde, soll künftig in Gießen der Normalfall sein: Studieren mit Kind. Den Startschuss zu einem gleichnamigen Modellprojekt gab Ende Januar Hessens Sozialministerin Silke Lautenschläger, die zugleich Beiratsvorsitzende der „hessenstiftung – familie hat zukunft“ ist. „Studieren mit Kind muss genauso selbstverständlich werden wie die Vereinbarkeit von Kindern und Beruf. Nur wenn wir die Voraussetzungen dafür schaffen, werden sich auch langfristig wieder mehr Frauen für Kinder entscheiden“, betonte die Ministerin. Bei dem Modellprojekt handelt es sich um eine Längsschnitt-Studie über vier Jahre, in der schwerpunktbezogen passgenaue Arrangements zur Vereinbarkeit von Studium und Familie entwickelt, erprobt und ausgewertet werden. Die wissenschaftliche Leitung des Projekts liegt bei Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe, die an der Justus-Liebig-Universität die Professur für Wirtschaftslehre des Privathaushalts und Familienwissenschaft inne hat.

Anlass für die Studie im Auftrag der Hessenstiftung ist die Tatsache der hohen Kinderlosigkeit von Akademikerinnen und Akademikern. Im Jahre 2001 hatten in Westdeutschland von den 30- bis unter 35-jährigen Akademikerinnen – also den Geburtenjahrgängen 1967 bis 1971 – mehr als 62 Prozent keine Kinder (Mikrozensus 2001). Derzeit bleiben über 40 Prozent von den jungen Frauen, die einen Fachhochschul- oder Universitätsabschluss erworben haben, zeitlebens ohne Kinder. Dieser Tatbestand steht in einem auffälligen Gegensatz zu den vom Deutschen Studentenwerk (DSW) ermittelten Wünschen von studierenden Frauen und Männern, die sich zu 80 Prozent eine Zukunft vorstellen, in der eine qualifizierte Berufstätigkeit und Familie einen ebenbürtigen Platz einnehmen.

Wenn Akademiker Familie und Beruf vereinbaren wollen, stellt sich häufig die Frage nach dem „richtigen“ Zeitpunkt für den Nachwuchs. Das Modellprojekt will gezielt die Vorteile einer frühen Elternschaft bereits während des Studiums herausstellen. Dazu werden die Mitarbeiterinnen von Prof. Uta Meier-Gräwe die Studienorganisation, die Wohnbedingungen und die Betreuungsstrukturen für studierende Eltern kritisch in den Blick nehmen und passgerechte, mit Allianzpartnern koordinierte, Maßnahmen erproben, um Studieren mit Kind in Gießen langfristig zum Normalfall werden zu lassen.

Zeitgleich zum Projektstart „Studieren mit Kind“ streben kommunale Akteure die Gründung eines „Lokalen Bündnisses für Familien“ an. So ergibt sich für das Modellprojekt „Studieren mit Kind“ von Beginn an die Möglichkeit einer gezielten Zusammenarbeit mit kommunalen Akteuren aus verschiedenen Arbeitsgebieten. „Wir brauchen Partner, um die als notwendig erkannten Maßnahmen gemeinsam umzusetzen“, hob Ulrich Kuther von der Geschäftsführung der Hessenstiftung hervor. „Die Stiftung will mit ihren Fördermitteln – 130.500 Euro über vier Jahre – einen Anreiz schaffen, der weitere Mittel in der Region mobilisieren soll zugunsten der Studierenden mit Kind.“

Prof. Uta Meier-Gräwe, die auch Mitglied in der Kommission zur Erstellung des siebten Familienberichts der Bundesregierung ist, betonte die bundesweite Bedeutung des Modellprojektes: „Zum ersten Mal werden in einer deutschen Universitätsstadt Studierende und Lehrende wiederholt in Tiefeninterviews gründlich über ihre Arbeits- und Lebensbedingungen mit Kind befragt und begleitet mit dem Ziel, konkrete Maßnahmen vor Ort zügig umzusetzen.“ Zudem werde mit den Maßnahmen für mehr Kinder an den Hochschulen der Standort Gießen auch für Doktorandinnen und Doktoranden attraktiv, die ausdrücklich in die Studie einbezogen werden. Die Hochschulen in Gießen, die Justus-Liebig-Universität und die Fachhochschule Gießen-Friedberg, könnten sich damit als familien- und kinderfreundlich profilieren, so Prof. Meier-Gräwe weiter.

Die „hessenstiftung – familie hat zukunft“ wurde im Jahr 2001 auf Initiative der hessischen Sozialministerin gegründet. Die Stiftung ist mit einem Vermögen von rund 10 Millionen Euro ausgestattet und verfolgt ausschließlich gemeinnützige Zwecke der Familienförderung. Ihr Ziel ist es, die Bedeutung der Familie in der Gesellschaft zu stärken und ihr das Leben zu erleichtern, indem die wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Rahmenbedingungen verbessert und bestehende Hindernisse auf dem Weg zu einer familiengerechten Gesellschaft überwunden werden. Seit Sommer 2004 hat die Stiftung ihren Sitz in Bensheim an der Bergstraße, wo ihre Geschäfte von der Karl Kübel Stiftung geführt werden.

Kontakt:

Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe
Institut für Wirtschaftslehre des
Haushalts und Verbrauchsforschung
Bismarckstraße 37
35390 Gießen
Telefon: 0641/99-39300
Fax: 0641/99-39309
E-Mail: Uta.Meier@ernaehrung.uni-giessen.de

Dr. Ulrich Kuther
Bevollmächtigter der Geschäftsführung
hessenstiftung – familie hat zukunft
c/o Karl Kübel Stiftung
Darmstädter Str. 100
64625 Bensheim
Telefon: 06251/ 7005-31
Fax: 06251/7005-77
E-Mail: u.kuther@hessenstiftung.de

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Christel Lauterbach idw

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