Europa kann mehr – Leibniz-Gemeinschaft formuliert Erwartungen an die EU-Forschungspolitik

Forschen für Europa - hier an der Deutschen Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen, einer Leibniz-Einrichtung <br>(Bild: DSMZ) <br>

Lücken im EU-Förderprogramm schließen / Agrarsubventionen umleiten / Potenzial der Geistes- und Sozialwissenschaften europaweit erschließen

Europa hat das Ziel, mit der Lissabon-Strategie bis zum Jahr 2010 zum dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu werden. Wichtiges Instrument der EU-Kommission sind die Rahmenprogramme für Forschung. Die Leibniz-Gemeinschaft sieht sich als bedeutende nationale Wissenschaftsorganisation in der Verantwortung, zum Erfolg der Lissabon-Strategie beizutragen. Die Führungsspitze der Leibniz-Gemeinschaft hat ihre Erwartungen an die künftige Forschungsförderung der Europäischen Union formuliert. Ziel der heute veröffentlichten Stellungnahme ist es, Lücken im bestehenden EU-Förderprogramm zu identifizieren und Verbesserungen an der existierenden Förderpraxis aufzuzeigen.

Die einfachste Formel für eine erfolgreiche Lissabon-Strategie lautet nach Ansicht der Leibniz-Gemeinschaft „Mehr Geld in der Forschungsförderung“. Dies stimmt überein mit Forderungen europäischer Gremien. Auch EU-Kommission und Europaparlament haben immer wieder eine Verdopplung des Forschungsetats gefordert. „Das Geld muss aus dem Agrartopf kommen“, meint Hans-Olaf Henkel, der Präsident der Leibniz-Gemeinschaft. „Wollen wir Zuckerrüben oder Nobelpreise? Für uns ist die Antwort klar.“ Die EU-Forschungsmittel sind der drittgrößte Posten im EU-Etat (ca. 6 %). Eine Steigerung des Gesamtetats hatte u. a. die Bundesregierung abgelehnt. Nach Ansicht der Leibniz-Gemeinschaft müsse der Zuwachs im Forschungsetat daher durch deutliche Kürzungen der Agrarsubventionen finanziert werden. „Uns ist bewusst, dass dies wegen der unterschiedlichen nationalen Befindlichkeiten schwierig bis unmöglich ist. Aber wir hoffen auf Einsicht und neuen Schwung im Lissabon-Prozess, weil das Expertenteam um Wim Kok vielen Mitgliedsstaaten ein verheerendes Zeugnis ausstellte.“, meint Henkel. Das laufende 6. Rahmenprogramm mit einem Umfang von knapp 20 Mrd. Euro endet im Jahr 2006. Wissenschaft, Kommission und Mitgliedsländer diskutieren gegenwärtig Inhalt, Gestalt und Umfang des 7. Rahmenprogramms. In dieser Diskussion wolle die Leibniz-Gemeinschaft nun Stellung beziehen, betont Henkel.

„Ich freue ich mich auf die Zusammenarbeit mit dem designierten EU-Forschungskommissar Janez Potocnik aus Slowenien „, sagt Henkel. Die Leibniz-Gemeinschaft wünscht sich von Potocnik vor allem, dass nicht neue Verwaltungshürden und neue Förderinstrumente ersonnen werden, sondern vereinfachte Verfahren eine effiziente Forschung ermöglichen. „Ich verstehe es, wenn der neue Kommissar seine Handschrift im 7. Rahmenprogramm sehen will. Das Gute weiterentwickeln, nicht alles über Bord werfen, das wäre Schönschrift. Daher begrüße ich, dass Herr Potocnik Kontinuität in der europäischen Forschungspolitik ankündigte“, sagt Henkel, der im Jahr 2002 in Brüssel auf der Startkonferenz des 6. Rahmenprogramms die Key Note Speech hielt. Henkel warnte damals vor überdimensionierten Projekten. „Die Skeptiker haben recht behalten“, bilanziert Henkel heute. Der Versuch, den Europäischen Forschungsraum vor allem mit den Großprojekten des 6. Rahmenprogramms zu befördern, sei nur teilweise geglückt. Nach Ansicht der Leibniz-Experten sind kleine EU-Projekte oft besser geeignet, dauerhafte Kooperationen zu initiieren. Dies gilt vor allem dann, wenn in einer überschaubaren Struktur, Spitzeninstitute mit solchen verbunden sind, die es noch werden wollen. Das 7. Rahmenprogramm müsse dies berücksichtigen.

Neu an der EU-Politik ist der ausdrückliche Wille, die Grundlagenforschung durch ein European Research Council zu fördern. „Grundlagenforschung von heute ist angewandte Forschung von morgen und schafft das marktfähige Produkt und die Arbeitsplätze von übermorgen“, fasst Henkel zusammen. Wissenschaftliche Exzellenz müsse dabei wichtiger als geografisches Quotendenken sein. „Wir haben in Europa sehr gute Beispiele, wie ein European Research Council organisiert sein könnte. Deutsche Modelle sind da sicherlich in einer exzellenten Position“, erläutert Henkel.

Gesellschaftliche Relevanz der Forschung ist nach Ansicht der Leibniz-Gemeinschaft ein weiteres wichtiges Kriterium für die Förderung. Die Kohäsion und Transformation Europas stelle der Forschung große Herausforderungen ebenso wie der demografische Wandel, das Thema Gesundheitsvorsorge oder die Bildungsforschung. Die wissenschaftliche Befassung mit diesen Themen sichert langfristig die wirtschaftliche Basis der Gesellschaft und involviert sämtliche Politikbereiche. Zugleich warnen die Leibniz-Experten vor einer auf Naturwissenschaften und den technologischen Fortschritt verengten Forschungsförderung. Insbesondere in den Gesellschafts-, Geistes- und Sozialwissenschaften sowie in der Umweltforschung liegen nach Ansicht der Leibniz-Gemeinschaft ungenutzte Potenziale.

Rund 300 EU-Projekte aus sämtlichen Bereichen der EU-Förderung – von der Bio- oder Nanotechnologie bis zur Sozioökonomie oder Raumplanung- bearbeiten die 80 Leibniz-Institute derzeit. Auf Basis dieses großen Erfahrungsschatzes hat die Leibniz-Gemeinschaft eine fachübergreifende Einschätzung zur Zukunft der EU-Forschungspolitik vorgelegt. Nachfolgend aufgeführt ist die Kurzfassung der Leibniz-Stellungnahme. Die vollständige Fassung der Stellungnahme steht zum Download bereit:

Rückfragen an: Dr. Marko Häckel, Tel. 0228-30815-221, Fax: -255, Email: haeckel@wgl.de

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Dr. Frank Stäudner idw

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