Von Zahnfleischerkrankungen bis Zystenbildungen

Von Zahnfleischerkrankungen über muskulo-skeletale Verletzungen bis zu Nierenzysten reicht das Spektrum der Krankheiten, deren wissenschaftliche Klärung und Behandlungsmöglichkeiten die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) mit sechs neuen Klinischen Forschergruppen vorantreiben will.

Wie alle Klinischen Forschergruppen zeichnen sich auch diese durch die komplexe Verknüpfung von Klinik, angewandter Forschung und Grundlagenforschung aus. „Das ist längst zum Markenzeichen für dieses Förderprogramm geworden“, sagt Dr. Petra Hintze, die in der Gruppe Lebenswissenschaften der DFG für die Klinischen Forschergruppen zuständig ist. Diese helfen zudem, die Ausbildungsbedingungen für Nachwuchsforscherinnen und -forscher zu verbessern, und stärken die wissenschaftliche Profilbildung an ihren Medizinischen Fakultäten.

Die sechs neuen Klinischen Forschergruppen wurden seit Juli dieses Jahres eingerichtet, die sechste und letzte Anfang September; einige Gruppen haben ihre Arbeit bereits aufgenommen. Wie man Parodontitis erfolgreicher therapieren und Entzündungen bei schweren Verletzungen effektiver eindämmen kann, wird in ihnen ebenso untersucht wie die Wirkung neuartiger Nanopartikel. Erforscht wird auch, wie sich Strahlentherapien verbessern lassen und warum die Resistenz gegen Chemo- und Immuntherapien bei Tumorerkrankungen so weit verbreitet ist.

Seit 2001 hat Deutschlands größte Forschungsförderorganisation damit insgesamt 41 Klinische Forschergruppen eingerichtet. Wesentliche Voraussetzung für eine Einrichtung ist, dass die jeweilige Hochschule die Gruppe zur Hälfte finanziert und eine zusätzliche Professorenstelle mit entsprechender Ausstattung für die Gruppenleitung schafft.

Die sechs Einrichtungen im Einzelnen (alphabetisch sortiert nach Sprecherhochschule):

An der Charité Berlin entwickelt eine Klinische Forschergruppe eine neue Klasse von magnetischen Nanopartikeln als Kontrastmittel für die Magnetresonanztomografie. Das Besondere: Die neuartigen Partikel sind ungewöhnlich klein und mit Oberflächenbeschichtungen versehen, die es den Partikeln erlauben, im Körper besonders gezielt an den zu untersuchenden Ort zu kommen. Das Institut für Radiologie der Charité ist in dieser Entwicklung weltweit führend. Mehrere bereits vernetzte interdisziplinäre Arbeitsgruppen erforschen die Möglichkeiten der Monomer-beschichteten Eisenoxid-Nanopartikel auf unterschiedlichen Ebenen. So sollen innovative Techniken zur magnetischen Markierung von Zellen entwickelt werden, um damit unter anderem pathologische Prozesse früher erkennen zu können.

(Sprecherhochschule: Charité – Universitätsmedizin Berlin, Sprecher: Professor Dr. Bernd Hamm, Leiter: PD Dr. Matthias Taupitz)

Von Zahnfleischerkrankungen sind in Deutschland mehr als 70 Prozent der Bevölkerung betroffen. Die genaue Krankheitsursache ist jedoch immer noch weitgehend unbekannt. Prävention, Diagnose und Therapie einer weit verbreiteten Form von Zahnfleischerkrankungen, der Parodontitis, stehen im Mittelpunkt der stark interdisziplinären neuen Klinischen Forschergruppe an der Universität Bonn. Unter der Leitung von PD Dr. James Deschner sollen auch genetische, zellbiologische und biomechanische Aspekte in die Forschung mit einbezogen werden. Am Ende sollen effektivere therapeutische Mittel gegen die Krankheit stehen.

(Sprecherhochschule: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Sprecher: Professor Dr. Andreas Jäger, Professor Dr. Soren Jepsen, Leiter: PD Dr. James Deschner)

Die Resistenz gegen Chemo- und Immuntherapien bei Tumorerkrankungen zu senken, ist das Ziel einer neuen Klinischen Forschergruppe an der Universität Marburg. Vom Einsatz solcher Systemtherapien profitiert bisher nur ein kleiner Teil der Behandelten, bei vielen hat sie schlichtweg keinen Erfolg. Die Gründe hierfür wurden bislang jedoch nur selten und wenig koordiniert erforscht. Die Marburger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen nun Resistenzvorgänge in Tumorzellen auf molekularer Ebene besser verstehen lernen und damit künftige Therapiemöglichkeiten entwickeln.

(Sprecherhochschule: Philipps-Universität Marburg, Sprecher: Professor Dr. Andreas Neubauer, Leiter: PD Dr. Andreas Burchert)

Jüngste Forschungsergebnisse zeigen, dass eine gestörte zelluläre Signalübertragung eine wichtige Rolle bei erblich bedingten zystischen Nierenerkrankungen spielt. Daraus ergeben sich neue Ansatzpunkte, um der Entstehung von Nierenzysten und der fortschreitenden Zerstörung der Niere entgegenzuwirken. Hierzu will die neue Klinische Forschergruppe an der Universität Freiburg sowohl essenzielle Grundlagenforschung als auch die Entwicklung therapeutischer Anwendungen leisten. Dabei gehen die Forscherinnen und Forscher um Leiter PD Dr. Michael Köttgen stark interdisziplinär vor. Durch die Arbeit auf unterschiedlichen Forschungsfeldern – von molekularer Genetik über pathologische Physiologie bis zur Entwicklung neuer therapeutischer Ansätze – sollen Wege erschlossen werden, krankhafte Veränderungen der Niere frühzeitig einzudämmen, ohne gesundes Gewebe zu schädigen.

(Sprecherhochschule: Universitätsklinikum Freiburg, Sprecher: Professor Dr. Gerd Walz, Leiter: PD Dr. Michael Köttgen)

Welchen Stellenwert hat die Ionentherapie in der Strahlentherapie im Vergleich zu anderen modernen Verfahren? Diese Frage will eine neue Klinische Forschergruppe an der Universität Heidelberg mithilfe weltweit einzigartiger technischer Möglichkeiten beantworten. Ihr stehen hierzu sowohl konventionelle Photonenbestrahlung als auch Protonen- und Kohlenstoffstrahlen zur Verfügung. In enger Zusammenarbeit von Physikern, Biologen und Strahlentherapeuten sollen unter anderem neue Technologien für Strahlführung und Bestrahlungsplanung entwickelt werden. So sollen physikalische und biologische Vorteile einer Teilchentherapie gegenüber herkömmlicher Bestrahlung in Zukunft optimal für die Tumortherapie genutzt werden können.

(Sprecherhochschule: Universitätsklinikum Heidelberg, Sprecher: Professor Dr. Jürgen Debus, Leiter: Professor Dr. Oliver Jäkel)

Acht Millionen Menschen werden jährlich in Deutschland bei Unfällen verletzt, mehr als 1,5 Millionen von ihnen müssen vollstationär behandelt werden. Damit sind Traumata in jedem Lebensabschnitt der häufigste Behandlungsgrund überhaupt. Nach Verletzungen am Bewegungsapparat kommt es in vielen Fällen zu gefürchteten Entzündungen, die sich auch trotz deutlicher medizinischer Fortschritte nur schwer therapieren lassen. Das Ziel einer neuen Klinischen Forschergruppe an der Universität Ulm ist daher, die frühe Entzündungsantwort und positive Beeinflussung des Immunsystems bei solchen Verletzungen im Labor zu untersuchen. Die daraus resultierenden neuen Wege in der Diagnostik wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf verschiedene Modellformen und schließlich auch den Patienten übertragen.

(Sprecherhochschule: Universitätsklinikum Ulm, Sprecher: Professor Dr. Florian Gebhard, Leiter: PD Dr. Markus Stefan Huber-Lang)

Weiterführende Informationen

Ansprechpartnerin zu den Klinischen Forschergruppen bei der DFG ist
Dr. Petra Hintze,
Gruppe Lebenswissenschaften 1,
Tel.: +49 228 885-2552, E-Mail: Petra.Hintze@dfg.de
Weitere Informationen zu den Klinischen Forschergruppen finden sich im Internet unter

www.dfg.de/forschungsfoerderung/ koordinierte_programme/klinische_forschergruppen/

Eine Zusammenfassung der Aktivitäten der DFG im Bereich Klinischer Forschung gibt die Internet-Seite

www.dfg.de/aktuelles_presse/ themen_dokumentationen/spagat_klinik_forschung

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