Zahnarzt-Imagestudie 2010

Steigende Gesundheitskosten und immer neue Reformvorschläge wecken die Fragen: Wo bleibt der Patient und welche Qualitäten werden heute geboten? In einer aktuellen Qualitäts- und Zufriedenheitsmessung erzielen Zahnärzte mit einem Notendurchschnitt von 1,5 einen Spitzenruf bei Patienten (1 = exzellent/sehr gut), der sich in den vergangenen elf Jahren noch um 6 Prozent verbesserte.

Zugleich haben jedoch Patienten noch beachtliche Zusatzwünsche und sehen Verbesserungsbedarf bei Zahnärzten, zum Beispiel 47 Prozent beim ersten Eindruck am Empfang. 72 Prozent der Patienten sind nach ihren Praxisbeurteilungen inzwischen bei ihrem idealen Zahnarzt angekommen, denn sie vergeben die maximalen 4 und 5 Qualitäts-Sterne als Praxisbeurteilungen, 1999 waren dies erst 58 Prozent.

Zu diesen Feststellungen kommt eine neue Imagestudie über Zahnärzte, die jetzt von Prof. Dr. Gerhard Riegl, Marketingdozent an der Hochschule Augsburg und wissenschaftlicher Leiter der Patientenforschung mit 60.000 Befragten über mehrere Jahre auf der Basis von Benchmarking-Analysen mit 1.000 Praxen, als Ideen- und Zukunftswerk für Zahnmediziner vorgelegt wurde. „Die Ergebnisse zeigen, wie Praxisteams ihre Patienten trotz der Ausnahmesituation bei Zahnarztbesuchen sofort zu Gewinnern machen können und dabei selbst in der Gunst der Patienten aufsteigen“, betont Riegl. Nachhaltig gute Zahnmedizin muss verstanden werden als Gemeinschaftswerk von Zahnarzt und Patient und erfordert eine nachhaltige Patientenorientierung. Der Autor dieses lesefreundlich gestalteten Basiswerks möchte mit dieser Enquete innovative Impulse für den künftig erwarteten Qualitäts- und Vergütungswettbewerb setzen.

Immer wieder taucht die Frage auf: Warum hat „Pfusch“ in der Zahnmedizin heute überhaupt noch eine Chance? Die Forschungsergebnisse von Prof. Riegl und seine Gespräche mit Experten zeigen, dass gerade viele der fachlich besten Zahnärzte immer noch ihre positive Selbstdarstellung für allzu nebensächlich halten und vergeblich hoffen, dass sich „Pfuscher“ irgendwann von selbst totlaufen werden.

Junge Patienten sind zahnarztwechselfreudiger als ältere

Zahnärzte sind zwar momentan im Leistungswettbewerb noch gut aufgestellt, was auch die von 5,5 auf 5,7 Jahre gestiegene durchschnittliche Praxiszugehörigkeit der Patienten belegt (65 Prozent sind schon über 5 Jahre in ihrer Praxis). Bei ihrem ersten Hauszahnarzt sind immerhin noch 45 Prozent aller Patienten. Aber mit den jüngeren Patienten unter 30 Jahren wächst eine bindungslosere Generation nach, denn sie sind nur noch zu 23 Prozent beim ersten Hauszahnarzt. Die Menschen gehen heute 13 Prozent häufiger zum Zahnarzt als vor 11 Jahren (bezogen auf die 27 Prozent Regelmäßigbesucher, die zweimal oder öfter pro Jahr ihren Zahnarzt aufsuchen). Im Durchschnitt nehmen Patienten heute einen Weg von 7,1 Kilometern zu ihrem Zahnarzt in Kauf, hoch Zufriedene fahren im Schnitt 1.600 Meter weiter zu ihrem Geheimtipp-Zahnarzt als nicht Topzufriedene.

Ganzheitliche Sozialanamnesen bei Patienten auch via Social Media

Zahnärzte wurden in den vergangenen Jahren für Patienten immer besser, aber die Ansprüche der Praxisbesucher sind punktuell noch schneller gestiegen. Auf Termine in der Praxis müssen heute 29 Prozent der Patienten über zwei Wochen warten, vor elf Jahren waren dies noch 34 Prozent. Die meisten Patienten (43 Prozent) verabreden sich bereits von Termin zu Termin.

Die Wartezeiten in der Praxis haben sich nach Angaben der Patienten auf durchschnittlich 11,7 Minuten verkürzt, während sie vor 11 Jahren noch bei 17,2 Minuten lagen. Dennoch gibt es heute 29 Prozent weniger voll zufriedene Patienten beim Praxisservice als 1999. Bemängelt wird z.B., wenn Prophylaxe und zahnärztliche Routinekontrolle nicht bei einem Termin möglich sind. In größeren Praxen gibt es mehr Kritik an der Organisation als in kleinen Praxen.

Prophylaxeerfolge machen im Notfall Implantate attraktiver

Insgesamt können Zahnärzte ihre Patienten immer mehr zur Prophylaxe für den Erhalt natürlicher Zähne motivieren und steigern damit die Zahngesundheit sowie den besonderen Liebhaberwert von schönen, gesunden Zähnen auf 94 Prozent in der Patientenschaft. Im Endeffekt begünstigt diese hohe Wertschätzung für natürliche Zähne im Notfall den künftigen Einsatz von Implantaten, denn immer weniger Patienten wollen ihre lang gepflegten, gesunden Zähne für Brückenkonstruktionen beschleifen lassen.

98 Prozent aller Patienten sind heute grundsätzlich für Implantate aufgeschlossen, die unter 30-Jährigen schon zu 95 Prozent. Auch 92 Prozent der Hauszahnärzte befürworten diese Methode und 29 Prozent implantieren selbst mit steigender Tendenz. Die übrigen Hauszahnärzte kooperieren mit Implantologen, z.B. mit Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen. Dabei wählen Patienten nach Aussagen der Hauszahnärzte nur zu 22 Prozent den Implantologen selbst aus (Basis: Mehrfachnennungen bei Implantologenwahl von 112 Prozent).

Mehr Kostenberatung als Fachberatung beim Zahnarzt erwünscht

Fachliche Beratung ist die viertbeste von 19 Kernleistungen der Zahnärzte aus Patientensicht (nach 1. Hygienequalität, 2. fachlicher Behandlungsqualität und 3. Patientenfreundlichkeit). Inzwischen wünschen jedoch 90 Prozent der Patienten vor allem zusätzliche Beratungen zu Kosten und Finanzierungen, z. B. zu Teilzahlungen, Erstattungen, Preisunterschieden usw. Nur noch vier Prozent der Patienten glauben an eine für sie ausreichende Regelversorgung. 43 Prozent sind von vornherein bereit, etwas drauf zu legen. Bei fachlicher Beratung gibt es im Gegensatz zur Kostenberatung nur rund 30 Prozent der Patienten Zusatzwünsche, z. B. zu Angstabbau, Haltbarkeit, Materialunterschiede.

Mehr Internetnutzung, aber nicht direkt zur Zahnarztsuche

21 Prozent der Patienten nutzen heute das Internet bei zahnmedizinischen Fragen, z. B. zur Bestätigung, Aufklärung oder Identifizierung mit ihrem Zahnarzt. Aber nur zwei Prozent würden ihren neuen Zahnarzt im Internet oder über Suchmaschinen auswählen. Dagegen ist die Weiterempfehlung des besten Hauszahnarztes von Mensch zu Mensch immer noch mit 76 Prozent die beliebteste Methode bei der Wahl. Sieben Prozent der Patienten könnten sich bereits vorstellen, ihren Zahnarzt auch im Internet weiterzuempfehlen.

Ideale Zahnärzte mit guter Fachkompetenz und mit Streicheln der
Patientenseele
Am meisten achten Patienten laut der aktuellen Studie bei ihrer idealen Zahnarztpraxis auf mehr menschliche Geborgenheit und Vertrauen als anderswo (46 Prozent), aber ebenfalls 46 Prozent registrieren auch ausgestellte Zertifikate des Zahnarztes und 38 Prozent achten auf moderne Apparate um sich ein Bild über den perfekten Behandler und sein Team zu machen. Mit „Excellence im Menschlichkeit“, auf der Basis von bester zahnmedizinischer Versorgung, könnten zahnärztliche Praxen im Wettbewerb Patienten wirkungsvoll glücklich machen. Dies habe immer noch mehr mit perfekter Patientenorientierung nach sozialen Normen als mit moderner Kundenorientierung nach Marktnormen zu tun.

Noch nie hatten Bürger so viele Informationsmöglichkeiten über Zahnmedizin wie heute, z. B. auch über Internet-Bewertungsportale. Aber diese Informationsfülle führt laut Prof. Riegl inzwischen zu immer schwierigeren und unsichereren Entscheidungen, nicht zu leichteren. Gute vertrauenswürdige Zahnärzte seien deshalb treuhänderische Lotsen, die Patienten auch vor unvernünftigem Verhalten bewahren. Zahnärzte als Vermarktungsprofis mit unangemessenen übertriebenen Außenauftritten riskierten inzwischen auch Irritationen bei Patienten und sogar gegenteilige Wirkungen, denn die Menschen stellen fest: Wenn etwas zu viel Werbung braucht, ist es womöglich gar nicht so gut.

Literaturhinweis:
Riegl, G. F.: Erfolgsfaktoren für die zahnärztliche Praxis, Zahnarzt-Imagestudie & Qualitätsmanagement, Institut für Management im Gesundheitsdienst, Augsburg 2010, 539 Seiten, ISBN: 978-3-926047-17-5.
Weitere Informationen und Kontakt:
Prof. Dr. Gerhard F. Riegl
Hochschule Augsburg
Fakultät Wirtschaft
Schillstraße 100
86169 Augsburg
Tel.: 0821 / 567 144 0
Fax: 0821 / 567 144 15
E-Mail: Prof.Riegl@hs-augsburg.de

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Dr. Tobias Weismantel idw

Weitere Informationen:

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