Vliese als "Gerüst" für künstliche Gewebe

Gerissene Einzelfaser nach einem Zugversuch in der Mikroprüfmaschine<br>© Fraunhofer IWM <br>

Das Knie schmerzt bei jedem Schritt – der Knorpel ist so weit geschädigt, dass die Knochen beim Laufen aufeinander reiben. Mediziner arbeiten daran, Knorpelgewebe künstlich herzustellen und Patienten mit Knieproblemen wieder schmerzfreies Gehen zu ermöglichen.

Auch Sehnen oder Blutgefäße sollen sich künftig im Labor herstellen lassen. Die Forscher geben dazu Zellen auf einen porösen Gerüstwerkstoff, beispielsweise ein Vlies aus Polymerfasern: Auf diesem Gerüst können die Zellen wachsen und Gewebe bilden. Ob die Zellen gut zu dem Gewebe heranwachsen, hängt jedoch von vielen Faktoren ab: So bilden die Zellen nur einen Knorpel, wenn sie vergleichbaren Belastungen ausgesetzt sind wie im Körper.

Bei Knorpeln braucht das Gewebe den Druck, den jeder Schritt ausübt, Adergewebe dagegen benötigt das Pulsieren des Blutes. Diese Belastungen stellen die Wissenschaftler in der Zellkultur nach. Wird der künstliche Knorpel in das Knie des Patienten eingesetzt, löst sich das stützende Vlies allmählich auf – zurück bleibt das eingewachsene Knorpelgewebe.

Während es recht einfach ist, Vliese aus dünnen Polymerfasern herzustellen, ist es schwer, diese Materialien experimentell und theoretisch zu beschreiben. Welche Kräfte erfahren die Zellen, wenn man am Vlies zieht oder Flüssigkeit darüber strömt? Wie dringen Zellen in das Vlies ein? Wie durchströmen Flüssigkeiten das Vlies? Forscher am Fraun-hofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM in Freiburg und Halle haben nun ein Simulationsmodell entwickelt, das diese Fragen beantwortet und die Vliese gut charakterisiert. »Die Simulation stellt die mechanischen Eigenschaften der Vliese und die Transportprozesse nach – die Software kann also auch berechnen, wie Nährstoffe zu den Zellen und Stoffwechselprodukte von den Zellen weg transportiert werden, wenn etwa eine Flüssigkeit vorbeiströmt«, sagt Dr. Raimund Jaeger, Gruppenleiter am IWM.

»Diese Prozesse zu verstehen, kann für die Gewebezüchtung hilfreich sein.« Um das Modell zu erstellen, untersuchten die Forscher zunächst die mechanischen Eigenschaften der einzelnen Polymerfasern. Speziell dafür entwickelten sie eine Apparatur: Auf einem ein Quadratzentimeter großen Siliziumchip haben die Wissenschaftler aus Halle circa 50 »Mikro-Prüfmaschinen« freigeätzt, die Fasern über die Prüfmaschinen gelegt und befestigt.

Unter dem Mikroskop konnten die Forscher beobachten, wie sich die Fasern verhalten, wenn man daran zieht, wie weit sie sich dehnen und wann sie reißen. Da faserartige Strukturen in Natur und Technik häufig anzutreffen sind, haben geeignete experimentelle Techniken und Simulationsmethoden ein breites Anwendungsspektrum.

Media Contact

Dr. Raimund Jaeger Fraunhofer Gesellschaft

Weitere Informationen:

http://www.iwm.fraunhofer.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Anlagenkonzepte für die Fertigung von Bipolarplatten, MEAs und Drucktanks

Grüner Wasserstoff zählt zu den Energieträgern der Zukunft. Um ihn in großen Mengen zu erzeugen, zu speichern und wieder in elektrische Energie zu wandeln, bedarf es effizienter und skalierbarer Fertigungsprozesse…

Ausfallsichere Dehnungssensoren ohne Stromverbrauch

Um die Sicherheit von Brücken, Kränen, Pipelines, Windrädern und vielem mehr zu überwachen, werden Dehnungssensoren benötigt. Eine grundlegend neue Technologie dafür haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Bochum und Paderborn entwickelt….

Dauerlastfähige Wechselrichter

… ermöglichen deutliche Leistungssteigerung elektrischer Antriebe. Überhitzende Komponenten limitieren die Leistungsfähigkeit von Antriebssträngen bei Elektrofahrzeugen erheblich. Wechselrichtern fällt dabei eine große thermische Last zu, weshalb sie unter hohem Energieaufwand aktiv…

Partner & Förderer