Videoüberwachung: Neue Techniken und ihre Folgen

Prügeleien in der Innenstadt, Totschlag auf Bahnsteigen, Anschläge mit Kofferbomben: Solche Taten geschehen in Deutschland nicht täglich, aber auch nicht selten.

Videokameras, die das Geschehen an öffentlichen Orten filmen, wirken zwar abschreckend auf potenzielle Täter. Mit ihren Beweisbildern sorgen sie auch dafür, dass viele Täter schnell ermittelt und gefasst werden. Noch besser wäre eine „intelligente“ Videoüberwachung. Die die Polizei automatisch auf den Plan ruft, wenn eine Gewalttat noch im Gange ist.

Video-Tracking und Mustererkennung

Zwei neuartige Sicherheitstechnologien für die Videoüberwachung sind derzeit in Entwicklung: Mustererkennung und Video-Tracking.

Bei der Mustererkennung spürt ein Computer aus den Bildern einer Überwachungskamera automatisch auffällige Handlungen oder Objekte auf – er erkennt Schlägereien, einen zurückgelassenen Koffer oder einen am Boden liegenden Menschen. Umgehend macht er die Wachleute darauf aufmerksam. Die entscheiden dann, ob die Polizei zu alarmieren ist.

Video-Tracking-Systeme erlauben es, bewegte Objekte über mehrere Kameras hinweg zu beobachten und zu verfolgen – etwa den durch die Gänge einer U-Bahn-Station flüchtenden Täter.

Vier Universitäten forschen im Verbund

Unter welchen Voraussetzungen sind die neuen Techniken sinnvoll? Welche Chancen und Risiken bergen sie? Mit diesen Fragen befassen sich Sozialpsychologen, Soziologen, Ethiker und Rechtswissenschaftler von den Universitäten Würzburg, Freiburg, Potsdam und Tübingen.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Verbundprojekt MuViT (Mustererkennung und Video-Tracking), und zwar im Rahmen des Programms „Forschung für die zivile Sicherheit“, das von der Bundesregierung aufgelegt wurde.

Von der Uni Würzburg sind gleich zwei Arbeitsgruppen beteiligt; das BMBF fördert sie mit rund 400.000 Euro. Es sind Teams um die Professoren Fritz Strack (Sozialpsychologie) und Ralf Schenke (Rechtswissenschaft).

Auswirkungen der Technik auf die Menschen

Eine sozialpsychologische Arbeitsgruppe um Professor Fritz Strack und Dr. Petra Markel erforscht die Auswirkungen der neuen Techniken auf Wahrnehmung, Erleben und Sozialverhalten der Beobachteten.

Bekannt ist: Sobald sich Menschen mit Spiegeln oder Kameras konfrontiert sehen, richten sie ihre Aufmerksamkeit verstärkt auf sich selbst. Ihr Erleben und Verhalten ändert sich dadurch – zum Beispiel steigt die Bereitschaft, anderen zu helfen. Aber: Verhalten sich die Menschen auch anders, wenn sie wissen, dass sie mit den neuen Technologien beobachtet werden? Sind sie dann auch hilfsbereiter?

Hält die Überwachung die Menschen vielleicht auch von negativen Verhaltensweisen ab? Werfen sie dann zum Beispiel weniger Müll auf die Straße? Und: Wie geht es den Menschen, wenn sie wissen, dass sie überwacht werden? Sind sie gestresster, ist ihre Leistungsfähigkeit eingeschränkt? Verbinden sie die Überwachung mit einem Mehr an Sicherheit oder fühlen sie sich kontrolliert? Solche Fragen wollen die Psychologen klären, und zwar mit Probanden im Labor.

Weiteres wichtiges Ziel: Die Forscher wollen erkennen, wie die öffentliche Debatte über Vorzüge und Gefahren der Videoüberwachung die Einstellung der Menschen beeinflusst. Dabei geht es ihnen um die Faktoren, die für die Akzeptanz des neuen Systems entscheidend sind.

Kontakt: Dr. Petra Markel, T (0931) 31-82909, markel@psychologie.uni-wuerzburg.de

Rechtsprobleme durch neue Art der Überwachung

Welche Rechtsprobleme stellen sich durch die neue Art der Videoüberwachung? Wie sind sie zu lösen, wenn die Technik erst einmal im Einsatz ist? Diese Fragen will das zweite Würzburger Team um die Juristen Professor Ralf Schenke und Cornelius Held beantworten. Ziel ist es, hierzu einen Kriterienkatalog zu erarbeiten.

Einen Schwerpunkt bilden Fragen zur Grundrechtsverträglichkeit der Techniken. Vor allem das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung steht im Mittelpunkt. Betroffen könnten aber auch die allgemeine Handlungsfreiheit und der Gleichheitssatz des Grundgesetzes sein.

Dürfen auch private Unternehmen die neuen Techniken einsetzen, etwa im Großraumbüro? Wer entscheidet, nach welchen Personen und Verhaltensmustern die Videoüberwachung sucht? Fahndet der Computer nach dunkelhäutigen Männern? Schlägt das System bereits an, weil das Bewegungsmuster kranker oder behinderter Menschen vom Normaltypus abweicht? Die beiden letzteren Beispielfälle könnten Probleme mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes aufwerfen.

Kontakt:
Prof. Dr. Ralf Schenke,
T (0931) 31-88439,
schenke@jura.uni-wuerzburg.de

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Robert Emmerich idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-wuerzburg.de

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