Vererbung bei Pflanzen lässt sich nun gezielt steuern

Eine Inversion (links) bei der Ackerschmalwand (Hintergrund) lässt sich mit CRISPR/Cas rückgängig machen (Mitte), um den Austausch von Genen (rechts) im betroffenen Abschnitt wiederzubeleben. (Abbildung: Michelle Rönspies, KIT)

Wesentliche Fortschritte für die Pflanzenzüchtung verspricht eine neue Anwendung der molekularen Schere CRISPR/Cas: Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist es Forschenden um den Molekularbiologen Holger Puchta gelungen, mit CRISPR/Cas die Abfolge der Gene innerhalb eines Chromosoms zu verändern. Sie demonstrierten anhand einer weit verbreiteten Chromosomenveränderung in der Modellpflanze Ackerschmalwand weltweit erstmals, wie sich Umkehrungen der Genabfolge rückgängig machen lassen und Vererbung sich so gezielt steuern lässt. Die Ergebnisse sind in der Zeitschrift Nature Communications publiziert. (DOI: 10.1038/s41467-020-18277-z)

Wesentliche Fortschritte für die Pflanzenzüchtung verspricht eine neue Anwendung der molekularen Schere CRISPR/Cas: Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist es Forschenden um den Molekularbiologen Holger Puchta gelungen, mit CRISPR/Cas die Abfolge der Gene innerhalb eines Chromosoms zu verändern. Sie demonstrierten anhand einer weit verbreiteten Chromosomenveränderung in der Modellpflanze Ackerschmalwand weltweit erstmals, wie sich Umkehrungen der Genabfolge rückgängig machen lassen und Vererbung sich so gezielt steuern lässt. Die Ergebnisse sind in der Zeitschrift Nature Communications publiziert. (DOI: 10.1038/s41467-020-18277-z)

Vor rund 5 000 Jahren trat bei der Wildpflanze Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) eine Veränderung der genetischen Information ein, die sich weit verbreitet hat und die Wissenschaft heute stark beschäftigt. Auf dem Chromosom 4 der Pflanze kam es zu einer sogenannten Inversion: Das Chromosom brach an zwei Stellen und wurde wieder zusammengefügt; der herausgebrochene Abschnitt wurde allerdings um 180 Grad gedreht wieder eingesetzt. Dadurch kehrte sich die Reihenfolge der Gene auf diesem Chromosomenabschnitt um. Diese in der Forschung als „Knob hk4S“ bekannte Chromosomenmutation zeigt beispielhaft, dass die Evolution das Erbgut von Lebewesen nicht nur verändern, sondern teilweise auch über lange Zeit festlegen kann. „In invertierten Abschnitten kann bei der Vererbung kein Austausch von Genen zwischen homologen Chromosomen stattfinden“, erklärt der Molekularbiologe Professor Holger Puchta vom KIT.

Forschende beseitigen Hindernis für die Pflanzenzüchtung

Inversionen betreffen nicht nur die Wildpflanze Ackerschmalwand, die dank ihres kleinen und vollständig entschlüsselten Genoms und ihrer niedrigen Chromosomenzahl in der Genetik als Modellorganismus dient. Vielmehr sind Inversionen auch häufig bei Kulturpflanzen zu finden. Sie bilden ein Hindernis für die Züchtung, die ja auf Erbgutveränderungen zurückgreift, um Pflanzen möglichst ertragreich, geschmacksintensiv und widerstandsfähig gegenüber Krankheiten, Schädlingen und extremen klimatischen Bedingungen zu machen.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vom Lehrstuhl Molekularbiologie und Biochemie am Botanischen Institut des KIT unter Leitung von Puchta ist es nun erstmals gelungen, natürlich eingetretene Inversionen rückgängig zu machen. „Wir haben die Einsatzmöglichkeiten der molekularen Schere CRISPR/Cas noch einmal wesentlich erweitert“, sagt Puchta. „Wir können damit nicht nur Arme zwischen Chromosomen austauschen (http://www.kit.edu/kit/pi_2020_038_arme-zwischen-chromosomen-mit-molekularer-sch…), sondern nun auch die Abfolge der Gene innerhalb eines Chromosoms verändern. Ganz wichtig – mit unserer jetzigen Arbeit haben wir zum ersten Mal gezeigt, dass wir dadurch Vererbungsvorgänge direkt steuern können. Wir konnten so genetische Austausche in einem Bereich erreichen, wo das bisher nicht möglich war. Damit haben wir das Chromosome Engineering endgültig als eine neue Art der Pflanzenzüchtung etabliert.“

Molekulare Scheren schneiden DNA präzise

Gemeinsam mit Forschenden um Professor Andreas Houben vom Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben und Professor Paul Fransz von der Universität Amsterdam demonstrierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am KIT anhand der prominentesten natürlichen Inversion, hk4S auf dem Chromosom 4 der Ackerschmalwand, wie sich die Umkehrung rückgängig machen lässt und wie so genetische Austausche bei der Züchtung ermöglicht werden. Über die Ergebnisse ihrer Arbeit berichten sie in der Zeitschrift Nature Communications. Die Forscherinnen und Forscher halten es auch für möglich, mit CRISPR/Cas neue Inversionen zu erzeugen – ein weiterer Schritt, um bei der Pflanzenzüchtung erwünschte Eigenschaften zu kombinieren und unerwünschte zu eliminieren.

Holger Puchta gilt als Pionier des Genome Editing mit molekularen Scheren, die das natürliche Prinzip der Mutation nutzen, um die genetische Information in Pflanzen präzise zu verändern, ohne dabei fremde DNA einzubringen. Sein aktuell laufendes Projekt „Multidimensional CRISPR/Cas mediated engineering of plant breeding”, kurz CRISBREED, für das er zum zweiten Mal in Folge den renommierten Advanced Grant vom Europäischen Forschungsrat (European Research Council, ERC) erhalten hat, befasst sich mit der Neukombination von Pflanzenchromosomen mit der CRISPR/Cas-Technologie. Bei CRISPR (steht für Clustered Regularly Interspaced ShortPalindromic Repeats) handelt es sich um einen bestimmten Abschnitt auf der DNA, dem Träger der genetischen Information, bei Cas um ein Enzym, das diesen Abschnitt erkennt und die DNA genau dort schneidet, um Gene zu entfernen, einzufügen oder auszutauschen sowie Chromosomen neu zusammenzusetzen und erstmals auch die Abfolge der Gene auf ihnen zu verändern.

Originalpublikation (Open Access):

Carla Schmidt, Paul Fransz, Michelle Rönspies, Steven Dreissig, Jörg Fuchs, Stefan Heckmann, Andreas Houben & Holger Puchta: Changing local recombination patterns in Arabidopsis by CRISPR/Cas mediated chromosome engineering. Nature Communications, 2020. (DOI: 10.1038/s41467-020-18277-z)
https://www.nature.com/articles/s41467-020-18277-z

Weiterer Kontakt:
Martin Heidelberger, Redakteur/Pressereferent, Tel.: +49 721 608-41169, E-Mail: martin.heidelberger@kit.edu

Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 9 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 24 400 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.

Diese Presseinformation ist im Internet abrufbar unter: http://www.sek.kit.edu/presse.php

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