Wenn ein Treibhausgas baden geht – Wie das Erdmagnetfeld unser Klima beeinflusst

Forscher von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München haben nun einen möglichen Mechanismus entdeckt, der den Einfluss des Magnetfelds auf das Klima erklären könnte. Der Biophysiker Alexander Pazur und der Geophysiker Michael Winklhofer beobachteten, dass Meerwasser weniger Kohlendioxid aufnehmen kann, wenn die Einwirkung eines Magnetfelds schwächer ist.

Dies könnte zur Folge haben, dass mehr CO2 in die Erdatmosphäre gelangt. Kohlendioxid gilt als Treibhausgas, das zu einer möglichen Klimaerwärmung beiträgt. Zwar war die hier beobachtete CO2-Menge im Vergleich zum Kohlendioxid-Ausstoß durch den Menschen relativ gering – aber deutlich größer als etwa die Freisetzung von CO2 durch Vulkane. „Das Erdmagnetfeld hat sicher keinen allzu großen Einfluss auf die Temperaturen auf der Erde“, meint Winklhofer. „Dennoch könnte die Berücksichtigung dieses Faktors dazu beitragen, Klimamodelle zu verbessern“, sagt Winklhofer. (Geophysical Research Letters, Vol. 35, No. 16)

Bestätigung für die Theorie, dass das Erdmagnetfeld und die klimatischen Bedingungen zusammenhängen, liefern geo-archäologische und archäomagnetische Studien. So wurde beobachtet, dass in den letzten vier Jahrtausenden vor Christus abrupte Zunahmen des Erdmagnetfelds jeweils mit einer Abkühlung der Temperaturen auf der Erde einhergingen. Zudem wurde ein Zusammenhang zwischen einem stärkeren Erdmagnetfeld und kälteren Perioden seit 700 nach Christus beobachtet. Dies konnten Geowissenschaftler feststellen, indem sie archäologische Funde aus verschiedenen Zeitperioden analysierten und aus deren Magnetisierung auf die Stärke des damals vorherrschenden Magnetfelds schlossen. Weiterhin beobachten Forscher, dass die Stärke des Magnetfelds der Erde seit Beginn der Messungen vor 150 Jahren kontinuierlich abgenommen hat. Bislang war jedoch weitgehend unklar, durch welche Mechanismen das Erdmagnetfeld eine Abkühlung oder Erwärmung auf der Erde beeinflusst.

Pazur und Winklhofer untersuchten nun erstmals, wie sich das Erdmagnetfeld auf die Löslichkeit von Kohlendioxid im Meerwasser auswirkt. Kohlendioxid ist als Treibhausgas bekannt, und sein Anteil in den Ozeanen und in der Atmosphäre spielt eine wichtige Rolle für die Temperaturen auf der Erde. Die Forscher verwendeten in ihren Versuchen Meerwasser, das sie zunächst entgasten und anschließend unterschiedlich starken Magnetfeldern aussetzten, die in der Größenordnung der natürlichen zeitlichen Schwankungen des Erdmagnetfelds lagen. Dabei maßen Pazur und Winklhofer, wie viel Gas die Flüssigkeit aufnahm, wenn sie mit normaler Luft in Kontakt gebracht wurde. Die Temperatur des Meerwassers wurde während des Experiments konstant auf vier Grad gehalten.

Die Ergebnisse zeigten, dass selbst kleine Veränderungen des Magnetfelds die Löslichkeit von Gasen im Wasser verändern. „Wenn das Magnetfeld schwächer war, löste sich 15 Prozent weniger Luft im Wasser als bei einem stärkeren Magnetfeld“, erläutert Winklhofer. „Für Kohlendioxid war der beobachtete Effekt sogar doppelt so stark.“ Die Naturwissenschaftler verwendeten in ihrem Versuch ein Magnetfeld von 50 Mikro-Tesla Feldstärke, welches dem normalen Erdmagnetfeld in unseren Breitengraden entspricht, und ein Magnetfeld von 20 Mikro-Tesla, um ein abgeschwächtes Feld zu simulieren. „Wir schließen aus den Ergebnissen, dass die Stärke des Magnetfelds den Gasaustausch zwischen Ozean und Atmosphäre beeinflusst“, sagt Winklhofer.

Anhand ihrer Resultate rechneten die Wissenschaftler hoch, wie viel Prozent mehr CO2 in die Atmosphäre gelangen würde, wenn das Erdmagnetfeld um einen bestimmten Betrag abnehmen würde. Ihre Analysen zeigen, dass eine Abschwächung um ein Prozent pro Jahrzehnt dazu führen würde, dass 0,35 Milliarden Tonnen Kohlenstoff pro Jahr mehr freigesetzt werden. Dieser Effekt ist deutlich größer als der CO2-Ausstoß von Vulkanen, der bei 0,03 Milliarden Tonnen Kohlenstoff pro Jahr liegt. „Allerdings ist der Beitrag des Menschen zu den CO2-Emissionen in der Atmosphäre deutlich höher“, betont Winklhofer. „Er liegt bei sieben Milliarden Tonnen Kohlenstoff pro Jahr.“

Deshalb sei es absurd, das schwächer werdende Erdmagnetfeld für den Klimawandel verantwortlich zu machen, sagt der Geowissenschaftler. Allerdings wirke der Effekt in die gleiche Richtung wie der durch den Menschen verursachte Ausstoß und sollte deshalb in Klimamodellen Berücksichtigung finden. „Dies könnte dazu beitragen, die Genauigkeit der Vorhersagen zu erhöhen“, so Winklhofer. Der Geophysiker ist optimistisch, mit der Studie eine neue Forschungsrichtung angestoßen zu haben: „Ich denke, dass die Ergebnisse bei vielen Wissenschaftlern Interesse auslösen werden.“

Auch Winklhofer und seine Kollegen planen, den Magnetfeldeffekt in weiterführenden Studien genauer unter die Lupe zu nehmen. „Unser nächstes Ziel ist, die Bedingungen, unter denen der Effekt auftritt, systematisch und mit noch feineren analytischen Methoden zu untersuchen“, sagt der Geophysiker. „Wichtig wäre zum Beispiel, den Gasaustausch bei verschiedenen Wassertemperaturen sowie bei unterschiedlichem Salzgehalt und Säuregrad des Meerwassers zu beobachten. Außerdem sollten auch Experimente unter natürlichen Bedingungen, also direkt im Meer, durchgeführt werden.

Publikation:
„Magnetic effect on CO2 solubility in seawater: A possible link between geomagnetic field variations and climate“
Alexander Pazur and Michael Winklhofer
Geophysical Research Letters, Vol. 35, No. 16, L16710, 2008
doi: 10.1029/2008GL034288.
Ansprechpartner:
Michael Winklhofer
Department für Geo- und Umweltwissenschaften
Tel.: +49 (89) 2180-4207
Fax: 49 (89) 2180-4205
E-Mail: michael.winklhofer@geophysik.uni-muenchen.de

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Luise Dirscherl idw

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