Tiefseefisch sieht mit Spiegelaugen

Einen bei Wirbeltieren bisher unbekannten Augentyp hat der Biologe und Anatom Hans-Joachim Wagner vom Anatomischen Institut der Universität Tübingen bei einem Tiefseefisch entdeckt.

Der zwölf Zentimeter lange „Gespensterfisch“ (Dolichpteryx longipes) verfügt neben seinen Röhrenaugen zusätzlich über so genannte Spiegelaugen. Über seine Entdeckung berichtet der Forscher in der jüngsten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Current Biology.

Da es in der Tiefsee extrem dunkel ist, haben viele Tiere Leuchtorgane entwickelt. „Diese Fähigkeit wird Biolumineszenz genannt. Da die Lichtreize aber nicht sehr hell sind, sind die Augen der Tiefseefauna auf höchste Empfindlichkeit optimiert“, erklärt Wagner im pressetext-Interview. Kleine Tiere weisen aufgrund ihrer Anatomie aber nicht große Pupillen in Kugelaugen auf, sondern haben spezielle zylindrische Röhrenaugen mit Linsenoptik entwickelt. „Der große Nachteil dabei ist das eingeschränkte Gesichtsfeld, das nur einen Blick nach oben zulässt.“ Über einen solchen Sehapparat verfügt auch der Gespensterfisch. „Das Besondere daran ist jedoch, dass dies nicht der einzige Sehapparat ist, über den dieser Fisch verfügt“, erklärt der Experte. „Zusätzlich hat er nämlich eine Augenform, die bei Wirbeltieren bisher noch nie entdeckt wurde: Das Spiegelauge ist bisher nur bei wirbellosen Tieren wie etwa Jakobsmuscheln oder Krebsen bekannt gewesen.“

„Wir haben eine seitliche Aussackung des Röhrenauges gefunden, die nach unten eine durchsichtige 'Hornhaut' besitzt“, erklärt der Forscher. In mikroskopischen Serienschnitten konnten die Wissenschaftler an deren Innenwand eine sphärische Spiegelstruktur beobachten und gegenüber an der Außenwand eine Netzhaut. „Modellrechnungen haben ergeben, dass dieser Spiegel Lichtstrahlen exakt auf der Fotorezeptorebene der Retina abbildet. Dieses Spiegelauge erlaubt dem Fisch daher, auch zu sehen, was unter ihm vorgeht“, führt Wagner aus.

Die Entdeckung ist dem Forscher, der sich auf visuelle Systeme von Fischen spezialisiert hat, während einer Expedition am Tonga-Graben im Vorjahr gelungen. „Wir konnten mithilfe von speziellen Geräten lebende Fische aus der Tiefsee bergen und sie lebend beobachten, ehe wir erste Untersuchungen an Bord des Forschungsschiffs durchführten.“

Seit mehr als einem Jahr arbeiten die Tübinger Wissenschaftler nun schon an der Aufarbeitung ihrer dort gewonnenen Proben. „Ganz fertig sind wir mit der Arbeit immer noch nicht, denn nun wollen wir den Sehapparat des außergewöhnlichen Fisches auch dreidimensional genau entschlüsseln“, erklärt der Forscher. Aus den bisher gemachten Beobachtungen schließen die Wissenschaftler, dass die Evolution von Augensystemen bei Wirbeltieren weniger konservativ verlaufen ist als bisher angenommen.

Media Contact

Wolfgang Weitlaner pressetext.deutschland

Weitere Informationen:

http://www.uni-tuebingen.de

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