Stechwerkzeuge mit Hochdruckhalter erhöhen die Standzeit

Wer leichthin sagt, dass es in Deutschland nicht mehr machbar sei, Drehteile wirtschaftlich herzustellen, der sollte sich bei den mittelständischen Herstellern von Drehteilen einmal etwas genauer umschauen. Zumal pauschale Zuweisungen oftmals schlichter Ignoranz und Unwissenheit entstammen und keineswegs die Realität widerspiegeln. Bestes Beispiel dafür und auch dahingehend, dass sich der flexible Mittelstand selbst in kritischen Zeiten behaupten kann, ist die Geissler Präzisionsdrehteile GmbH in Bruchköbel.

Neue Ausrichtung erforderte Austausch des Maschinenparks

Gegründet im Jahr 1968 als klassischer Zulieferer für Automotive-Präzisionsdrehteile im Durchmesserbereich von 0,6 bis 6 mm, durchlebten die Großserienproduzenten aus Hessen in der Zeit bis 1990 alle Höhen und Tiefen ihrer Hauptauftraggeber, eben der Automobilindustrie und ihrer Zulieferer. Ein Problem war, dass sich der Betrieb damals stark auf den Sektor Automotive-Drehteile konzentrierte und deshalb auf einen entsprechenden Maschinenpark an Ringdrehautomaten setzte, was natürlich von vorneherein die Herstellung von Drehteilen für andere Segmente einschränkte. Ab 1990 wurde dann eine konsequente Verringerung der Abhängigkeit von nur einer Branche forciert und nach neuen Kunden gesucht.

Dies wiederum erforderte eine neue Ausrichtung des Maschinenparks, so dass das gesamte alte Equipment gegen CNC-Langdreh- und Ringdrehautomaten ausgetauscht wurde. Der Umstieg und die breitere Ausrichtung waren und sind bis heute von Erfolg gekrönt, denn Geissler wurde bald von verschiedenen Großkunden als strategischer Lieferant für Präzisionsserienteile ausgewählt.

Durch den Um- und Ausbau des Maschinenparks sind die Drehteile-Spezialisten heute in der Lage, Werkstücke ab Durchmesser 0,5 und bis 24 mm auf Drehautomaten und weitergehend bis 320 mm Länge auf CNC-Drehmaschinen herzustellen – und dies in Stückzahlen ab 1 und bis 140 Mio. pro Jahr. Dabei hat sich Geissler auf die Präzisionsbearbeitung von Werkstoffen wie Messing, Stählen aller Art und besonders von Rostfreimaterialien 1.4112 oder 1.4021, Titan, Bronze und Neusilber spezialisiert.

Langdrehmaschinen erhielten Hochdruckkühlsystem

Auch maschinenseitig wurde sich auf entsprechende Zerspanungsprobleme eingestellt. So hat man mehrere CNC-Langdrehmaschinen mit Hochdruckkühlsystemen ausgerüstet und kann noch leistungsfähigere Drehwerkzeuge einsetzen. Um auch kritische Teile prozesssicher im automatischen Mehrschichtbetrieb zu fertigen, sind langzeitpräzise und standfeste Hochleistungswerkzeuge erforderlich. Nach sehr guten Erfahrungen mit den Stechdreh- und Abstechwerkzeugen von Iscar war Geissler auch an der Erweiterung des Pentacut-Stechdrehwerkzeugsystems interessiert, das als eines der ersten mit einer inneren Kühlmittelzuführung und mit Anschlussmöglichkeit an Hochdruck-Kühlmittelsysteme offeriert wurde.

Als es nun darum ging, ein sehr spezielles Drehteil aus dem Nirostahl 1.4112 prozesssicher zu fertigen, stellte sich die Frage der Werkzeugausrüstung zum Stechdrehen und Abstechen. Einen Lösungsvorschlag konnte Iscar mit dem neuen Werkzeughalter für das Pentacut-Stechdrehsystem unterbreiten, der nun auch eine innere Kühlmittelzuführung hat. Zudem ist eine Version des Penta-Hochdruckhalters für Langdrehmaschinen ausgelegt.

Einsatz bis zum Aufbrauchen aller fünf Schneiden weiterverwendbar

Die Wendeschneidplatten des Pentacut-Stechdrehwerkzeugsystems haben fünf Schneiden, die von zwei Seiten geklemmt werden können. Es gibt für linke und rechte Werkzeuge einen Einsatz, so dass dieser nicht falsch eingebaut werden kann. Alle Einsatzbreiten haben dieselbe Plattensitzgröße, die Spangeometrien sind eingesintert und die Schneiden haben eine hohe Stabilität.

Nach dem Bruch einer Schneide lässt sich der Einsatz bis zum Aufbrauchen aller fünf Schneiden problemlos weiterverwenden. In der Version mit Hochdruckhalter ist das Stechdrehen oder das Abstechen noch prozesssicherer, weil eine effektive Kühlung direkt in der Schneidzone bewirkt, dass die Späne ausgespült werden, der Schneideinsatz deutlich geringeren Verschleiß erfährt, die Oberflächenqualität optimiert wird und sich die Standzeiten deutlich verbessern.

Voraussetzungen für den wirkungsvollen Einsatz der Penta-Hochdruckhalter sind lediglich ein minimaler Kühlmitteldruck von 20 bar (ideal sind 100 bar) und eine Filteranlage für das Kühlmedium. Nach intensiver Anwendung bei der Bearbeitung von problematischen Werkstoffen wie 42CrMo4, 100Cr6, Niro-stahl und Titan stellte sich heraus, dass der Hochdruckhalter im Vergleich zu Wettbewerbsprodukten vor allem dann punkten kann, wenn es Probleme mit dem Spanbruch und den Standzeiten gibt.

Kühlmedium Öl wird mit 100 bar eingebracht

Im Fall Geissler ging es um ein hochwertiges Präzisionsdrehteil für die Medizintechnik aus dem Material X90CrMoV18 (1.4112), das auf einer Drehmaschine Star SR-10J gefertigt wird. Die Bearbeitungsparameter wurden vorgegeben und sollten oder konnten nicht geändert werden. Das vorgegebene Ziel bei dieser Bearbeitung war die Erhöhung der Standmenge. Das Kühlmedium ist Öl und dieses wird mit einem Druck von 100 bar eingebracht.

Kritisch bei den Werkzeughaltern ist, das Kühlmittel nicht nur direkt an die Schneide zu bringen, sondern dort auch noch genügend Spüldruck zu haben. Aspekte wie Schaftquerschnitt, Bohrungsdurchmesser und Strahlführung sowie Pumpenleistung sind wichtig für das ideale Druckverhältnis, den Austrittsdruck und das austretende Volumen des Kühlmittels. Dies beeinflusst maßgebend die Kraft, mit der der Span umgeformt wird.

Prozesssicheres Arbeiten während der Nachtschicht möglich

Mit Hilfe des Penta-Hochdruckhalters konnte Geissler das Standzeitproblem abarbeiten. Die Präzisionsteile werden in Toleranzen von ±1/100 mm mit den Schnittparametern vc = 50 m/min (2500 min—1), ap = 3 mm (Abstechen) und f = 0,02 mm prozesssicher hergestellt. Konnten früher mit konventionellen Werkzeugen pro Schneide maximal 2500 Stück gefertigt werden, so ist es mit dem Pentacut-Werkzeugsystem plus dem Hochdruckhalter heute ein Vielfaches pro Schneide. Dadurch kann Geissler nun auch prozesssicher ohne Probleme während der Nachtschicht arbeiten.

Marco Axtmann ist Produktverantwortlicher Drehen bei der Iscar Germany GmbH in Ettlingen. Edgar Grundler ist Fachjournalist in Allensbach.

Media Contact

Rüdiger Kroh MM MaschinenMarkt

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