Spritzguss mit Köpfchen

Ob Brillenscharniere, chirurgische Instrumente oder Elemente für Herzklappenprothesen – Bauteile aus Metall können winzig sein. Seit einigen Jahren setzen Hersteller solcher komplexer geometrischer Bauteile auf eine spezielle Fertigungstechnologie: den Metallpulverspritzguss. Doch bei der Produktion kann auch einmal etwas schief gehen. Defekte kann man jedoch erst nach dem Sintern am fertigen Bauteil erkennen, also am Ende der Prozesskette. Für eine Nachbesserung oder Reparatur ist es dann aber meist zu spät.

Forscher vom Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM streben jetzt die Null-Fehler-Produktion an. Die Idee: Ein System soll während der Formgebung sämtliche Parameter wie Gewicht, Druck und Temperatur überwachen und eine Aussage über die Bauteil-Qualität treffen können. »Fehler, Maßabweichungen oder Defekte wie Risse, Verzug sowie Hohlräume registriert man so schon während der Fertigung«, sagt Dr. Thomas Hartwig, Projektleiter am IFAM. »Darauf kann der Hersteller sofort reagieren und die entsprechenden Einstellungen ändern.« Nach einer in einem ersten Schritt erforderlichen Trainingsphase ändert das System die Parameter auf Wunsch sogar selbstständig. Die technische Unterstützung liefert ein neuronales Netzwerk. Ein solches haben die IFAM-Ingenieure gemeinsam mit der Firma algorithmica technologies für den Metallpulverspritzguss entwickelt. »Diesem liegen hochkomplexe Algorithmen zugrunde,« erklärt Hartwig. »Das neuronale Netz hat – verglichen mit bisheriger Software – den Vorteil, dass es selbstlernend ist.« Es kann nach einer kurzen Trainingsphase sämtliche Messdaten in der Anlage interpretieren und sie in einen Zusammenhang bringen, der ohne dieses Netz womöglich nicht erkannt würde. Eingebaut in die Prozessregelungssysteme erhält der Hersteller alle relevanten Informationen: Etwa welches Gewicht das Bauteil am Ende haben wird, wenn man an der einen Stelle der Prozesskette den Druck, an der anderen die Temperatur ändert.

»Mit neuronalen Netzen wollen wir den Ausschuss mindestens halbieren«, sagt Hartwig. »Das spart den Herstellern hohe Kosten, denn die Ausgangsmaterialien sind sehr teuer. Bisher produzieren die Unternehmen über Tage hinweg Ausschuss, bevor das Bauteil den Qualitätsanforderungen genügt.« Zudem könnten neuronale Netze irgendwann die Qualitätsprüfung hinfällig machen und auch in anderen Serienverfahren wie beim Druckguss in der Leichtmetallindustrie verwendet werden. Bislang haben die Forscher mit Hilfe der neuronalen Netze ein Testbauteil produziert und sind jetzt auf der Suche nach Partnern aus der Industrie.

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Dr. Thomas Hartwig Fraunhofer Mediendienst

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