Simulationsstudie "Ersetzendes Scannen": Die Papierablage ist ein Auslaufmodell

Zwei Tage lang wurden dazu in Nürnberg insgesamt 14 Gerichtsverhandlungen simuliert. In der Mehrzahl der Fälle entschieden die Richter, dass eine elektronische Kopie als Beweis ausreicht, wenn sie richtig eingescannt und je nach Dokumentenklasse eventuell noch digital signiert ist.

„Das Relikt Papierablage kann vor dem Hintergrund unserer Studie in Zukunft hoffentlich bald über Bord geworfen werden“, zeigt sich Prof. Alexander Roßnagel vom Institut für Wirtschaftsrecht der Universität Kassel zuversichtlich. „Für Millionen von Unternehmen – insbesondere für den Mittelstand – bedeutet das künftig eine enorme Entlastung bei der Einhaltung der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen.“

Interessant in diesem Zusammenhang könnte insbesondere das Fazit von Ulrich Schwenkert, Vorsitzender Richter am Finanzgericht Berlin-Brandenburg, sein, der im Rahmen der Studie die finanzgerichtlichen Streitfälle zu klären hatte: „Im Regelfall dürften selbst die eigenhändig ohne besondere Vorkehrungen eingescannten Belege nicht zu einem Rechtsnachteil führen.“ In der finanzgerichtlichen Praxis werde sehr häufig mit Belegkopien gearbeitet, ohne dass die Vorlage des Originals gefordert sei. „Dies muss auch für digitale Kopien gelten“, meint Schwenkert.

Elektronisch oder Papier ist nicht die Frage

Für Richter und Rechtsanwälte ist der Umgang mit elektronischen Belegen inzwischen kein Problem mehr. Ob ein Fall gewonnen oder verloren wird, hängt nicht an der Frage, ob das Beweismittel digital oder in Papierform vorliegt. Wichtiger als der Scan selbst ist die Vor- und Nachbereitung, also die Frage, mit welchen Mitteln der Beleg vor Manipulation geschützt wird. Entsprechend erhöht ein sicherer Scan- und Ablageprozess grundsätzlich den Beweiswert. Um für zivilrechtliche Streitfälle, in denen um Verträge, Rechnungen oder Quittungen gestritten wird, gerüstet zu sein, empfiehlt sich ein entsprechendes Verfahren in jedem Fall. Wenn etwa Vertragsoriginale vernichtet werden, sollte die elektronische Kopie zumindest eine automatisch erstellte elektronische Signatur enthalten.

Wichtiger Beitrag für eine juristische Beurteilung

Eine umfassende Rechtssicherheit kann die Simulationsstudie zwar nicht schaffen, doch alle Beteiligten erwarten, dass die aus ihr hervorgegangenen Referenzurteile Vorbildwirkung entfalten. „Da sie in der Fachwelt ernst zu nehmende Einschätzungen dafür sind, ob das jeweils zugrunde liegende Verfahren als rechtssicher zu bewerten ist, bilden die Urteile einen wichtigen Beitrag für eine juristische Beurteilung zum Ersetzenden Scannen“, ist Michael Seyd überzeugt, der bei der DATEV als Mitglied der Geschäftsleitung für die strategische Unternehmensentwicklung verantwortlich ist. „Bei einem sorgfältigen Umgang und entsprechender organisatorischer Gestaltung ist es künftig möglich, zumindest unterschriftslose Belege nach einem sicheren Scan und sicherer elektronischer Archivierung zu vernichten, ohne dabei den Beweiswert zu beschneiden.“

Simulationsstudien sind ein gängiger Weg, um in Themenfeldern, in denen es noch keine Urteile aus der Praxis gibt, stichhaltige Argumente für die juristische Diskussion zu liefern. In der Nürnberger Studie wurden unter verschiedenen Gesichtspunkten realitätsnahe Streitfälle verhandelt, bei denen sich eine Partei ausschließlich auf elektronische Kopien ursprünglicher Papierbelege berief, die unter Einsatz unterschiedlicher Technik und organisatorischer Vorgaben erzeugt wurden.

Kontakt:
Prof. Dr. Alexander Roßnagel
Universität Kassel
Fachgebiets Öffentliches Recht mit dem Schwerpunkt Recht der Technik und des Umweltschutzes
Telefon: 0561 804-3130
E-Mail: a.rossnagel@uni-kassel.de
Benedikt Leder
DATEV eG
Tel.: +49 911 319-1246
E-Mail: benedikt.leder@datev.de

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