Pflegeheime: Die Bilanzen stimmen, aber Fachkräfte fehlen

Das ist eines der Ergebnisse des „Pflegeheim Rating Report 2011 – Boom ohne Arbeitskräfte?“ von RWI, ADMED GmbH und HCB GmbH. Er zeigt zudem, dass die Zahl der Pflegebedürftigen ebenso wie die Zahl der Pflegeheime in den vergangenen Jahren weiter gestiegen ist. Obwohl sich die wirtschaftliche Lage der Pflegeheime seit 2006 leicht verschlechtert hat, liegt ihre durchschnittliche Ausfallwahrscheinlichkeit mit 1,1% weiter unter der von Krankenhäusern und Rehakliniken.

In deutschen Pflegeheimen fehlen immer mehr Pflegefachkräfte. Dies ist eines der Ergebnisse des aktuellen „Pflegeheim Rating Report 2011“, in dem RWI, ADMED GmbH und Institute for Health Care Business GmbH (HCB) zum dritten Mal die derzeitige und zukünftige Situation des deutschen Pflegemarkts untersucht haben. Demnach lag die Zahl der gemeldeten offenen Stellen für Pflegefachkräfte bei Heimen im März 2011 mehr als doppelt so hoch wie vier Jahre zuvor. Bis zum Jahr 2030 werden voraussichtlich in der ambulanten und stationären Pflege zwischen 120.000 und 175.000 zusätzliche Pflegefachkräfte benötigt. 2009 waren in beiden Bereichen 272.000 Fachkräfte beschäftigt.

Um dem zu erwartenden Mangel an Pflegefachkräften entgegenzuwirken, gilt es, den Pflegeberuf attraktiver zu machen. Ziel sollte es sein, dass im Pflegebereich mehr Fachkräfte Vollzeit und über einen längeren Zeitraum arbeiten. Zudem sollten mehr Auszubildende gewonnen werden. Hierfür sind neben höheren Löhnen für qualifiziertes Personal auch „weiche“ Faktoren wie weniger Bürokratie, eine gute Führungskultur, höheres gesellschaftliches Ansehen des Berufs sowie bessere Karrieremöglichkeiten nötig. Darüber hinaus sollte die Zuwanderung qualifizierter Pflegefachkräfte aus Nicht-EU-Ländern deutlich erleichtert werden.

Soziale Pflegeversicherung: Ohne Entlastungen drohen steigende Beitragssätze

Mit den Personalkosten werden voraussichtlich auch die Kosten für die Pflegeleistungen weiter steigen. Das belastet wiederum die Soziale Pflegeversicherung (SPV), deren Kapitalreserven bis Ende dieses Jahrzehnts aufgebraucht sein dürften. Um zu stark steigende Beitragssätze zu vermeiden, sollten Einnahmen- und Ausgabenseite verbessert werden. Die Einnahmenseite könnte beispielsweise durch eine höhere Erwerbsquote von älteren Menschen und von Frauen gestärkt werden. Zudem sollte eine kleine obligatorische, kapitalgedeckte, private Zusatz-Pflegeversicherung eingeführt werden. Um die Ausgabenseite zu entlasten, könnte die Hürde zur Zahlung von Leistungen der SPV angehoben werden. Darüber hinaus könnte eine Karenzzeit eingeführt werden, während der die SPV trotz offizieller Pflegebedürftigkeit noch nicht zahlt.

Zahl der Pflegeheime erreichte 2009 neuen Höchstwert

Insgesamt wird der deutsche Pflegemarkt weiter von steigenden Zahlen bestimmt. Sein Anteil am deutschen Gesundheitsmarkt hat sich zwischen 1997 und 2009 überdurchschnittlich von 8,6% auf 11% erhöht. Das Marktvolumen der ambulanten und stationären Pflege betrug 2009 rund 30 Milliarden Euro, von den rund 2,34 Millionen pflegebedürftigen Menschen wurden 749.000 stationär, 555.000 ambulant und die übrigen durch Angehörige betreut. Die Zahl der Pflegeheime erreichte 2009 mit 11.634 einen neuen Höchstwert, die Zahl der Pflegeplätze stieg auf 845.000.

Zwar hat sich die wirtschaftliche Lage der Pflegeheime seit 2006 leicht verschlechtert, ihre durchschnittliche Ausfallwahrscheinlichkeit liegt mit 1,1% aber weiter unter der von Krankenhäusern und Rehakliniken. Im Jahr 2009 befanden sich 14% der Pflegeheime im „roten“ Bereich mit erhöhter Insolvenzgefahr, 69% im „grünen“ Bereich und der Rest dazwischen. Für die Studie wurden Daten der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder und Jahresabschlüsse von 1 700 Pflegeheimen ausgewertet. Erstmals konnten außerdem Pflegenoten aus den Transparenzberichten von 5 000 Heimen im Detail ausgewertet werden. Dabei zeigt sich, dass Heime mit hohem Preisniveau bessere Pflegenoten erzielen, also eine bessere Qualität bieten.

Besonders stark konnte die ambulante Pflege zulegen, ihr Anteil an allen Pflegefällen stieg zwischen 1999 und 2009 von 20,6% auf 23,7%. Dies ist wohl auch darauf zurückzuführen, dass die Pflegeversicherung ihre Pflegesätze für Leistungen der ambulanten Dienste seit 2008 überproportional erhöht hat. Zugenommen hat auch der Anteil der Pflegebedürftigen, die in einer privaten Einrichtung versorgt werden. Er stieg zwischen 1999 und 2009 in ambulanten Diensten von 35,6% auf 47,0%, in Pflegeheimen von 25,4% auf 33,8%. Dabei sind Heime in privater Trägerschaft durchschnittlich kostengünstiger bei mindestens ebenso guter Pflege- und Servicequalität. Regional gesehen ist die wirtschaftliche Lage der Pflegeheime in den ostdeutschen Bundesländern am besten, während Schleswig-Holstein/Hamburg, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz/Saarland am schlechtesten abschneiden. Insgesamt hat die Qualitätstransparenz der Pflegeheime zugenommen, dies geht allerdings mit größeren Berichtspflichten und damit mehr Bürokratie einher.

Zahl der Pflegebedürftigen und Pflegeplätze wird weiter steigen

Die Alterung der deutschen Gesellschaft wird in den kommenden Jahren anhalten. Entsprechend ist bis 2020 mit 2,9 Millionen bzw. bis 2030 mit 3,4 Millionen Pflegebedürftigen zu rechnen, was gegenüber 2009 einem Anstieg von 24% bzw. 43% entspricht. Damit verbunden ist voraussichtlich ein zusätzlicher Bedarf von 230.000 bis 440.000 stationären Pflegeplätzen bis 2030. Die dafür erforderlichen Neu- und Re-Investitionen belaufen sich auf 60 bis 80 Milliarden Euro. Um diesen Kapitalbedarf zu decken, ist auch privates Kapital nötig. Dieses wird jedoch erfahrungsgemäß nur bei risikogerechter Verzinsung bereitgestellt. Im Jahr 2009 erreichte nur ein Drittel der Pflegeheime einen ausreichend hohen Ertrag, um damit auch ohne Fördermittel voll investitionsfähig zu sein. 51% gelang dies nicht, die übrigen 16% waren bei etwas abgemilderten Annahmen zu den Kapitalkosten schwach investitionsfähig.

Um den Pflegemarkt effizienter zu machen, sollten Wettbewerbsverzerrungen beseitigt werden. Es sollten beispielsweise keine Investitionsfördermittel mehr vergeben werden, auch nicht an ausgewählte Pflegeheime. Statt der Pflegesatzverhandlungen sollte der Gesetzgeber lediglich Mindestnormen zur Pflege vorgeben und übermäßige Preiserhöhungen nach Vertragsabschluss unterbinden. Zudem sollten die länderspezifischen Heimgesetze vereinheitlicht und verschlankt werden.

Ihre Ansprechpartner:
Dr. Boris Augurzky (RWI) Tel.: (0201) 8149-203
Dr. Sebastian Krolop (ADMED GmbH) Tel.: (02238) 475-300
Sabine Weiler (Pressestelle RWI) Tel.: (0201) 8149-213
Dieser Pressemitteilung liegt die Studie „Pflegeheim Rating Report 2011 – Boom ohne Arbeitskräfte?“ zugrunde. Das Executive Summary ist unter www.rwi-essen.de/presse/ oder www.admed.com als pdf-Datei erhältlich. Die komplette Studie kann für 240 Euro inkl. 7% MwSt. beim RWI, der ADMED GmbH oder der HCB GmbH bestellt werden.

RWI Essen, ADMED GmbH und HCB GmbH haben gemeinsam bereits mehrere Gutachten im Gesundheitsbereich erstellt, in jüngster Zeit unter anderem den „Krankenhaus Rating Report 2011“.

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