Ökonophysik: Suchanfragen bei Google und Aktienhandel korrelieren

Die Finanzmärkte und das Internet als soziales Netzwerk sind eng miteinander verknüpft. Zu diesem Schluss kommt Dr. Tobias Preis vom Institut für Physik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz in einer Untersuchung, die den Aktienhandel mit der Stichwortsuche im Internet vergleicht.

„Es hat uns interessiert, ob wir zwischen dem Aktienvolumen an der Börse und der Stichwortsuche bei Google einen direkten Zusammenhang feststellen können“, erklärt Preis. In seiner Arbeit hat er verglichen, wie das Handelsvolumen der 500 US-Unternehmen, die in dem Börsenindex S&P 500 vertreten sind, mit der Google-Suche nach dem entsprechenden Unternehmensnamen zusammenhängt.

Für die Jahre 2004 bis 2010 zeigte sich, so das Ergebnis, eine enge Korrelation zwischen den beiden Größen. Die Arbeit wurde in der jüngsten Ausgabe des Fachmagazins Philosophical Transactions of the Royal Society A veröffentlicht. Die Grundlagen für die Untersuchung liefert ein relativ junges Fachgebiet: die Ökonophysik, die Tobias Preis in einem neuen, im Gabler Verlag erschienen Buch vorstellt.

„Die Internetnutzung und die Finanzmärkte können als ein komplexes System vieler interagierender Untergruppen aufgefasst werden, die auf äußere Veränderungen schnell reagieren“, sagt Preis. Internetnutzer geben rund um die Welt täglich mehrere hundert Millionen Suchanfragen ein. Bei Google wird seit 2004 darüber Statistik geführt. Tobias Preis und Daniel Reith haben in Zusammenarbeit mit Prof. H. Eugene Stanley (Boston University, USA) die wöchentlichen Daten mit den Fluktuationen am Finanzmarkt – den Aktienkursen und Handelsvolumina ebenfalls auf Wochenbasis – verglichen. Sie haben sowohl einzelne Aktien als auch die Entwicklung aller im S&P 500 Index gelisteten Unternehmen insgesamt untersucht. Während zwischen Kursentwicklung und Veränderung der Stichwortanzahl kein nennenswerter Zusammenhang zu finden ist, zeigen das Handelsvolumen der Aktien und die Veränderung der Google-Stichwortanzahl eine klare Korrelation.

„Man könnte sagen, dass das Suchvolumen die aktuelle Attraktivität, eine Aktie zu handeln, widerspiegelt. Aber es scheinen weder Kauf- noch Verkaufaktionen bevorzugt zu werden“, sagt Reith. Nach Auffassung der Autoren ist es wichtig, die Mechanismen und Abhängigkeiten aufzudecken, die zum Verständnis von Finanzmarktkrisen beitragen. „Eine effektive Krisenbeobachtung könnte zur Stabilität unserer Finanzsysteme beitragen“, so die Einschätzung.

Die Untersuchung der Finanzmärkte mit Instrumenten aus der Physik hat Tobias Preis im Jahr 2005 begonnen. Die Ökonophysik ist eine recht junge Disziplin, deren Anfänge auf Louis Bachelier zurückgehen, einen französischen Mathematiker, der im Jahr 1900 seine Doktorarbeit „Theorie der Spekulation“ vorgelegt hat und damit als Begründer der Finanzmathematik gilt. In seinem Buch „Ökonophysik“ zeigt Preis die Geschichte dieses Faches auf und beschreibt den Ansatz, Methoden aus der statistischen Physik auf das komplexe System des Finanzmarktes anzuwenden und damit ökonomische Phänomene qualitativ und quantitativ zu modellieren.

Veröffentlichungen:

Tobias Preis, Daniel Reith and H. Eugene Stanley
Complex dynamics of our economic life on different scales: insights from search engine query data
Philosophical Transactions of the Royal Society A 368, 5707-5720
doi: 10.1098/rsta.2010.0284
Tobias Preis
Ökonophysik – Die Physik des Finanzmarktes
Gabler Verlag, 2011, 212 Seiten
ISBN: 978-3-8349-2671-5

Media Contact

Petra Giegerich idw

Weitere Informationen:

http://www.tobiaspreis.de/

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