Oberflächenphysik: Weg von der Insel

Bei heterogen katalysierten Reaktionen, die an der Grenzfläche zwischen einem Festkörper und der Gasphase ablaufen, müssen die gebildeten Produkte am Ende von der Oberfläche des Festkörpers desorbieren. Dies ist zum Beispiel beim Abgaskatalysator eines Autos der Fall.

Einer Gruppe von Wissenschaftlern um Professor Joost Wintterlin von der LMU, Professor Sebastian Günther von der TUM und Dr. Andrea Locatelli vom Syncrotron Elettra in Triest ist es erstmals gelungen, einen solchen Desorptionsvorgang mikroskopisch sichtbar zu machen. Ihre Ergebnisse erklären, warum bisherige Berechnungen von Desorptionsraten häufig fehlerhaft sind. Darüber berichten sie aktuell in der Fachzeitschrift Nature Communications.

Bei der heterogenen Katalyse werden Moleküle durch eine chemische Reaktion auf der Oberfläche eines Metalls, eines Oxids oder eines anderen Festkörpers gebildet und verlassen dann die Oberfläche. Bisher galt dieser letzte Schritt, im Gegensatz zu den komplizierten anderen Oberflächenprozessen, als relativ einfach.

Die Moleküle nehmen demnach thermische Energie vom Festkörper auf und desorbieren, sobald diese Energie die Bindungsenergie an die Oberfläche übersteigt, in einem rein statistischen Prozess, der nur von der Anzahl der Moleküle abhängt. „In einer Vielzahl von Fällen stimmen die nach diesem Modell berechneten Desorptionsraten aber nicht mit den gemessenen überein“, sagt Joost Wintterlin.

Darstellung im Nanometerbereich

Günther, Wintterlin und ihre Kollegen konnten mit ihren Untersuchungen nun zeigen, dass die räumliche Verteilung der Moleküle bei der Desorption wichtig ist. Für ihre Experimente nutzte das Forscherteam ein sogenanntes LEEM (LEEM steht für „low energy electron microscopy“), mit dem Oberflächen mit einer Auflösung im Nanometerbereich abgebildet werden können.

Das LEEM funktioniert ähnlich wie ein normales Elektronenmikroskop, nur werden die energiereichen Elektronen, kurz bevor sie auf die Probenoberfläche treffen, auf niedrige Energien abgebremst. Mit dieser Mikroskopietechnik gelang es den Forschern, die Desorption von Sauerstoff von einer Silberoberfläche zu verfolgen.

„Es zeigte sich, dass die Sauerstoffschicht bei der Desorption in viele kleine Inseln zerfällt“, sagt Sebastian Günther. Die Atome desorbieren ausschließlich von den Rändern dieser Inseln, deren Größenverteilung von der Vorbehandlung des Silberkristalls abhängt. „Solche Effekte erklären die scheinbar unverständliche Desorptionsrate. Sie spielen vermutlich auch bei vielen anderen Desorptionsprozessen von Oberflächen eine Rolle und könnten unsere Vorstellungen von den Vorgängen auf Katalysatoroberflächen verändern“, sagt Günther.

Publikation:
Sebastian Günther, Tevfik Onur Menteş, Miguel Angel Niño, Andrea Locatelli, Sebastian Böcklein, Joost Wintterlin
Desorption kinetics from a surface derived from direct imaging of the adsorbate layer
In: Nature Communications Mai 2014, doi:10.1038/ncomms4853

http://physchem.cup.uni-muenchen.de/wintterlin/index.php?id=4

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Luise Dirscherl idw - Informationsdienst Wissenschaft

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