Auf den Nanometer genau

Drahtkugel-Modell eines Partikels, das in seine modellierte Aufnahme im Rasterelektronenmikroskop übergeht. Das neue Messverfahren basiert auf einem mathematisch-physikalischen Modell der Wechselwirkung von Elektronen mit dem gemessenen Partikel. Die Berechnung des Detektorsignals am Computer ermöglicht eine geringe Messunsicherheit an der Partikelkante. Abbildung: PTB<br>

„Nano“ ist überall: vom Deodorant über wasserabweisende Oberflächen bis hin zu harten und transparenten Lacken. Umso wichtiger, dass die Messgeräte, die bei der Produktion solcher winziger Teile eingesetzt werden, sorgfältig kalibriert sind. Die dafür notwendigen Referenzmaterialien produziert unter anderem das Institute for Reference Materials and Measurements (IRMM) der EU im belgischen Geel.

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) wurde nun zum zweiten Mal mit einem ihrer Verfahren in den exklusiven Klub der Messinstitute aufgenommen, die am Prozess der Charakterisierung der Referenzproben des IRMM von Nanomaterialien beteiligt sind. Diese Zertifizierung gilt als EU-Qualitätsstempel für genaue und zuverlässige Messungen.

Das Prinzip der Charakterisierung: Das IRMM schickt seine Proben an verschiedene Messlabore und ermittelt anschließend aus den Ergebnissen den Referenzwert, den Kunden aus der Industrie für die Kalibrierung ihrer eigenen Messsysteme heranziehen. Auch an der Charakterisierung des gerade erschienenen Nanosilber-Referenzmaterials der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) hat die PTB mitgewirkt.

Größe ändert alles: In der Nanowelt haben Partikel mit einer Ausdehnung von wenigen millionstel Millimetern plötzlich ganz andere physikalische und chemische Eigenschaften als größere Partikel des gleichen Materials. Diese besonderen Eigenschaften des Kleinen machen sich Menschen schon seit Jahrhunderten zunutze. So geht zum Beispiel das rote Glas von Kirchenfenstern und kunstvollen Römer-Kelchen auf einen Nano-Effekt zurück: Gold-Nano-Partikel einer bestimmten Größe in einer klaren Lösung (oder eben in Glas) streuen Licht so, dass das Material rot gefärbt wird.

Anders als damals sind die Prinzipien hinter diesem Phänomen heute bekannt. Die Größe ist entscheidend. Eine Fülle von Nano-Effekten wird mittlerweile in der Industrie genutzt, von wasserabweisenden Oberflächen über geruchsunterdrückende Deodorants bis zu harten und transparenten Lacken. Weil die Eigenschaften der Nanopartikel von ihrer Größe abhängen, ist die genaue Messung dieser winzigen Körper besonders wichtig.

Zur Kalibrierung von Nanomessgeräten stellt das IRMM seinen Kunden in der Industrie Referenzmaterialien zur Verfügung. Dabei handelt es sich um Proben von Nanopartikeln, die zuvor charakterisiert, also exakt gemessen wurden. Über die Abweichung von diesen bekannten Werten können andere Messgeräte später kalibriert werden.

Das in der Arbeitsgruppe von Dr. Egbert Buhr in der PTB entwickelte Messverfahren basiert auf der Kombination eines Rasterelektronenmikroskops mit Transmissionsmodus und einer Computer-gestützten Monte-Carlo-Simulation zur Berechnung des Detektorsignals. Auf diese Weise wird selbst an den schwer zu bestimmenden Partikelkanten eine ausgezeichnete Genauigkeit erreicht. (Zur genauen Funktionsweise des Messverfahrens siehe die entsprechende Presse-Information der PTB vom 4. Juni 2010: http://www.ptb.de/de/aktuelles/archiv/presseinfos/pi2010/pitext/pi100604.html).

Diese Genauigkeit wurde der PTB nicht nur über die Zertifizierung des IRMM bestätigt, sondern auch im Rahmen von internationalen Vergleichsmessungen, deren Ergebnisse demnächst veröffentlicht werden. Projektleiter Buhr zeigt sich zufrieden: „Wir messen auf einen Nanometer genau – und das bei Partikelgrößen bis hinunter zu 7 nm.“

Nano-Messtechnik in der PTB

Nicht nur die Arbeitsgruppe von Egbert Buhr beschäftigt sich in der PTB mit dem Winzigen. Während das hier vorgestellte Verfahren es ermöglicht, einzelne Partikel zu messen, misst die Arbeitsgruppe um Michael Krumrey am PTB-Institut Berlin mithilfe von Röntgenstrahlung die Dicke von Nano-Schichten sowie den mittleren Durchmesser und die Verteilungsbreite von Nanopartikeln in Suspension. Auch dieses Verfahren wurde bereits vom IRMM zertifiziert und für die Charakterisierung von Referenzmaterialien der BAM herangezogen. Darüber hinaus beteiligt sich die PTB am Nano-Labor LENA, das derzeit an der Technischen Universität Braunschweig entsteht.

Gemeinsam mit dem Bundesamt für Materialforschung und -prüfung, dem Umweltbundesamt und weiteren Bundesbehörden für Arbeitsschutz und Risikobewertung hat die PTB außerdem eine Forschungsstrategie für Nanotechnologie erarbeitet. Seit März dieses Jahres liegt dazu eine Bilanz vor, die Chancen und Risiken von mehr als 80 Projekten aus der Nanoforschung bewertet. Das Dokument kann hier heruntergeladen werden:
http://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Gesundheit_Chemikalien/
ntfostra_bf.pdf
Ansprechpartner
Dr. Egbert Buhr, Arbeitsgruppe 4.22 Quantitative Mikroskopie, Tel. (0531) 592- 4200, E-Mail: egbert.buhr@ptb.de
Dr. Carl Georg Frase, Arbeitsgruppe 5.24 Modellierung Rastermikroskopie, Tel. (0531) 592-5186, E-Mail: carl.g.frase@ptb.de

Tobias Klein, Arbeitsgruppe 1.12 Waagen, Tel. (0531) 592-1145, E-Mail: tobias.klein@ptb.de

Wissenschaftliche Veröffentlichungen

T. Klein: Rückgeführte, hochgenaue Größenmessung von Nanopartikeln im Transmissionsmodus eines Rasterelektronenmikroskops. Kumulative Dissertation zur Erlangung des Grades des Doktors der Naturwissenschaften an der Universität des Saarlandes. (Publikation in Vorbereitung)

T. Klein, E. Buhr, C.G. Frase: TSEM – a Review of Scanning Electron Microscopy in Transmission Mode and its Applications, Advances in Imaging and Electron Physics, Volume 171, 297-356 (2012)

Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB)

In Braunschweig und Berlin kommt die Zeit aus Atomuhren, erstrecken sich Längen bis weit hinab in die Nanowelt, forschen die Wissenschaftler an grundlegenden Fragen zu den physikalischen Einheiten und die Mitarbeiter in den Laboratorien kalibrieren Messgeräte für höchste Genauigkeitsansprüche. Damit gehört die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (an ihren Standorten Braunschweig und Berlin) zu den ersten Adressen in der internationalen Welt der Metrologie. Als das nationale Metrologieinstitut Deutschlands ist die PTB oberste Instanz bei allen Fragen des richtigen und zuverlässigen Messens. Sie ist technische Oberbehörde des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) und beschäftigt an den beiden Standorten Braunschweig und Berlin insgesamt rund 1800 Mitarbeiter.

Weitere aktuelle PTB-Nachrichten

Geringe Radon-Konzentrationen erstmals genau messbar (24. Juli)
PTB lädt zu Tagung über Energy Harvesting (18. Juli)
Optisch lenkbare Terahertz-Quelle (27. Jun.)
Präzise Dickenmessung weicher Materialien mit Tastschnittgeräten (10. Jun.)
Die Nachrichten finden Sie direkt auf der PTB-Homepage: http://www.ptb.de
Johannes Kaufmann
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB)
Bundesallee 100
38116 Braunschweig
Tel. 0531-592-9328
Fax 0531-592-3008
E-Mail: johannes.kaufmann@ptb.de

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