Materialchemie für Energie- und Ressourcennutzung

Noch nie waren Festkörperchemiker so gefragt wie heute. Sie sollen Lösungen für zahlreiche Aufgabenstellungen finden, die mit der Energiewende verbunden sind. Ihr Wissen und ihre Fertigkeiten werden für die Entwicklung verbesserter Solarzellen oder die effizientere Speicherung elektrischer Energie benötigt.

Die Fachgruppe Festkörperchemie und Materialforschung der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) hat daher ihre Tagung unter den Titel „Materialchemie für Energie- und Ressourcennutzung“ gestellt und sehr renommierte Vortragende wie Susan Kauzlarich von der University of California, Davis, hierzu vom 17. bis 19. September nach Darmstadt eingeladen. Dieses Thema geht Viele an, wie auch die zahlreichen Unterstützer dieser Konferenz aus Universität und Wirtschaft zeigen. Die TU Darmstadt und ihr Energy Center, aber auch die Unternehmen BASF, DAW-Caperol, Merck, STOE, HEAG, Evonik und L.O.T. sowie die Deutsche Forschungsgemeinschaft und der Fonds der Chemischen Industrie zeigen ihr Engagement.

Der Starck-Promotionspreis für Festkörperchemie und Materialforschung geht an zwei Nachwuchswissenschaftler und einer der bekanntesten deutschen Wissenschaftler auf dem Gebiet der chemischen Energieforschung, Professor Dr. Ferdi Schüth, Direktor am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim/Ruhr, wird mit dem Wilhelm-Klemm-Preis ausgezeichnet. Professor Dr. Armin Reller, Augsburg, spricht über die Kritikalität von Ressourcen für Zukunftstechnologien.

Das Organisationskomitee unter Leitung von Professor Dr. Barbara Albert, Festkörperchemikerin an der TU Darmstadt und derzeit auch GDCh-Präsidentin, hat sechs Plenarvortragende zu verschiedenen Arbeitsfeldern der chemischen Energieforschung gewinnen können. So befasst sich Professor Dr. Margret Wohlfahrt-Mehrens vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung, Ulm, mit neuen Materialien für die Lithium-Ionen-Batterien, um diese langlebiger, effizienter und sicherer zu machen. Neue Antriebskonzepte für Automobile erfordern dies ebenso wie die zwischenzeitliche Speicherung erneuerbarer Energien.

Seit im Jahr 1991 die Lithium-Technologie auf den Markt gelangte, wurden Verbesserungen an den Batteriesystemen vor allem durch Optimierung der Zellkomponenten und des Zellenaufbaus erreicht, weniger durch Änderungen der Chemie in den Zellen. Die Optimierung der Elektroden-Mikrostrukturen und der Packungsdichte der Zellkomponenten stößt nun an Grenzen. Nun ist die Chemie gefordert, wobei bei der Entwicklung neuer Materialien die Verfügbarkeit und Kosten der eingesetzten Rohstoffe sowie Umwelt- und Sicherheitsaspekte eine große Rolle spielen. Untersucht auf Tauglichkeit werden u.a. Lithiumoxide und phosphate, in deren Strukturen Metalle wie Nickel, Mangan, Cobalt, Aluminium, Eisen und Chrom enthalten sind. Zusammensetzung und Struktur sind vielfältig variierbar. Ein Durchbruch in der Forschung wäre schon bald denkbar.

Die Forschung an neuen Materialien für Batterien, Brennstoffzellen oder Superkondensatoren bedarf herausragender analytischer Methoden, um die chemischen Abläufe in Elektroden und Elektrolyten sowie an deren Grenzschichten zu ermitteln. Es muss während des Betriebs in Echtzeit gemessen werden können. Professor Dr. Clare P. Grey, Cambridge (Großbritannien) und Stony Brook (USA), wendet dazu neue Methoden der Magnetischen Resonanzspektroskopie (NMR) und Magnetischer Resonanz-Bildgebungsverfahren (MRI) an. Sie stellt die Ergebnisse ihrer Forschung zu Struktur und Dynamik in Lithium-Ionen- und Lithium-Luft-Batterien vor, u.a. zu Prozessen, die während sehr schneller Lade- und Entladevorgängen ablaufen, und zu Strukturveränderungen an den Elektroden.

Am Department für Chemie der University of California in Davis arbeitet Professor Dr. Susan M. Kauzlarich daran, Strukturen von Thermoelektrika zu untersuchen und deren Eigenschaften zu verbessern, also die Nutzung von Abwärme zur Erzeugung von elektrischen Strom noch effizienter zu gestalten. Ein vielversprechendes Ausgangsmaterial besteht aus Ytterbium, Mangan und Antimon, das so genannte Zintl-Phasen ausbildet, benannt nach dem Darmstädter Chemiker Eduard Zintl (1898-1941), Namensgeber auch für das Institut für Anorganische und Physikalische Chemie der TU Darmstadt. Kauzlarich untersucht, ob sich die Materialeigenschaften verbessern lassen, wenn man die drei vorgegebenen Elemente teilweise durch Cer oder Tellur substituiert.

Die weiteren Plenarvorträge behandeln neue Anwendungsgebiete für Ionische Flüssigkeiten – auch in der Elektrochemie – und die Photokatalyse, die Sonnenenergie direkt, d.h. ohne verlustreiche chemische oder elektrische Energiespeicherung, für chemische Prozesse nutzt. Über die „Kritikalität von Ressourcen für Zukunftstechnologien“ spricht Professor Dr. Armin Reller, Augsburg, der hier u.a. auf die Nutzung von Metallen für die Mikroelektronik eingeht. Seit 1990 sind mindestens 30 bis dahin nicht funktionalisierte Metalle in unterschiedlichste Wertschöpfungs- und Produktionsketten integriert worden.

Nachdem die GDCh im vergangenen Jahr Ferdi Schüth mit dem Wöhler-Preis für Nachhaltige Chemie ausgezeichnet hatte, hat sich auch die GDCh-Kommission für den Wilhelm-Klemm-Preis auf Schüth als würdigen Preisträger festgelegt. Schüth erhält den Preis „in Anerkennung seiner grundlegenden wie auch anwendungsorientierten Arbeiten zum Verständnis poröser Materialien und deren Nutzung in der heterogenen Katalyse, auf die er seine wichtigen Beiträge zur modernen Energieforschung aufgebaut hat“, so die Verleihungsurkunde. Schüth, der gebürtige Sauerländer, studierte in Münster Chemie, wandelte somit auf den Spuren des Münsteraner Professors Wilhelm Klemm, bereits dort forschte Schüth über katalytische Mechanismen. Als Postdoc in den USA entdeckte er sein Interesse für poröse Materialien. Seine Habilitation erfolgte 1995 an der Universität Mainz, noch im gleichen Jahr erhielt er einen Ruf an die Universität Frankfurt und drei Jahre später, mit nur 38 Jahren wurde er Direktor am Mülheimer MPI. Sein besonderes Augenmerk gilt der Suche nach neuen Katalysatorsystemen und den Bildungsmechanismen mikro-, meso- und nanoporöser Materialien. 1999 gründete er die Firma HTE, die heute 200 Beschäftigte hat und Weltmarktführer auf dem Gebiet der Katalyseforschung mit Hochdurchsatzmethoden ist. Schüths wissenschaftliche Interessen gelten seit einigen Jahren vor allem auch der aktuellen Energieforschung. Er sitzt dem Koordinierungskreis Chemische Energieforschung der deutschen Chemieorganisationen vor, der die beiden Positionspapiere „Energieversorgung der Zukunft – der Beitrag der Chemie“ herausgegeben hat.

Matthias Kellermeier, einer der beiden Starck-Promotionspreisträger, ist es in seiner Dissertation „Co-Mineralization of Alkaline-Earth Carbonates and Silica“ gelungen, mit einfachen anorganischen Komponenten höchst komplexe feste Materialien herzustellen. „So lieferte er wesentliche Beiträge zum Verständnis biomorpher Materialien und zeigte, dass aus „Sand“ und „Kalk“ sich spontan organisierende Strukturen wie Doppelhelices entstehen können“, heißt es in der Verleihungsurkunde. Kellermeiers Arbeiten beinhalten wichtige Beiträge zum Verständnis von Biomineralisationsprozessen und deren technischer Nutzung. Die zweite Starck-Promotionspreisträgerin, Saskia Stegmaier, wird für ihre Arbeit „Clusters and Networks of Tetrel Elements and Late d Block Metals in Ternary Intermetallic Phases with Alkali and Akaline Earth Metals“ ausgezeichnet. Damit hat sie in ihrer Dissertation im Bereich der ternären intermetallischen Phasen Neuland betreten. So konnte sie beispielsweise im System Kupfer-Zinn durch geschickt gewählte Synthesestrategien schalenförmige Cluster und doppelwandige Nanoröhren realisieren. Sie hat viel zum Verständnis der Art der chemischen Bindung in intermetallischen Phasen beigetragen und Anwendungen als Hochleistungskatalysatoren aufgezeigt.

Die Gesellschaft Deutscher Chemiker gehört mit über 30.000 Mitgliedern zu den größten chemiewissenschaftlichen Gesellschaften weltweit. Sie hat 28 Fachgruppen und Sektionen, darunter die Fachgruppe Festkörperchemie und Materialforschung mit über 800 Mitgliedern. Die Fachgruppe ist ein kompetentes Forum für Fragestellungen aus den anorganischen Materialwissenschaften in Forschung, Anwendung und Lehre.

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Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V.
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