Die Kehrseite des anthropogenen Stickstoffs

Sönke Zaehle vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie und seine Kooperationspartner zeigen nun in ihrer aktuellen Studie, daß die Plus-punkte für das Klima in Form gesteigerter Kohlenstoffaufnahme durch erhöhte Lachgas-Emissionen – einer Nebenwirkung der Stickstoffdüngung – aufgehoben werden könnten.

Stickstoff ist eines der wichtigsten Nährelemente für Pflanzen und Mikroben, steht aber in vielen natürlichen Ökosystemen nicht in ausreichender Form zur Verfügung. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts hat sich der Stickstoffeintrag in terrestrische Ökosysteme durch Düngung und atmosphärische Deposition in etwa verdoppelt. Dieser Einfluss des Menschen auf den Stickstoffkreislauf wirkt sich auch die terrestrischen Quellen und Senken der beiden Treibhausgase Kohlenstoffdioxid (CO2) und Distickstoffmonoxid (N2O), besser bekannt als Lachgas, und damit das Klimasystem, aus. Die Größenordnung dieser Effekte ist jedoch noch weitgehend unbekannt.

“Düngt man stickstoffarme Ökosysteme, so kann der Stickstoff das Wachstum der Vegetation fördern und/oder die Bodenatmung vermindern und dadurch die Kohlenstoffspeicherung im System insgesamt erhöhen“, erklärt Zaehle. Dennoch ist potentiell mit negativen Folgen zu rechnen, denn der erhöhte Stickstoffeintrag kann auch zu verstärkten Austrägen des Stickstoffs führen und die Wider-standsfähigkeit der Pflanzen beeinträchtigen. Besonders relevant für das Klima sind verstärkte Emissionen von Lachgas, einem langlebigen Treibhausgas, das sowohl von gedüngten Feldern als auch von stickstoffreichen Wald- und Grassland-Ökosystemen freigesetzt wird.

Sönke Zaehle und seine Kollegen haben nun die Auswirkungen vergangener und aktueller anthropogenen Stickstoffeinträge auf das Klimasystem in einem globalen Computermodell betrachtet. Ihre Ergebnisse belegen eine tiefgreifende Auswirkung menschlicher Stickstoffeinträge auf die Kohlenstoffdioxid- und Lachgasflüsse. Der menschliche Stickstoffeintrag ist demnach die Hauptursache für den Anstieg der terrestrischen Lachgas-Emissionen seit 1960 und trägt ungefähr zu einem Fünftel zur aktuellen Netto-Aufnahme an Kohlenstoff in Landökosystemen bei (1996-2005).

Die Wissenschaftler bestimmten den Effekt des anthropogenen Stickstoffs auf die atmosphärischen Konzentrationen der Treibhausgase CO2 und N2O, um die Konsequenzen für das heutige Klima abschätzen zu können. Ihre Kernaussage ist, dass der klimawirksame Effekt durch die Störung im Stickstoffhaushalt auf beide Gase beträchtlich ist, allerdings mit umgekehrten Vorzeichen: die abkühlende Wirkung aufgrund der erhöhten Kohlenstoffspeicherung wird mehr als kompensiert von dem erwärmenden Effekt der terrestrischen Lachgas-Emissionen.

Jedoch: “Die Tatsache, dass in unserer Studie der N2O-Effekt stärker ist als der CO2-Effekt, sollte nicht überinterpretiert werden.” warnt Zaehle. Vielmehr sollte die vorliegende Studie die Bedeutung des anthropogenen Stickstoffs im Klimasystem erhellen und die Notwendigkeit einer gekoppelten Betrachtung von Kohlenstoff- und Stickstoffkreislauf verdeutlichen. „Ich hoffe, unsere Untersuchungen ermutigen zu weiteren Forschungen auf diesem Gebiet, um letztendlich mit Hilfe von Beobachtungsdaten und Simulationsmodellen die Wirkungen von anthropogenen Stickstoff auf die Dynamik von Ökosystemen besser zu verstehen“, fügt der Max-Plancker hinzu.

Originalveröffentlichung:
S. Zaehle, P. Ciais, A. D. Friend, V. Prieur (2011): Carbon benefits of anthropogenic reactive nitrogen offset by nitrous oxide emissions, Nature Geoscience, Vol 4, August 2011, doi 10.1038/NGEO1207
Kontakt:
Sönke Zaehle
Max-Planck-Institut für Biogeochemie, Jena
Tel.: +49 3641 57 63 25
Fax: +49 3641 57 73 00
E-mail: soenke.zaehle@bgc-jena.mpg.de
Philippe Ciais
Laboratoire des Sciences du Climat et de L’Environnement, Gif/Yvette, France
E-mail : philippe.ciais@cea.fr
Andrew D. Friend
University of Cambridge, Cambridge, UK
E-mail: Andrew.Friend@geog.cam.ac.uk
Vincent Prieur
Laboratoire des Sciences du Climat et de l’Environnement, Gif/Yvette, France
E-mail : vprieur@lsce.ipsl.fr

Media Contact

Susanne Hermsmeier Max-Planck-Institut

Weitere Informationen:

http://www.bgc-jena.mpg.de/

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