HIV-Infektion: Molekulare Schere soll Viren aus Immunzellen schneiden

Nur durch die lebenslange Einnahme von Medikamenten, lässt sich die Infektion derzeit unter Kontrolle halten. Der Erreger ist ein sogenanntes Retrovirus (HIV). Nach der Infektion baut das Virus seine Gene stabil in das Erbgut von Immunzellen ein. Die integrierten Virusgene werden dann zur Bildung von Nachkommenviren verwendet, die wiederum weitere Zellen infizieren. Hamburger Forscher arbeiten nun an einer Strategie, die HIV/AIDS heilen könnte. Mithilfe eines Enzyms, das wie eine molekularen Schere wirkt, wollen sie den genetischen Bauplan des Virus aus den befallenen Immunzellen entfernen.

Die aktuellen AIDS-Therapien vermögen die Erkrankung noch nicht an der Wurzel zu packen. Bei einer HIV-Infektion leidet das Immunsystem unter der sich wiederholenden Virusvermehrung in den Abwehrzellen. Der infizierte Organismus wird dadurch anfällig für weitere Infektionen (z.B. mit Pilzen, Bakterien und anderen Viren). Mit der gängigen Therapie wird die Virusvermehrung möglichst vollkommen unterdrückt, die integrierten Virusgene lassen sich jedoch nicht mehr entfernen. Dies bedeutet, dass die Medikamente konsequent und lebenslang eingenommen werden müssen, was bei einem Teil der Patienten zu schwerwiegenden Nebenwirkungen und/oder dem Auftreten von resistenten AIDS-Erregern führt.

Professor Dr. Joachim Hauber und sein Team am Hamburger Heinrich-Pette-Institut forschen an einer Therapieform, die eine direkte Heilung bei HIV-Infektionen herbei führen könnte. Untersuchungen haben gezeigt, dass das Einbringen eines Rekombinase-Enzyms, welches Tre-Rekombinase genannt wird, die HIV-Gene erstmals wieder entfernt. Die Tre-Rekombinase wirkt dabei wie eine molekulare Schere, die den genetischen HIV-Bauplan aus dem Erbgut der Wirtszelle gezielt ausschneidet. Dadurch wird die ursprünglich infizierte Zelle geheilt und kann ihre Funktion im Immunsystem wieder ausüben.

Das Einbringen der Tre-Rekombinase oder ähnlicher Enzyme in Patientenzellen stellt ein relativ schwieriges technisches Unterfangen dar. Es handelt sich um ein gentherapeutisches Verfahren, wobei nicht die Tre-Rekombinase selbst, sondern deren genetischer Bauplan in die Wirtszelle eingebracht wird. Die Wirtszelle produziert dann die Tre-Rekombinase selbst, sobald sie von HIV infiziert würde.

Gene mit antiviraler Wirkung können stabil in das Erbgut der Wirtszelle integriert werden. Dabei würde diese Zelle aber permanent genetisch modifiziert, ein Vorgang der wiederum zu toxischen Nebenwirkungen führen kann. Alternativ kann das antivirale Gen nur vorübergehend eingebracht werden. Da die entsprechenden Zellen nicht dauerhaft verändert würden, könnte dies die Sicherheit eines entsprechenden Therapieverfahrens deutlich erhöhen.

In einem von der Wilhelm Sander-Stiftung geförderten Projekt untersuchen die Virologen einen entsprechenden Therapieansatz detailliert. Dabei ist vorgesehen, die Tre-Rekombinase nur vorübergehend (d.h. mit Hilfe von nicht-integrierenden Gentransfervektoren) in HIV-infizierte Wirtszellen einzubringen. Es soll dabei besonders untersucht werden, ob die vorübergehende Tre-Aktivität ausreicht, das in die Wirtszelle integrierte HIV-Erbgut effizient und ohne Nebenwirkungen zu entfernen. Sollte dies gelingen, könnte eine entsprechende Strategie einen signifikanten Beitrag für zukünftige Therapieverfahren bei HIV/AIDS leisten, indem sie beispielsweise die Medikamentenlast deutlich verringert und zur Entfernung der AIDS-Erreger aus dem Patienten beiträgt.

Der neue Therapieansatz sieht vor, dass Patienten wiederholt HIV-Zielzellen (CD4+ T-Lymphozyten) aus dem Blut entnommen und im Labor mit nicht-integrierende Tre-tragende Gentranfervektoren ausgestattet werden. Eine Wiedereinbringen der modifizierten T-Zellen in die Blutbahn würde für die Patienten zu einer gezielte Bekämpfung des Virus führen und ihr Immunsystem dadurch stärken.

Die Wilhelm Sander-Stiftung fördert dieses Forschungsprojekt mit rund 90.000 Euro. Stiftungszweck ist die Förderung der medizinischen Forschung, insbesondere von Projekten im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden insgesamt über 190 Mio. Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz bewilligt. Die Stiftung geht aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.

Kontakt (Projektleitung):
Prof. Dr. Joachim Hauber, Leiter der Abteilung Zellbiologie und Virologie am Heinrich-Pette-Institut,
Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie (HPI)
Tel: +49 (40) 48051-240/241

Media Contact

Sylvia Kloberdanz idw

Weitere Informationen:

http://www.wilhelm-sander-stiftung.de

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