Haarspalter auf Spurensuche

In der Außenstelle Gelnhausen werden künftig die Haar- und Kotproben beider Arten aus dem gesamten Bundesgebiet auf die Verwandtschaftsverhältnisse der Tiere untereinander untersucht.

Ein Vergleich mit Daten aus dem angrenzenden Ausland zeigt, woher die Wölfe und Luchse kommen, welche Wanderungen sie absolvieren und ob in den hierzulande sehr kleinen Populationen Inzuchtgefahr besteht.

Mit dem Beschluss, Senckenberg als Nationales Referenzzentrum zu nutzen, folgt die LANA einer Empfehlung des Bundesamts für Naturschutz (BfN). Senckenberg arbeitet seit Jahren erfolgreich im Bereich des molekulargenetischen Monitorings und ist eine der in Deutschland führenden Einrichtungen auf dem Gebiet des nicht-invasiven, molekulargenetischen Monitorings geschützter Wildtiere.

Anhand von Probenmaterial aus speziellen Haarfallen wurden allein für die Wildkatze bereits über 1500 genetische Analysen durchgeführt. Die besondere Schwierigkeit liegt dabei in den geringen Mengen genetischen Materials, die sich aus Haar- und Kotproben gewinnen lassen. Die angewandten molekulargenetischen Methoden müssen daher optimal auf die Untersuchung solch winziger DNA-Mengen zugeschnitten sein. Mit Hilfe dieser spezialisierten Gen-Analysen konnten die Forscher zum Beispiel das Vorkommen der versteckt lebenden Wildkatze in vielen Regionen Deutschlands wieder nachweisen, ohne die Tiere jemals zu Gesicht bekommen zu haben.

Auch Wolf und Luchs sind scheue Arten, die sich nur selten beobachten lassen. Einzelne Haare oder die Losung der Tiere sind oft der einzige Anhaltspunkt für ihr Vorkommen. Wie in der Kriminalistik reicht das aber, um einzelne Individuen zu unterscheiden und Aussagen über ihre Herkunft treffen zu können. Fest steht: Sie sind wieder da. Etwa 150 Jahre nachdem Wolf und Luchs durch intensive Bejagung in Deutschland ausgerottet wurden, tasten sich diese Arten langsam wieder vor, denn heute stehen sie unter Naturschutz. Ob sie im dicht besiedelten Deutschland zwischen Industriestandorten und Autobahnen zurecht kommen, ist noch ungewiss. Werden sie ausreichend Beute finden? Können sie sich als große Beutegreifer auf ihrer angestammten Position im Ökosystem wieder etablieren?

Die Naturschutzrichtlinien der Europäischen Union verpflichten alle EU-Staaten das Vorkommen seltener Arten zu erfassen, ihre Verbreitung zu untersuchen und die Bestandsentwicklung zu überwachen. Monitoring nennen Biologen solche Studien zur Populationsdynamik.

Mittlerweile leben wieder rund 60 Wölfe in Deutschland. Außerdem eine unbekannte, aber möglicherweise ähnlich hohe Zahl an Luchsen. Vergleichsuntersuchungen belegen, dass die Wölfe überwiegend aus Osteuropa zugewandert sind, während die Luchse zumeist durch gezielte Wiederansiedlungsprojekte im Harz und Bayerischen Wald in diesen Regionen wieder heimisch sind. – Einzelne Tiere beider Arten tauchen jedoch zunehmend auch außerhalb ihrer Hauptverbreitungsgebiete auf. Woher sie kommen, können genetische Untersuchungen klären. Darüber hinaus ist es wichtig zu wissen, wie der Verwandtschaftsgrad innerhalb der Wolfs- bzw. Luchspopulationen ist, da bei so kleinen Gruppen oft Inzuchtgefahr besteht. Wird molekulargenetisch ein Inzuchtrisiko offensichtlich, können Naturschützer aktiv eingreifen, indem zum Beispiel Tiere zwischen den Verbreitungsgebieten ausgetauscht werden.

Neben den Projekten zu Wildkatze, Wolf und Luchs arbeitet Senckenberg in Kooperation mit der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt (ZGF) auch am genetischen Monitoring des Braunbären in Bulgarien sowie im Auftrag des Hessischen Umweltministeriums am Monitoring des Europäischen Bibers. (rba)

Ansprechpartner:
PD Dr. Peter Haase
Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen
Abteilung Limnologie und Naturschutzforschung
Clamecystraße 12
63571 Gelnhausen
06051/61954-3114
In das Monitoring-Projekt eingebunden sind auch:
Dr. Carsten Nowak, Senckenberg Gelnhausen
Prof. Dr. Herrmann Ansorge, Senckenberg Görlitz

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