Ganzkörper-Computertomographie erhöht Überlebensrate bei Schwerstverletzten im Kreislaufschock

Eine aktuelle multizentrische Auswertung des TraumaRegisters® der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) durch die Forschungsgruppe „Polytrauma“ am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München, die im Fachmagazin PLOS ONE (online 24. Juli) veröffentlicht wird, belegt erstmals den positiven Effekt dieser Untersuchungsmethode auf das Überleben von Schwerstverletzten auch im Kreislaufschock.

In enger Kooperation mit Prof. Dr. Rolf Lefering vom Institut für Forschung in der operativen Medizin (IFOM), Universität Witten/Herdecke in Köln, wurde das TraumaRegister® der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) ausgewertet. Es wurden die Daten von 16.719 schwerverletzten Patienten aus Kliniken in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Belgien und Slowenien analysiert. Die Autoren verglichen die tatsächliche und die erwartete Sterblichkeitsrate von schwerstverletzten Patienten mit und ohne Ganzkörper-Computertomographie. Die Patienten wurden in drei Gruppen aufgeteilt: 1. Patienten mit schwerem Kreislaufschock, 2. Patienten mit moderatem Schock und 3. Patienten ohne Schock. Bei kreislaufstabilen Patienten ist der Nutzen der frühen Ganzkörper-Computertomographie durch die Forschungsgruppe bereits nachgewiesen worden.

Die Anwendung der Methode bei kreislaufinstabilen Unfallpatienten wird allerdings von vielen Experten abgelehnt, ohne dass bisher wissenschaftliche Nachweise vorlagen. Es wird hierbei die Ansicht vertreten, dass eine körperliche Untersuchung, Röntgenaufnahmen der Halswirbelsäule, des Thorax und des Beckens und eine Sonographie des Abdomens bei Patienten im Schock ausreichend seien und der Einsatz der Ganzkörper-Computertomographie zu erheblichen Zeitverzögerungen bis zur Notfalloperation führe.

9.233 Patienten (55 Prozent) wurden nach Klinikeinlieferung mittels Ganzkörper-CT untersucht. Durchschnittlich dauert es zwischen drei und sechs Minuten, eine solche Untersuchung durchzuführen. 1.821 (11 Prozent) Patienten waren im schweren Schock und 4.280 (26 Prozent) im moderaten Schock. Patienten, die im Schock mittels Ganzkörper-CT diagnostiziert wurden, zeigten signifikant niedrigere Sterblichkeitsraten als zunächst erwartet. Darüber hinaus zeigte auch die risiko-adjustierte Mortalitätsanalyse mittels eines präzisen Vorhersagemodells für die Sterblichkeit auf Basis des RISC-Scores*, dass die tatsächliche Sterblichkeit bei schwerverletzten Patienten im Kreislaufschock mit Ganzkörper-Computertomographie signifikant niedriger war als die erwartete, verglichen mit den Patienten, die keine Ganzkörper-Computertomographie erhielten.

Fazit
Für die Wissenschaftler und Unfallchirurgen ergeben sich neben der Bestätigung ihres bisherigen Vorgehens interessante Hinweise auf die Erstversorgung und Ansatzpunkte für die Anforderungen an Kliniken. Nach den Ergebnissen kommt es zu einer Erhöhung der Überlebenschance von mehr als 25 Prozent. Trotz der vermeintlichen Zeitverzögerung durch die Ganzkörper-CT ermöglicht die Kenntnis des kompletten Verletzungsmusters des Patienten eine lebensrettende zielgerichtete Therapie. Stark blutende Verletzungen können somit exakt lokalisiert und präzise behandelt werden. Diejenige Verletzung, welche zu der instabilen Kreislaufsituation am meisten beiträgt, kann durch diese Art der radiologischen Untersuchung am besten und schnellsten aufgedeckt werden.

„Bereits heute“, führt Priv.-Doz. Dr. Stefan Huber-Wagner von der Klinik für Unfallchirurgie des Klinikums rechts der Isar aus, „wird im Rahmen der durch die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) initiierten Traumanetzwerkbildung für ein überregionales bzw. regionales Traumazentrum die 24-Stunden-Verfügbarkeit einer Ganzkörper-Computertomographie in Schockraumnähe gefordert. Der Trend wird sicherlich dahin gehen, noch leistungsstärkere Computertomographen baulich in den Schockraum zu integrieren.“ Die Forscher heben jedoch hervor, dass die Durchführung einer Ganzkörper-Computertomographie bei kreislaufinstabilen Unfallpatienten nur an dafür adäquat ausgerüsteten Kliniken mit entsprechend spezialisierten Teams erfolgen sollte. Das Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München ist im Übrigen durch die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie als überregionales Traumazentrum bereits rezertifiziert worden.

Am Klinikum rechts der Isar arbeitet man bereits seit Jahren erfolgreich in der Traumaversorgung mit mehreren hochmodernen 128-Zeilen-CTs. Prof. Peter Biberthaler, Direktor der Klinik für Unfallchirurgie am Klinikum rechts der Isar betont: „Mit einer entsprechenden Expertise wird dieses innovative Konzept in der Zukunft dazu führen, dass die Sterblichkeitsrate von schwerstverletzten Unfallopfern weiter gesenkt werden kann. Dies ist ferner ein schönes Beispiel dafür, wie der gezielte Einsatz von innovativer Technologie einen direkten und positiven Einfluss auf das Überleben von Unfallverletzten haben kann.“

* RISC=Revised Injury Severity Classification Score

Artikel abrufbar unter:
http://dx.plos.org/10.1371/journal.pone.0068880
Zitierweise:
Huber-Wagner S, Biberthaler P, Häberle S, Wierer M, Dobritz M, Rummeny E, van Griensven M, Kanz KG, Lefering R, and the TraumaRegister DGU. Whole-body CT in haemodynamically unstable severely injured patients – A retrospective, multicentre study. PLOS ONE, 24th July, 2013
Kontakt:
Priv.-Doz. Dr. med. Stefan Huber-Wagner
Klinikum rechts der Isar
Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie
Tel: +49-89-4140-2126
huber-wagner@mri.tum.de
www.unfallchirurgie.mri.tum.de

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Tanja Schmidhofer idw

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