Flächenverbrauch gefährdet die biologische Vielfalt in Deutschland

Die Wissenschaftler bezeichneten die nach wie vor hohe Flächeninanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrszwecke sowie die zunehmende Landschaftszerschneidung als besorgniserregend und als wesentliche Ursachen für die Gefährdung der biologischen Vielfalt in Deutschland.

Die tägliche Neuinanspruchnahme von Flächen für Siedlungen und Verkehr liegt heute trotz stagnierendem Bevölkerungswachstum ähnlich wie in den 1990er Jahren bei 96 Hektar pro Tag (Datenbasis von 2007). Auch wenn Wohnraum, Straßen und Industrie- und Gewerbeflächen ihren Platz brauchen – für die biologische Vielfalt birgt ein derart hoher Flächenverbrauch ein enormes Gefährdungspotenzial.

Siedlungsbau und Verkehrsinfrastruktur, aber auch die Begradigung von Fließgewässern sowie intensive Flächennutzung in der Landwirtschaft haben in den letzten Jahren zu einem alarmierenden Rückgang bzw. zu einer Beeinträchtigung von Lebensräumen geführt. Die Existenz vielfältiger Lebensräume ist jedoch eine zentrale Voraussetzung für den Erhalt von Pflanzen- und Tierarten.

„Biologische Vielfalt hängt direkt vom Umgang des Menschen mit der Fläche ab“, sagt Prof. Dr. Bernhard Müller, Direktor des IÖR. Engagierte Forschungsvorhaben für die Reduzierung der Flächeninanspruchnahme existierten bereits seit Langem. Nun käme es darauf an, die in Wissenschaft und Politik gleichermaßen vertretenen Forderungen nach einem nachhaltigen Umgang mit der Ressource Fläche auch konsequent umzusetzen.

Lebensräume von Tieren und Pflanzen müssen großräumig gesichert und stärker miteinander vernetzt werden, um das langfristige Überleben vieler Arten in Mitteleuropa zu sichern, fordert Bernhard Müller. Ein leistungsfähiger Biotopverbund könne jedoch nicht auf lokaler Ebene und auch nicht allein von einzelnen Ländern geschaffen werden, sondern erfordert Abstimmungen über Landes- und Staatsgrenzen hinweg. Entsprechende Vernetzungsprioritäten sollten daher auf Bundesebene formuliert werden und könnten Eingang in ein Bundeslandschaftsprogramm finden, das unter anderem auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen fordert. Im Hinblick auf wandernde Tierarten und auf großräumig zusammenhängende Biotopkomplexe sollte ein solches nationales Konzept auch europäische Zusammenhänge berücksichtigen und geeignete Schnittstellen aufzeigen.

„Ein vergleichsweise einfacher, aber wirkungsvoller Beitrag zu einem nationalen Biotopverbund könnte auch dadurch geleistet werden, dass die ökologische Zerschneidungswirkung der Autobahnen durch Grünbrücken gemindert wird“, sagt Bernhard Müller. Solche grünen Verbindungswege werden bei Neubauten vielfach berücksichtigt, an den rund 10.000 km umfassenden bestehenden Autobahnen fehlen diese Verbindungswege jedoch. Hier sollten an Schlüsselstellen Grünbrücken und grüne Korridore geschaffen werden. Durch wenige punktuelle Baumaßnahmen könnten hier bereits große Verbesserungen erzielt werden, so Müller. Und weiter: „Ziel sollte es sein, analog zur nationalen Verkehrswegeinfrastruktur und deren Planung einen Mechanismus zur Schaffung einer grünen Infrastruktur in Leben zu rufen.“ In der Siedlungsentwicklung wünscht sich Müller, Städte ökologisch aufzuwerten. Dies sei z. B. durch Schaffung hochwertiger Naturräume, gezielte Entwicklung von Grünachsen und Biotopvernetzung innerhalb der Stadt sowie zwischen Stadt und Region möglich.

Das IÖR erforscht den Einfluss von Landnutzung und Landnutzungsänderungen auf die Vielfalt von Ökosystemen. Projekte befassen sich mit den Auswirkungen von Siedlungsentwicklung und der damit einhergehenden Landschaftszerschneidung, den Veränderungen der Freiräume und ihrer Struktur sowie dem großräumigen und grenzüberschreitenden Biotopverbund. Ein wichtiger Aspekt der Forschungen ist die Frage, wie die Raumwissenschaft mit geeigneten Instrumenten zum Erhalt und zur Wiederherstellung einer hohen biologischen Vielfalt beitragen kann. Das IÖR ist Mitglied im Leibniz-Verbund Biodiversität, einem Zusammenschluss von 24 Einrichtungen der Leibniz-Gemeinschaft, der die Kompetenzen der einzelnen Einrichtungen in der Biodiversitätsforschung bündelt.

Media Contact

Anja Petkov idw

Weitere Informationen:

http://www.ioer.de

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