Erdgeschichte und Evolution: Grüne Zeugen zum Sprechen bringen

Im sogenannten Erdmittelalter gab es mit dem Superkontinent Pangäa nur eine riesige Landmasse, die vor etwa 150 Millionen Jahren zerfiel. Nach und nach entstanden so die heutigen Kontinente.

Das Auseinanderdriften der Landmassen trennte oftmals auch Tier- und Pflanzenarten, die sich dann unterschiedlich entwickelten. Die Biodiversität nahm zu: Je größer die geografische Trennung, desto deutlicher unterschieden sich die entstehenden Artengruppen.

Die molekulare Uhr läuft rückwärts
„Zypressengewächse sind eine sehr alte Pflanzengruppe“, sagt Professor Susanne Renner, LMU-Biologin und Direktorin des Botanischen Gartens München. „Wir vermuteten also, dass sich ihre Familiengeschichte bis in die Zeit von Pangäa zurückverfolgen lassen sollte, wenn nicht die vielen Klimakatastrophen und die damit verbundenen Aussterbeereignisse uns einen Strich durch die Rechnung machen würden.“ Die Botanikerin und ihr Team erstellten deshalb einen Stammbaum der Zypressengewächse, indem sie die Gensequenzen von 122 weltweit vorkommenden Arten aus 32 Gattungen verglich – und mit einer „molekularen Uhr“ kombinierte.

Das Prinzip der molekularen Uhr ist einfach: Spalten sich zwei Stammeslinien von einem gemeinsamen Vorfahren ab, sammeln sie im Lauf der Zeit genetische Veränderungen an – jede Art für sich. Je länger die Trennung zurückliegt, desto größer und zahlreicher sind die Unterschiede. Der Vergleich der genetischen Veränderungen bietet so einen Blick in die Familiengeschichte und zeigt, wann und an welcher Stelle neue Arten abzweigten.

Evolutionäre Sackgassen enttarnt
„Diese molekularen Methoden haben in Kombination mit Fossilienfunden innerhalb der letzten 15 Jahre die sogenannte Biogeografie revolutioniert, also die Forschung zur Ausbreitungsgeschichte von Tieren und Pflanzen“, sagt Renner. Einige Tier- und Pflanzengruppen erwiesen sich etwa als unerwartet jung. Zur Fehleinschätzung kam es, wenn sehr alte Fossilien als direkte Vorfahren heutiger Arten interpretiert wurden, obwohl sie als „evolutionäre Sackgassen“ tatsächlich gar keine Nachkommen hinterlassen haben.
Anders aber bei den Zypressengewächsen, die sich in der neuen Studie tatsächlich als uralte Familie erwiesen. Ihr Stammbaum reicht bis Pangäa zurück, wobei die Abspaltung der nördlichen Zypressen-Unterfamilie von der südlichen vor etwa 153 Millionen Jahren den Zerfall des Superkontinents widerspiegelt. Zerbrachen weitere Landmassen, so bildeten sich neue Linien – die Zypressengewäche sind damit die erste Pflanzenfamilie, die die großen Veränderungen der Erdgeschichte en Detail nachvollziehen lässt. (PNAS online vom 01. Mai 2012) (göd)

Publikation:
Distribution of living Cupressaceae reflects the breakup of Pangea
K. Mao, R.I. Milne, L. Zhang, Y. Peng, J. Liu, P. Thomas, R.R. Mill, S. Renner
PNAS online vom 01. Mai 2012
doi: 10.1073/pnas.1114319109

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Susanne Renner
Tel.: 089 / 17861-257
Fax: 089 / 2180 – 172638
E-Mail: renner@lrz.uni-muenchen.de

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Luise Dirscherl idw

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