Epigenetische Veränderungen für die Pflanzenzucht nutzen

Selektionsexperimente mit Arabidopsis zeigen, dass auch epigenetische Veränderungen selektioniert und vererbt werden können. uzh

Nicht nur die Gensequenz, die an Tochterzellen bzw. Nachkommen vererbt wird, bestimmt die Eigenschaften von Zellen und Organismen. Welche Gene aktiv sind oder nicht, steuern auch chemische Modifikationen des Erbmaterials, welche die DNA-Sequenz nicht verändern.

Ein Beispiel der Epigenetik ist die Methylierung, bei der kleine chemische Gruppen an bestimmte DNA-Bausteine angehängt werden. Während die Rolle der Vererbung epigenetischer Veränderungen bei Menschen und Säugetieren umstritten ist, gibt es bei Pflanzen zahlreiche Beispiele dazu.

Anpassungsfähigkeit dank Epigenetik

Pflanzenwissenschaftlern der Universität Zürich ist nun der Nachweis gelungen, dass in der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) natürlich vorkommende epigenetische Veränderungen selektioniert werden können.

Zudem zeigt das Team von Ueli Grossniklaus vom Institut für Pflanzen- und Mikrobiologie, dass neu selektierte Eigenschaften – wichtig für eine möglichst gute Samenverbreitung – für mindestens zwei bis drei Generationen auch ohne Selektion stabil vererbt werden.

„Epigenetische Variation trägt somit ohne Mutationen im Genom dazu bei, dass sich Pflanzen rasch an neue Umweltbedingungen anpassen können“, erklärt Grossniklaus.

Selektion nach Pflanzen mit grosser Samenverbreitung

Im Experiment simulierten die Pflanzenbiologen eine sich rasch ändernde Umwelt. Sie selektionierten Arabidopsis-Populationen über fünf Generationen dafür, dass sie ihre Samen möglichst weit streuen. Nur Samen, die in einer gewissen Distanz zur Mutterpflanze landeten, wurden für die nächste Generation verwendet.

Samen dreier unabhängiger Populationen mit grosser Samenverbreitung liessen die Forschenden anschliessend zusammen mit Samen der ursprünglichen, nicht selektierten Population aufwachsen – dieses Mal in einer Umgebung ohne Selektionsdruck. Nach zwei weiteren Generationen wurden die Pflanzenpopulationen eingehend untersucht.

Analyse von Genaktivität, Genom und Epigenom

„Wir konnten zeigen, dass bei den selektionierten Pflanzen zwei für die Samenverbreitung wichtige Merkmale anders waren im Vergleich zur ursprünglichen Population. Die Blütezeit setzte später ein und die Pflanzenarchitektur war verzweigter“, sagt Grossniklaus.

Auf Mutationen im Genom liessen sich die veränderten Eigenschaften nicht zurückführen. Im Epigenom fanden die Wissenschaftler jedoch grosse Unterschiede: Von rund 50 000 DNA-Bausteinen war die Methylierung verändert. Unterschiede zeigten sich auch in der Aktivität von Genen, die etwa den Blütezeitpunkt steuern.

Neue Möglichkeiten für die Kulturpflanzenzucht

Auch unter normalen Umweltbedingungen ohne Selektion wurden die neuen Eigenschaften während mindestens zwei bis drei Generationen stabil vererbt. „Wie genetische ist auch epigenetische Variation selektionierbar und trägt zur Vielfalt an pflanzlichen Eigenschaften bei.

Da die genetische Basis von Kulturpflanzen meist sehr limitiert ist, könnten mithilfe der Epigenetik die Möglichkeiten der Pflanzenzucht erweitert werden“, betont Grossniklaus. Der Klimawandel dürfte die Umweltbedingungen in vielen Regionen der Welt innerhalb kurzer Zeit verändern. Sorten, die sich rasch anpassen können, werden deshalb immer wichtiger.

Kontakt:
Prof. Dr. Ueli Grossniklaus
Institut für Pflanzen- und Mikrobiologie
Universität Zürich
Tel. +41 44 634 82 40
E-Mail: grossnik@botinst.uzh.ch

Prof. Dr. Bernhard Schmid
Geographisches Institut
Universität Zürich
Tel. +41 44 635 52 05
E-Mail: bernhard.schmid@ieu.uzh.ch

Marc W. Schmid, Christian Heichinger, Diana Coman Schmid, Daniela Guthörl, Valeria Gagliardini, Rémy Bruggmann, Sirisha Aluri, Catharine Aquino, Bernhard Schmid, Lindsay A. Turnbull, and Ueli Grossniklaus. Contribution of epigenetic variation to adaptation in Arabidopsis. Nature Communications. October 25, 2018. DOI: 10.1038/s41467-018-06932-5

https://www.media.uzh.ch/de/medienmitteilungen/2018/Epigenetische-Variation.html

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Melanie Nyfeler Universität Zürich

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