Elektronenbewegungen in Flüssigkeit mit Superzeitlupe gemessen

The scientists inject water from above into the analysis chamber, where it forms a short microjet that meets a laser beam. (Photograph: ETH Zurich / Inga Jordan)

In Molekülen können sich Elektronen bewegen, zum Beispiel wenn sie von aussen angeregt werden oder im Verlauf einer chemischen Reaktion. Erstmals ist es nun Wissenschaftlern gelungen, die ersten paar Dutzend Attosekunden dieser Elektronenbewegung in einer Flüssigkeit zu untersuchen.

Um zu verstehen, wie chemische Reaktionen beginnen, untersuchen Chemiker seit Jahren mit Superzeitlupenexperimenten die allerersten Momente einer Reaktion. Mittlerweile sind Messungen mit einer Auflösung von wenigen Dutzend Attosekunden möglich. Eine Attosekunde ist der 10^18-te Teil einer Sekunde, also ein Millionstel eines Millionstel einer Millionstelsekunde.

«In diesen ersten paar Dutzend Attosekunden einer Reaktion kann man bereits beobachten, wie sich Elektronen innerhalb von Molekülen verschieben», erklärt Hans Jakob Wörner, Professor am Laboratorium für physikalische Chemie der ETH Zürich. «Später, im Verlauf von rund 10’000 Attosekunden oder 10 Femtosekunden kommt es dann bei chemischen Reaktionen zu Bewegungen der Atome bis hin zum Bruch von chemischen Bindungen.»

Der ETH-Professor gehörte vor fünf Jahren zu den ersten Wissenschaftlern, die in Molekülen Elektronenbewegungen auf der Attosekunden-Skala nachweisen konnten. Allerdings konnten solche Messungen bisher nur bei Molekülen in Gasform durchgeführt werden, weil sie in einer Hochvakuum-Kammer stattfinden.

Transport aus der Flüssigkeit verzögert

Mit dem Bau einer neuen Messapparatur ist es Wörner und seinen Mitarbeitenden nun gelungen, solche Bewegungen in Flüssigkeit nachzuweisen. Die Forschenden nutzten dazu die Photoemission von Wasser, bei der sie mit Licht Wassermoleküle bestrahlen, wodurch Elektronen aus ihnen herausgeschleudert werden. Diese Elektronen können die Wissenschaftler messen. «Wir haben für unsere Untersuchung diesen Vorgang gewählt, weil es mit Laserpulsen möglich ist, ihn zeitlich höchst präzise zu starten», erklärt Wörner.

Auch die neuen Messungen fanden im Hochvakuum statt. Wörner und sein Team nutzten dafür einen 25 Mikrometer dünnen Flüssigkeitsstrahl, den sie in die Messkammer einspritzten. Die Wissenschaftler konnten damit messen, dass Elektronen aus Wassermolekülen in Flüssigkeit 50-70 Attosekunden später herausbefördert werden als aus Wassermolekülen in Dampfform. Der Zeitunterschied ist darauf zurückzuführen, dass die Moleküle in Flüssigkeit von anderen Wassermolekülen umgeben sind, was auf das einzelne Molekül einen messbaren Verzögerungseffekt hat.

Wichtiger Schritt

«Elektronenbewegungen sind die Schlüsselereignisse in chemischen Reaktionen. Daher ist es so wichtig, sie auf einer hochaufgelösten Zeitskala zu messen», sagt Wörner. «Der Schritt von Messungen in Gasen zu Messungen in Flüssigkeit ist von besonderer Bedeutung, weil die meisten chemischen Reaktionen und insbesondere die biochemisch interessanten Prozesse in Flüssigkeiten stattfinden.»

Unter letzteren gibt es zahlreiche Prozesse, die wie die Photoemission von Wasser ebenfalls durch Lichtstrahlung ausgelöst werden. Die Photosynthese von Pflanzen zählt dazu sowie die biochemischen Vorgänge auf unserer Netzhaut, welche uns das Sehen ermöglichen, und durch Röntgen-Strahlung oder andere ionisierende Strahlung verursachte Schäden an der DNA. Mit der Hilfe von Attosekundenmessungen dürften Wissenschaftler in den nächsten Jahren neue Einblicke in diese Reaktionen gewinnen.

Originalpublikation:

Jordan I, Huppert M, Rattenbacher D, Peper M, Jelovina D, Perry C, von Conta A, Schild A, Wörner HJ: Attosecond spectroscopy of liquid water. Science 2020, 369: 974, doi: 10.1126/science.abb0979 [http://dx.doi.org/10.1126/science.abb0979]

Weitere Informationen:

https://ethz.ch/de/news-und-veranstaltungen/eth-news/news/2020/08/elektronenbewe…

Media Contact

Hochschulkommunikation
Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich)

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neue Industrie-4.0-Lösung für niedrigschwelligen Zugang zu Datenräumen

»Energizing a Sustainable Industry« – das Motto der Hannover Messe 2024 zeigt klar, wie wichtig eine gleichermaßen leistungsstarke und nachhaltige Industrie für den Fertigungsstandort Deutschland ist. Auf der Weltleitmesse der…

Quantenpräzision: Eine neue Art von Widerstand

Physikforschende der Universität Würzburg haben eine Methode entwickelt, die die Leistung von Quantenwiderstands-Normalen verbessern kann. Sie basiert auf einem Quantenphänomen namens anomaler Quanten-Hall-Effekt. In der industriellen Produktion oder in der…

Sicherheitslücke in Browser-Schnittstelle erlaubt Rechnerzugriff über Grafikkarte

Forschende der TU Graz waren über die Browser-Schnittstelle WebGPU mit drei verschiedenen Seitenkanal-Angriffen auf Grafikkarten erfolgreich. Die Angriffe gingen schnell genug, um bei normalem Surfverhalten zu gelingen. Moderne Websites stellen…

Partner & Förderer