Druckentlastung hebt Erdkruste

Blick in östlicher Richtung über die Aufsetzzone des Nioghalvfjerdsbræ hinweg.
Bild: Mirko Scheinert

Wie Eismassenänderung die Erde deformiert

Auf 79° nördlicher Breite liegt der Nioghalvfjerdsbræ. Forscherinnen und Forscher der TU Dresden und der TU Dänemark erzielten bei Untersuchungen in Nordost-Grönland, im Gebiet dieses gewaltigen Ausflussgletschers, der eine mehr als 70 km lange schwimmende Gletscherzunge ausbildet, bemerkenswerte Ergebnisse über die Veränderungen der regionalen Eismassen zwischen 2010 und 2017. Ihre aktuelle Studie veröffentlichte die Gruppe um Maria Kappelsberger im Journal of Geophysical Research: Earth Surface (JGR).

Neuartige Kombination von Satellitenverfahren

Basis der Analyse sind die Messungen an insgesamt 17 Stationen in Nordost-Grönland, an denen mittels GNSS (globales Navigationssatellitensystem zur Positionsbestimmung) präzise Positionsdaten erhoben werden. Zur Datenauswertung verwendeten die Forscherinnen und Forscher eine neuartige Kombination verschiedener Satellitenverfahren, die neben dem Eisschild auch die peripheren Gletscher und Eiskappen einbezieht.

Auf diese Weise gelangten sie zu Aussagen über den Zusammenhang zwischen Eismassenverlust und den Deformationsraten der Erde: verschwindet das Eis und übt weniger Druck auf die elastische Erdkruste aus, verformt und hebt sie sich. Das prägt die Entwicklung des Meeresspiegels. „Unsere Studie liefert wichtige Erkenntnisse zur Wechselwirkung von Eismassenänderung und fester Erde in Nordost-Grönland“, sagt Dr. Mirko Scheinert, Projektleiter an der Professur für geodätische Erdsystemforschung.

Verlässliche Schätzungen

233 Milliarden Tonnen Eismasse gehen pro Jahr in ganz Grönland verloren – das entspricht im Verlauf der betrachteten sieben Jahre ungefähr 0,63 Promille der grönländischen Gesamteismasse. Verteilt man dieses freigesetzte Schmelzwasser gleichmäßig über der Fläche von Deutschland, würde man eine ungefähr 4,6 Meter mächtige Wasserschicht erhalten.

Die resultierenden Effekte der Erdkruste lassen sich durch die Modellierung der glazial-isostatischen Ausgleichsprozesse (GIA) beschreiben. Dabei besteht die Herausforderung, die Komplexität der Vorgänge und Wechselwirkungen besser zu erfassen. Das in der Studie angewandte Verfahren ermöglicht eine verfeinerte Bewertung der GIA-Modellierungen und damit verbesserte Schätzung der Eismassenänderungsrate.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Mirko Scheinert
Tel. +49 351 463-33683
mirko.scheinert@tu-dresden.de

Originalpublikation:

Journal of Geophysical Research: Earth Surface
Modeled and observed bedrock displacements in north‐east Greenland using refined estimates of present‐day ice‐mass changes and densified GNSS measurements
M. T. KappelsbergerU. Strößenreuther; M. Scheinert; M. Horwath; A. Groh; C. Knöfel; S. ; Lunz; S. A. Khan
https://doi.org/10.1029/2020JF005860

Weitere Informationen:

https://tu-dresden.de/bu/umwelt/geo/ipg/gef/die-professur/news/was-bedeuten-79de…

Media Contact

Anne-Stephanie Vetter Pressestelle
Technische Universität Dresden

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Geowissenschaften

Die Geowissenschaften befassen sich grundlegend mit der Erde und spielen eine tragende Rolle für die Energieversorgung wie die allg. Rohstoffversorgung.

Zu den Geowissenschaften gesellen sich Fächer wie Geologie, Geographie, Geoinformatik, Paläontologie, Mineralogie, Petrographie, Kristallographie, Geophysik, Geodäsie, Glaziologie, Kartographie, Photogrammetrie, Meteorologie und Seismologie, Frühwarnsysteme, Erdbebenforschung und Polarforschung.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neues topologisches Metamaterial

… verstärkt Schallwellen exponentiell. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am niederländischen Forschungsinstitut AMOLF haben in einer internationalen Kollaboration ein neuartiges Metamaterial entwickelt, durch das sich Schallwellen auf völlig neue Art und Weise…

Astronomen entdecken starke Magnetfelder

… am Rand des zentralen schwarzen Lochs der Milchstraße. Ein neues Bild des Event Horizon Telescope (EHT) hat starke und geordnete Magnetfelder aufgespürt, die vom Rand des supermassereichen schwarzen Lochs…

Faktor für die Gehirnexpansion beim Menschen

Was unterscheidet uns Menschen von anderen Lebewesen? Der Schlüssel liegt im Neokortex, der äußeren Schicht des Gehirns. Diese Gehirnregion ermöglicht uns abstraktes Denken, Kunst und komplexe Sprache. Ein internationales Forschungsteam…

Partner & Förderer